Reihe: Geschlossene Gasthäuser / Teil 2: Der "Zähringer Hof" in Wolfach / Viel Trubel am Stammtisch

Von Evelyn Jehle

Wolfach. Einst viel besucht und fester Bestandteil des Dorf- und Stadtlebens, sind sie heute oft verwaist: traditionsreiche Gasthäuser, deren Betrieb längst Geschichte ist, deren Mauern aber von hochinteressanten Ereignissen berichten. Der Schwarzwälder Bote hat mit Zeitzeugen über deren Geschichte gesprochen – heute mit Hans-Claudius Moser über den "Zähringer Hof" in Wolfach.

Die vielen verwaisten Gasthäuser vor allem im ländlichen Raum sind auch ein Spiegel der in den letzten Jahrzehnten sich rasant verändernden Gesellschaft. Orte der Begegnung ändern sich ständig und "Stammtisch" ist heute eher im Internet.

Früher war das anders. Nach dem Gottesdienst am Sonntag war es obligat, nach geistiger Erbauung weltliche Anschauungen auszutauschen. Oft waren die Wirtschaften in der Nähe der Kirche erbaut und häufig nach Evangelistensymbolen benannt. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Wolfacher Vorstadt, in der vier Gasthäuser entsprechende Namen trugen.

Wolfachs Historiker Otto Schrempp verweist hier auf den "Engel" (heutiges Engelschulhaus), "Adler", "Ochsen" und "Zähringer Hof", der früher "Roter Löwe" hieß. "Die besonders badisch patriotische Familie, die um 1850 den Roten Löwen betrieb, taufte die Wirtschaft um", erzählt Schrempp aus der Stadtchronik von Franz Disch.

Stellvertretend für die Gasthäuser, deren Historie bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, soll hier die Geschichte des "Zähringer Hof" beleuchtet werden. Laut Schrempp baute Wilhelm Armbruster, der die Wirtschaft von seinem gleichnamigen Vater übernommen hatte, den "neuen Zähringer Hof" und eröffnete ihn 1909. "Vor dem Zweiten Weltkrieg hat mein Opa Wilhelm Moser das Gasthaus übernommen", sagt Hans-Claudius Moser, ohne die genaue Jahreszahl zu kennen. Nach seinem Tod führte zuerst Oma Emma den Gasthof bis später die Töchter Gretel und "Mimi", die Mutter von Hans-Claudius, den Zähringer übernahmen.

Lebhafte Erinnerungen an die damaligen Gäste

Seine Kindheitserinnerungen schildern lebhaft, wie es war, in einem Gastronomiebetrieb aufzuwachsen. "Förster Fritz Herrenknecht hat mir meine Angst vor dem Mann im Mond genommen, als ich etwa sechs Jahr alt war", erinnert sich Moser. Herrenknecht gehörte zu der Jägerclique, die regelmäßig am Stammtisch saß und zu der auch der damalige Amtsrichter Walter Eberhard gehörte.

Der Förster schnappte seine Schrotflinte und ging mit dem kleinen Hans-Claudius vor die Tür, legte an und machte dem Mann im Mond kurzerhand den Garaus. "Damit hatte sich für mich der Gang zum Kinderpsychologen erübrigt", scherzt Moser. Das Jägerlatein der Waidmänner sei spannender als jede Gutenachtgeschichte gewesen.

Ein lustiger Geselle sei auch der Handwerker Emter Max von der Zimmerei hinter der ehemaligen Firma Hund gewesen. "Er brachte mir oft Holz zum Spielen mit", erinnert sich Moser. Gerne wurde auch der Wunsch des Jungen, einmal Nägel zum Holz mitzubringen, erfüllt. Das hat dem gesamten Stammtisch gefallen und prompt stifteten sie ihn zu Unsinn an. Angefeuert von der Runde schlug Moser Nagel um Nagel in den Dielenboden des Gasthauses ein, bis die wenig erfreute Mutter und Wirtin einschritt.

Viele lustige Runden und Schnurren habe es gegeben, entsinnt sich Moser. Davon zeugt auch eine Zeichnung von Glasmaler Georg Straub mit dem Titel: "Der Ruf nach Ulrich im Zähringer Hof" am feuchtfröhlichen Stammtisch. Der Zeichnung nach zu urteilen liegt besagter Ulrich unter dem Tisch.

Das Original haben Hans-Claudius Moser und seine Frau Monika, deren Onkel Straub war, erst vor kurzem rahmen lassen.

Kleine Zeichnungen und großes Sitzfleisch

Straub habe oft am Stammtisch auf Bierdeckel gezeichnet und die kleinen Werke dann den Leuten mitgegeben, erzählt Moser. Weniger schön fand er als Bub, wenn die Gäste an Heiligabend ewiges Sitzleder zeigten: "Ich hatte oft Bedenken, dass das Christkind schon wieder fort geflogen ist, bis die Gäste endlich gehen."

Die Mosers gaben den Gasthof um 1960 ab. Etliche Jahre war der "Zähringer" noch eine Hochburg an Fasnet zu den Elfemessen, wie sich Monika Moser erinnert. Die Tage des Gebäudes sind wohl gezählt. "Wir haben gehört, dass der Zähringer abgerissen wird", meint Luise Schrempp, die in der Nachbarschaft wohnt.