Gehen selbstbewusst in die Partie mit Deutschland (von links): Florian Meud, Nelio Tome, Vito Pereira mit Milena und Kevin Fernandes vom Wolfacher Club de Portugues. Foto: Adler Foto: Schwarzwälder-Bote

Vor dem Spiel gegen Deutschland sind die meisten in Wolfach lebenden Iberer patriotisch und pragmatisch

Von Markus Adler

Mittleres Kinzigtal. Wem drücken im Kinzigtal lebende Portugiesen am Montagabend beim Spiel gegen Deutschland bei der Weltmeisterschaft die Daumen? Gerade in gemischten deutsch-portugiesischen Ehen könnten nationale Gefühlsverwirrung ein Problem sein, doch die meisten Portugiesen sind sowohl patriotisch als auch pragmatisch.

Vito Pereira hat einen solchen Konfliktfall: Er und seine deutsche Frau schauen garantiert nicht zusammen Fußball. "Ich brauche da einfach Ruhe", erzählt er und erinnert sich noch gut an Erfahrungen beim "Public Viewing" im Schlosshof während der Europameisterschaft. "Ich glaube, meine Frau will mich ärgern und noch ein paar Leute einladen", sagt Pereira, dessen Herz aber schon für sein Herkunftsland schlägt.

"Ein gutes Spiel", wünscht er sich und tippt auf ein Unentschieden, was für ihn das optimale Ergebnis wäre. Bei seinen Söhnen, die beide Mitte 20 sind, weiß er spontan gar nicht so genau, für wen sie sich entscheiden würden – nach kurzem Überlegen glaubt er schon eher für Portugal. Der allerjüngste Sproß – Enkelchen Milena – kann noch nicht selbst entscheiden, aber rein intuitiv zeigt sie auch eher Nähe zur iberischen Halbinsel – die Deutschlandfahne lässt sie einfach fallen und fühlt sich im portugiesischen Dress ganz offensichtlich wohl.

Einen ganz anderen Fall stellt Florian Meud dar: Er ist als Deutscher mit einer Portugiesin verheiratet und hat drei Kinder. "Bei uns gilt die Unterstützung ganz klar für Portugal", erläutert er und wünscht sich auch einen Sieg gegen die Deutschen. Der Kassier des Portugiesenclubs machte dafür seine "Begeisterung für den Süden" verantwortlich, der ihm fußballerisch alle deutschen Sinne geraubt hat. Sein Wunsch: Ein Sieg für Portugal.

Bei einem jüngeren Mitglied ist es noch nicht ganz so weit: Kevin Fernandes ist erst 23 Jahre und hat noch keine eigenen Kinder. "Dafür ist es einfach noch zu früh für mich", sagt der Deutschportugiese, dessen Mutter aus dem Land Philipp Lahms und dessen Vater von der Algarve stammt.

"Ich finde, dass Portugal ein sehr offenes Land ist, und ich mag die Mentalität", macht er deutlich, dass er am Montag eher Ronaldo und Co. die Daumen drücken wird, obwohl er kein ausgesprochener Bewunderer des portugiesischen Mittelfeldregisseurs ist. Trotzdem geht es auch in der Familie Fernandes nicht ganz ohne zwiespältige Gefühle ab, denn auch zu Deutschland hat er eine positive Einstellung. Viele wurmt, dass der Spruch von Gary Lineker ("Fußball ist ein Spiel mit 22 Mann, und am Ende gewinnt immer Deutschland") auch für deutsch-portugiesische Duelle zu gelten scheint oder mit Kevins Worten: "Portugal ist besser, aber Deutschland gewinnt." Sein Tipp wäre ein 3:1 für den Gegner, denn "die Portugiesen hätten es einmal verdient", glaubt er.

Nevio Tomé hat ebenfalls eine ganz klare Tendenz: "Mein Herz schlägt nur für Portugal", sagt der Vorsitzende des Clubs de Portugues in Wolfach. "Ich setze auf einen klaren portugiesischen Sieg, das wäre mir am liebsten – sagen wir ein 2:0." Er würde sich von den deutschen Fans wünschen, nicht zu sehr an den eigenen Schwächen herum zu analysieren, sondern lieber selbstbewusst zu ihrem Team zu stehen. "Wenn ich für Deutschland wäre, würde ich sie auch voll unterstützen", sagt Tomé.

Trotz ihrer relativ klaren und überwiegend positiven Botschaft pro Portugal sind die meisten pragmatisch und wissen genau, dass sie es bei Deutschland mit einem äußerst anspruchsvollen Gegner zu tun haben werden. Tomé: "Die gehen in eine WM und sind einfach eine Turniermannschaft. Deutschland ist immer oben dabei". Das heißt, viele Portugiesen wünschen sich einen Sieg, rechnen aber auch mit der Möglichkeit, dass die Löw-Truppe im Ernstfall das nötige Quentchen Glück mehr haben könnte. Ein kritischer Punkt sei nicht zu unterschätzen: "Alle reden in dieser Gruppe nur von Portugal und Deutschland. Die eigentliche Gefahr kommt von Ghana und den USA", meint zum Beispiel Vito Pereira.

Bei der Frage nach dem Weltmeister müssen die vier Wolfacher Portugiesen nicht lange überlegen: Viermal Brasilien lautet die überzeugende Antwort, obwohl die Selecao beim Eröffnungsspiel gegen Kroatien auch vom Glück begünstigt war. Ein Wiedersehen mit Deutschland könnten sich die Portugiesen aber durchaus vorstellen: "Wir könnten im Spiel um Platz drei wieder aufeinandertreffen", schlägt Nevio Tomé vor – "natürlich mit Sieg für Portugal", fügt er schnell hinzu.