Kammerchor Offenburg im Wolfacher Rathaussaal: 80 Musikbegeisterte hören den Sängern zu. Foto: Dorn Foto: Schwarzwälder-Bote

Konzert: Kammerchor Offenburg begeistert mit einer Zeitreise in die Romantik

Der Kammerchor Offenburg sang am Samstagabend Zigeunerlieder im Wolfacher Rathaussaal. Daneben wurden auch Märchen dargeboten. Eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert.

Wolfach. Mehr als ein halbes Jahrhundert bevor Sinti und Roma verfolgt wurden, ihr Aufenthalt als "gens de voyage" mehr geduldet denn erwünscht ist oder dem politisch korrekte Terminus "Sinti und Roma" Eingang in den Sprachgebrauch gebahnt wurde, dienten "Zigeuner" dem Bürgertum als willkommene Projektionsfläche für Leidenschaft, Leben in und mit der Natur und manch anderer romantischer Zivilisationsträumereien.

Reinhardt Bäder und sein Kammerchor Offenburg nahmen etwa 80 Besucher im Blauen Saal im Wolfacher Rathaussaal auf eine Reise zurück in diese Epoche mit, als Johannes Brahms den seinerzeitigen Musikgeschmack gleich mit mehreren Zigeunerlieder-Zyklen treffend zu bedienen wusste.

Die 30 Sänger spannten ihr Publikum lang auf die Folter. Nach jeder in Intonation und Ausdruck perfekt dargebotenen Strophe folgte eine weitere. Erst nach zwanzig Minuten durften die Zuhörer ihren Dankapplaus "loswerden".

Auch Märchen vorgetragen

Das Pendant zu diesen Darbietungen des Abends sind Märchen. Sie haben etwas Völkerverbindendes. Über alle Nationen hinweg sind die Figuren in etwa gleich: Mal gibt es eine Fee, die einem Jüngling zur Seite steht, der die Tochter des Königs befreien will, mit Feenhaaren wird aus einer Holzkiste eine mächtige Geig, dann sind es die üblichen drei Königstöchter: zwei davon hässlich wie die Nacht, böse und ihrer jüngsten Schwester nach dem Leben trachtend oder ein unbescholtener Mann findet einen wunscherfüllenden Gegenstand: eine Zaubereichel, die ihm beim Geigespielen auf den Kopf fällt. Um den Bezug zu den Liedern nicht zu verlieren, kommen bei den Märchen auch Zigeuner vor, zum Beispiel, bei der Geschichte mit den Königstöchtern: Dort wächst auf dem Grab der jüngsten ein Wacholderbaum, aus dessen Holz ein Zigeuner eine Geige baut.

Von Sigrid Voigt frei vorgetragen und von Maria Eisenburger mit der Geige vertont, verfehlten die gleichsam bekannten wie fremden Märchen ihre Wirkung nicht und leisteten ihren Beitrag zum Gelingen des Konzertabends.

Von der Fee bis zur Teufelin, und das alles in wenigen Minuten, gelang es hingegen Eisenburger virtuos, die Zuhörer auf eine musikalische Reise in die Weite der ungarischen Puszta mitzunehmen. Am Ende von Pablo de Sarasates "Zigeunerweisen" kam denn auch der berühmte Csárdás-Rhythmus zur Aufführung.

Manfred Kratzer am Flügel nahm diesen Schwung gerne mit, galt es doch nach der eher ruhigen Chorbegleitung mit einem hohen Maß an Virtuosität "El Albaicin" aus Isaac Albeniz‘ Iberia-Zyklus auf die Tasten zu bringen. Mit slowakischen Tanz- und Ernteliedern ging es in die Pause. Auch wer des Slowakischen nicht mächtig war, konnte im dritten Tanz an dem Impetus, den der Chor plötzlich an den Tag legte, hören, wie ungehalten der Autor darüber war, dass das Mädchen seiner Gunst mit einem anderen Mann tanzte.

Schumann im zweiten Teil

Nach der Pause das gleiche Bild, große Komponisten des 19. Jahrhunderts, die sich mit marktgängiger Musik ihr wirtschaftliches Auskommen sicherten, auch Robert Schumann war auf den Zug aufgesprungen (Zigeunerleben op. 29, Nr.3).

Als starken Kontrast dazu hatte Bäder mit seinem Chor zwei Stücke von György Ligeti einstudiert: Das ist Chormusik des 20. Jahrhunderts, fremd in der Sprache, dissonant in der Tonwahl, aber nichtsdestotrotz in sich stimmig, selbst bis in die Details, wie dem morgendlichen Kikeriki eines Hahnes.

"Quark isst der Zigeuner" (Túrót eszik a cigány), der Intonation und dem Spiel zwischen den einzelnen Stimmlagen folgend hat sich in diesem Volkslied die Stimmung gegenüber den fahrenden Völkern schon ein wenig gedreht, wo früher rassige Mädchen zum Tanze geführt wurden, werden jetzt Essensgewohnheiten karikiert.

Mit einer virtuosen Geige – ein Csárdás von Vittorio Monti – und fünf weiteren Zigeunerliedern aus der Feder von Johannes Brahms endet der Abend dann fast so, wie er begonnen hat. Für die Zugabe hat sich Bäder noch eine Nuancenverschiebung ausgedacht: Im Abendlied des ungarischen Komponisten Zoltan Kodaly ist für den Hirten das fahrende Zigeunerleben zur Last geworden und er betet um ein (festes) Zuhause.