Repro: Lithographie Adolph Neef, um 1850 Foto: Schwarzwälder-Bote

Geschichte der Flößerei in Wolfach zeigt Holzhandel zu Wasser als Basis für Reichtum der Stadt.

Mindestens 700 Jahre hat die Flößerei auf der Kinzig in Wolfach eine bedeutende Rolle gespielt. Während sie über Jahrhunderte Haupteinnahmequelle in der Stadt an Wolf und Kinzig war, ist sie heute Traditionshobby – und immaterielles Unesco-Kulturerbe.

Wolfach. Erstmals urkundlich erwähnt wurde die Flößerei 1339 für das vordere Kinzigtal um Gegenbach. Weitere Nachweise waren Floß- und Zollordnungen. Dann wurden Wolfach und Schiltach für viele Jahrhunderte unumstrittene Zentren, wie Edgar Baur, dritter Vorsitzender und Schriftführer der Wolfacher Kinzigflößer, zusammenfasst.

"In Wolfach und auch in anderen Städten gab es sogenannte Schiffergesellschaften", berichtet Baur. Sie kauften Holz von den Waldbauern, wiesen den Einschlag an und beauftragten dann fachkundige Handwerker, das Holz per Floß zu transportieren. Die "Schiffer" verdienten mit diesem Geschäft viel Geld. Weil die Flößerei aber auch mit viel Risiko behaftet war, ging die Wolfacher Schiffergesellschaft um 1850 in Konkurs. "Das Holzgewerbe war bis dahin der Erwerb der Kinzigtäler Bevölkerung und entlang der Wasserstraßen der Wolf und Kinzig", so Baur, der auf der Internetseite der Kinzigflößer die Historie zusammengefasst hat.

In den deutschsprachigen Gebieten bekannt wurde die Kinzigflößerei und ihre Bedeutung durch den Kosmograf Sebastian Münster (1489-1552), der in seiner deutschen Länderkunde "Cosmographia universalis" von 1544 schrieb: "Das Volck so bey der Kyntzig wohnet, besonders umb Wolfach, ernehret sich mit den grossen Bawhöltzern, die sie durch das Wasser Kyntzig gen Strassburg in den Rhein flötzen und gross Gelt jährlichen erobern." Der Basis für diesen Ruhm war: Um 1500 bekamen Schiltach und Wolfach von der Herrschaft absolutes Holzhandelsprivileg. Nur die Bürger dieser Städte waren zum "auswärtigen Holzhandel" berechtigt, die bäuerlichen Waldbesitzer durften nicht selbst losfahren, sondern mussten an die Schifferschaften verkaufen.

Was Graf Wolfgang von Fürstenberg zur Förderung der "Wohlfahrt" der Wolfacher Bürger genehmigt hatte, wurde stärkster Erwerbszweig. Doch weil viele Herrschaftsgebiete auf dem Wasserweg bis Kehl zu durchfahren waren, überwachten die Fürstenberger Beamten wie die der anderen neun Herrschaften streng die Einhaltung der Floßordnung und das Zahlen der Zölle.

Für die Fahrt zum Rhein wurden die etwas schmäleren "Waldflöße" von Wolf und Kinzig am Wolfacher Floßhafen zu größeren Einheiten zusammengebunden. Auf einer künstlich erzeugten Flutwelle wurden diese "Landflöße", die bis zu 600 Meter lang sein konnten, dann flussabwärts gesteuert. Eine bedeutende Rolle spielten die Floße nicht nur wegen ihres Holzes, sondern auch aufgrund der transportierten Oblasten wie Erze, Rebstöcken und vielem mehr.

Vom schmalen Floß zum "schwimmenden Dorf"

Hatten die Kinzigtäler Flößer das Holz nach Kehl gebracht, wurden 90 Prozent dort vermarktet – beispielsweise für den Straßburger Münsterbau. Nur ein geringer Bruchteil des Kinzigholzes ging mit der Rheinfloßfahrt Richtung Holland.

Mit quasi "schwimmenden Dörfern" starteten die "Rheinflößer": 50 Meter breit waren ihre Kolosse, gesteuert von 500 Mann Besatzung. Mit Hütten und Verpflegung, teilweise lebend, ging es wochenlang flussabwärts und aufwendig um die vielen Rheinschleifen herum. Die Kinzigtäler Flößer machten sich nach der zwei- bis fünftägigen Fahrt zu Fuß mit ihren Floßstangen, Waldäxten und weiterem Gerät auf den Heimweg.

Die Flößerei zum Stillstand brachten die Kriegswirren im 17. Jahrhundert wie der Dreißigjährigen Krieg. Blütezeiten des Holzhandels mit Flößen waren das 15., 16. und das 18. Jahrhundert. Zu Höchstzeiten gingen laut Baur bis zu 300 dieser "Landflöße" pro Jahr von Wolfach ab. Ob diese Überlieferungen allerdings stimmen, zweifele er wegen der Floßzeit von April bis November an.

Nach 1700 und vor allem durch das Heranwachsen der Niederlande zu einer See- und Kolonialmacht erfuhr die Flößerei erneut einen Aufschwung. Einkäufer aus den niederländischen Städten kamen ins Kinzigtal und suchten selbst Holz in den Wäldern für den Transport per Floß aus.

"Daher kommt auch der Name ›Holländer‹ für eine schöne, schlanke, lange Tanne", weiß Baur. Die geforderten Dimensionen dieser "Baumkolosse" für den Schiffsbau lagen bei mehr als 33 Metern Länge und 45 Zentimetern Durchmesser am dünnen Stammende. Enorme Mengen an Holz wurden laut Baur auch für die Untergrundbefestigung der holländischen Städte benötigt. Eichenholz war ebenfalls stark gefragt – wurde aber als Oblast auf den Flößen oder im Verbund mit Tanne und Fichte zusammengebunden.

Schlimm war der Rückgang des Walds durch diesen Raubbau. Die württembergischen und fürstenbergischen Waldungen seien vollständig ausgehauen, hieß es. "Der Schwarzwald ist ein Kahlwald", schrieb schließlich Heinrich Hansjakob im 19. Jahrhundert.

Obwohl sich das Eisenbahnnetz in Europa bereits ausweitete, kam es Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem letzten Aufschwung der Flößerei. Als die Industrialisierung mit diversem Anlagenbau am Rhein Fuß fasste und die Städte stark wuchsen, stieg auch der Holzbedarf in den traditionellen Absatzgebieten der Kinzigflößer kurzfristig nochmal an.

Vereinsgründung rund 120 Jahre nach dem Ende

Das Ende der Kinzigflößerei folgte gleichsam durch diese Entwicklungen: 1866 war der Schienenstrang bis Hausach gebaut, 1878 transportierte erstmals ein Zug Menschen und Güter von Hausach nach Wolfach. Das schlug sich in den Zahlen nieder: Gingen 1857 noch 300 Flöße ab Wolfach kinzigabwärts, waren es 1872 noch 250, 1882 nur 96 und 1891 noch 20 Flöße.

Von Wolfach fuhr 1895 das letzte "wirtschaftlich" genutzte Floß Richtung Offenburg. Franz Disch bilanziert in der Chronik der Stadt Wolfach: "Über nahezu 700 Jahre hatte die Flößerei das ganze Flussgebiet beherrscht, alle Wasserrechte eigennützig an sich gezogen und restlos für sich genützt und dadurch der Fabrikindustrie, der fleißigen Tochter des 19. Jahrhunderts, den Einzug ins Tal verwehrt."

1929 wurde nochmals ein großes Floß fürs Trachtenfest gebaut und die Kinzig hinab gefahren. Doch erst die im Jahr 1984 anstehende 900-Jahr-Feier Wolfachs gab den Anlass, das Flößerhandwerk in Erinnerung zu rufen. Unter der Leitung von Ewald Fritsch und Eugen Dieterle begann eine Mannschaft, den Bau eines mehr als 100 Meter langes Floßes nach historischen Vorbildern zu entwerfen, das Wasser der Kinzig und den Einsatz der Stauwehre zu studieren und eine Fahrt durch den Stadtkern zu planen.

Den Proben und der erfolgreichen Floßfahrt zum Stadtjubiläum folgten die Vereinsgründung der "Wolfacher Kinzigflößer" 1998, das Erlernen handwerklicher Tätigkeiten wie dem "Wiedendrehen", die Etablierung des Floßhafenfests und des Flößerparks und Kontakt und Besuche bei Flößertreffen in Deutschland und Europa. Mit dem Oberflößer Anton Griesbaum engagieren sich heute etwa 44 aktive Flößer, 40 passive Mitglieder und deren Frauen im Verein.

Und nicht nur den Wolfachern ist die Bedeutung der Flößerei bewusst. Baur betont, dass für diese Tradition das gleiche gilt, wie für die schwäbisch-alemannische Fastnacht: "Die ›Deutsche Flößerei-Vereinigung‹ ist seit Dezember 2014 ins deutsche Verzeichnis der Unesco des ›Immateriellen Kulturerbes‹ aufgenommen." Darauf sind die Flößer stolz.