Diese Ansichtskarte des Wolfacher Kurheims lässt nicht erahnen, welche Verbindungen die Hausherren im Dritten Reich pflegten und nutzten. Repro: Schrader Foto: Schwarzwälder-Bote

Archivfund und seine Geschichte: Postkarte des Kurheims

In Archiven schlummert manch’ interessanter Fund aus der reichhaltigen Geschichte der Stadt Wolfach. Einige stellt der SchwaBo in loser Reihe vor – heute: ein Foto des Wolfacher Kurheims aus den 1930er-Jahren.

Von Frank Schrader

Wolfach. Das Kurheim am "Straßburger Hof" wurde 1898 als Villa für den aus Hessen stammenden Bergbauunternehmer Hans Freiherr von Verschuer (1866-1932) erbaut, der kurz zuvor einen Pachtvertrag für den Abbau von Schwerspat in der Grube Clara unterschrieben hatte. Im Jahr darauf gründete er die Firma "Schwarzwälder Barytwerke H. von Verschuer & Cie GmbH", aus der die heutige Firma Sachtleben hervorging. 1905 zog er sich wegen Kritik an seiner Geschäftsführung aus der Firma zurück.

Nachdem Verschuer mit seiner Familie nach Karlsruhe gezogen war, richtete seine Schwester Selma 1911 in der Villa ein "Erholungsheim für Genesende, Ruhe- und Erholungsbedürftige" ein, in dem ab 1913 Patientinnen der Reichsversicherung für Angestellte in Berlin gepflegt wurden. Im Ersten Weltkrieg diente das Anwesen dem Roten Kreuz als Lazarett. In den 1930er-Jahren übernahm Erika von Verschuer, die Tochter von Hans, die Leitung des Kurheims.

Hans von Verschuers Sohn Otmar (1896-1969) studierte Medizin und stieg als Humangenetiker und Zwillingsforscher im Dritten Reich zu einem der führenden Rassenhygieniker der NS-Zeit auf. 1942 wurde er zum Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie in Berlin-Dahlem ernannt. Eine seiner Mitarbeiterinnen dort war die Biologin Karin Magnussen (1908-1997), die bei ihren Forschungen mit dem berüchtigten KZ-Arzt Josef Mengele (1911-1979), einem ehemaligen Doktoranden und Assistenten Verschuers, eng zusammenarbeitete. Mengele stellte ihr Körperteile von ermordeten KZ-Häftlingen für ihr Projekt der "Erforschung der Erbbedingtheit der Entwicklung der Augenfarbe als Grundlage für Rassen- und Abstammungsuntersuchungen" zur Verfügung.

Um empirisches Material für ihr Projekt zu sammeln, führte Magnussen 1944 an Schülern in Wolfach eine Reihenuntersuchung der Augenfarben unter erbbiologischen Gesichtspunkten durch. Den Kontakt nach Wolfach hatte für sie ihr Vorgesetzter Otmar von Verschnuer über seine Schwester Erika vermittelt, die dort immer noch wohnte. Trotz ihrer Verstrickungen in die Verbrechen des Dritten Reiches wurden Magnussen und Otmar von Verschuer nur als einfache Mitläufer entnazifiziert.

Nach dem Kriegsende 1945 beschlagnahmte die französische Besatzungsbehörde das Wolfacher Kurheim und nutzte es als Dienstsitz. Nach der Rückgabe des Gebäudes 1951 entstand dort unter Leitung des promovierten Nervenarzts Fritz Barlen das "Sanatorium für Parkinson-Kranke".