Viele Menschen bejubelten die mutigen Männer, die auf dem 130 Meter langen Floß sicher auf der Kinzig gefahren sind. Foto: Jehle

130-Meter-Floß wird nach zehn Jahren ausgemustert. "Riskiert nichts, ihr wisst, die Sache ist gefährlich."

Wolfach - "Die Flößeruhren gehen halt nach dem Wasser." So erklärte ein Flößer die leichte Verspätung bei der Abfahrt des 130 Meter langen Floßes am Grieshaber-Wehr. Mit verursacht wurde sie aber auch von zahlreichen Schaulustigen, die die Flößer wie große Stars empfingen.

Zahllose Fotoapparate klickten und viele Fragen wurden gestellt, bevor die Mannschaft die neun Gestere des Holzungetüms startklar machen konnten. "Riskiert nichts, ihr wisst, die Sache ist gefährlich", mahnte Oberflößer Andreas Erker die rund zwei Dutzend Männer bei der traditionellen Schnapsrunde vor der Abfahrt.

Zum ersten Mal nahm Bürgermeister Thomas Geppert als Flößer an der Fahrt teil. "Beim Probelauf vor einigen Wochen wurde ich rekrutiert", meinte Geppert auf Nachfrage. Hatte er vor zwei Jahren bereits spontan in geliehener Flößertracht seine Flusstauglichkeit unter Beweis gestellt, trat er nun in eigenen feschen Schaftstiefel und Flößerhut die Fahrt an.

Jubel der Zuschauer

Nachdem das dreifache Kommando "Stellfall uff" über die Kinzig schallte, nahm das Floß unter dem Jubel tausender Zuschauer Fahrt auf. Dicht gedrängt stand das Publikum die gesamte Fahrtstrecke links und rechts der Kinzig und spendete dem packenden Schauspiel reichlich Beifall. Viel Kraft und Geschicklichkeit der Flößer sind gefragt bei der Schaufahrt. Die wichtigste Direktive lautet, die neun Gestere auf dem Scheitel der erzeugten Flutwelle zu halten. Gerät das Floß vor oder hinter den Wasserschwall, könnte es auf dem Flussboden aufsitzen und festliegen. Die erste Welle trägt das Floß bis unterhalb der Stadtbrücke. Dort heißt es warten, bis wieder ausreichend Wasser für die Weiterfahrt aufgestaut ist, denn die Wasserhöhe muss mindestens 40 Zentimeter betragen. Wenn die Schwellen am Brückenwaagteich gezogen sind, legt das Floß ordentlich an Tempo zu und die Gefällstrecke vom Flößerpark bis zum alten Floßhafen am Herlinsbach wird in rasanter Geschwindigkeit zurückgelegt.

Dort endete die Fahrt, denn nur die kurze Flussstrecke in Wolfach wurde mit viel Aufwand eigens für das Fest floßtauglich gemacht.

Im großen Bogen ging es dann auf die linke Kinzigseite zum Festgelände, wo ebenfalls begeisterte Zuschauer die Ankunft erwarteten.

Die letzte Fahrt

Es wird wohl die letzte Fahrt mit diesem Floß gewesen sein, denn es ist nach Aussage der Flößer ziemlich marode. Es ist mittlerweile zehn Jahre alt und das Fichtenholz ist schlichtweg nicht so robust wie das früher für den Floßbau benutzte Tannenholz.

Das jede zweite Jahr in Wolfach gefeierte dreitägige Fest der Flößer verbindet Brauchtumspflege mit viel Spaß am Feiern. Bereits am Samstag fanden sich zahlreiche Besucher in den Kinziganlagen ein, um den Sommerabend mit Musik und Tanz zu genießen.

Auch am Sonntag konnten sich die Veranstalter über ein rappelvolles Zelt zum Frühschoppen-Konzert der Stadtkapelle freuen. Viel Interesse fand die Ausstellung auf der Martinswiese zum Thema Flößerei und Waldwirtschaft. Dort waren historische Fotografien und ein Film über eine sogenannte Riese – eine Art Rutsche für die Baumstämme von den Hängen das Tal hinunter zum Fluss – zu sehen.

INFO: Das Flößer-Fest

Die "Wolfacher Kinzigflößer" lassen seit 1984 das früher wirtschaftlich für die Stadt bedeutsame Flößerhandwerk als Brauchtum wiederaufleben. Das erste, nach historischen Vorbildern gebaute Floß, fuhr beim großen Jubiläumsfestes zum 900-jährigen Bestehen durch Wolfach. Aus organisatorischen Gründen wurde 1998 ein eingetragener Verein angemeldet, dessen Vorsitz aktuell Andreas Erker innehat. Jährlich werden nationale und internationale Flößertreffen besucht und ausgerichtet. Durch die Regulierungsarbeiten an der Kinzig mussten mehrere Wehre abgebaut und beim sogenannten Grieshaber-Wehr eine Konstruktion gefunden werden, die ein zweimaliges Öffnen zulässt. Vor einem halben Jahr erwirkte die Deutsche Flößereivereinigung mit ihrem Antrag, dass die Flößerei in das Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Deutschen UNESCO-Kommision "Wissen. Können. Weitergeben" aufgenommen wurde.