Marcelo Ortega Sanchez sammelt für seinen Rekordversuch Fotos aller Bürgermeister Baden-Württembergs. Die Bilddokumentation möchte er beim Guinness-Buch der Rekorde einreichen. Fotos: Möller Foto: Schwarzwälder-Bote

Marcelo Ortega Sanchez reist für seinen Rekordversuch durch Baden-Württemberg

Jeder Mensch hat etwas, was ihn antreibt. Für Marcelo Ortega Sanchez sind das Rekordversuche, sportliche Ziele und sammlerische Herausforderungen, denen sich der heute 71-Jährige im Laufe seines Lebens stellte und von denen er auch im Ruhestandsalter nicht lassen kann. Derzeit sammelt er Bürgermeister, oder genauer: Fotos aller Bürgermeisters Baden-Württembergs. Und nicht nur das: Er möchten diesen Rekordversuch einer Bilddokumentation mit einem Gruppenfoto möglichst aller rund 1100 Gemeindeoberhäupter im Land abschließen.

Warum?

"Das ist mein Ziel, Sammeln ist meine Leidenschaft", antwortet Ortega Sanchez und zuckt die Schultern. Eigentlich wollte der gebürtige Spanier, der seit 2008 in Blumberg wohnt, diesmal sogenannte "Nasenschilder" mit dem Fotoapparat dokumentieren. Das sind beispielsweise Adler- und Hirsch-Schilder, die traditionell und wie eine Nase einladend an Gasthäusern baumeln. Seine Frau Antonia meinte, wenn er in so vielen Orten im Land sei, könne er gleich auch die Fotos von allen Bürgermeistern Baden-Württembergs machen. Und so stand das neue Sammelziel für Ortega Sanchez fest, für das er mit seiner Gemahlin seit 2013 auf Achse ist.

Unzählige Kilometer hat er dabei schon auf den Tacho seines VW-Passats gefahren. Auf dem Dachträger prangt programmatisch ein liebevoll von Hand beschriebenes Schild: "Rekordversuch Bilddokumentation aller Bürgermeister in Baden-Württemberg – Antonia und Marcelo". An den Seitenfenstern seines Autos hat er von innen zahlreiche Zeitungsartikel von einstigen Rekordversuchen, einer Radtour zum Papstbesuch oder mit adligen Prominenten gehängt.

Unterstreichend für sein aktuelles Projekt hängt dort auch die etwas vergilbter Kopien der Antwort, die der leidenschaftliche Sammler von Schultes Karl-Heinz Bucher bekommen hat: "Sehr geehrter Herr Ortega, als Bürgermeister von Villingendorf, Landkreis Rottweil, beteilige ich mich sehr gerne an Ihrem Rekordversuch Bilddokumentation aller Bürgermeister in Baden-Württemberg." Bucher betont in dem Schreiben weiter: "Ich finde es beachtens- und lobenswert, dass Sie für einen guten Zweck dieses einzigartige und zeitaufwendige Projekt auf den Weg gebracht haben." Er wünsche ihm weiterhin viel Erfolg.

Ähnlich freundlich sind auch die vielen Antwortschreiben in dem prall gefüllten Leitz-Ordner, den Ortega Sanchez immer mit dabei hat. Für jede Gemeinde und jeden Bürgermeister hat der Blumberger eine Klarsichtfolie im Ordner vorgesehen: Zu den Bürgermeistern, die er angeschrieben, aber noch nicht besucht hat, befindet sich in der Folie das ausgetüftelte Anschreiben. Sobald er eine Antwort und den Fototermin erhalten hat, scheint durch die Vorderseite der Folie die Korrespondenz mit dem Gemeindeoberhaupt. Durch die Rückseite zeigt sich der dazugehörige Schultes auf gemachten Porträtfoto in DIN-A4.

Einige jüngere, viele grauhaarige, wenige weibliche Stadtoberhäupter lächeln dem erstaunten Betrachter beim Durchblättern entgegen. Einige von ihnen sind hier wohl bekannt, beispielsweise Thomas Geppert aus Wolfach oder der Alt-Bürgermeister Oberwolfachs, Jürgen Nowak. Andere sind ob der Entfernung und Gemeindegröße im Kinzigtal eher unbekannt. Doch auch überregional bekannte Oberbürgermeister großer Städte hat Ortega Sanchez für seinen Rekordversuch bereits gewinnen können.

Marcelo Ortega Sanchez bekommt Audienz bei Papst Johannes Paul II

"Kein Problem" war es kürzlich auch für den schmunzelnden Schultes von Haslach, Heinz Winkler, beim Rekordversuch mitzumachen. Er lud Ortega Sanchez infolge dessen schriftlicher Anfrage fürs gewünschte Foto zum Termin ins Rathaus ein. Am Besprechungstisch im Amtszimmer ließ er sich vor dessen geöffnetem Leitz-Ordner voller gesammelter Stadtoberhäupter fotografieren.

Kurz darauf standen die Besuche bei den Amtskollegen Armin Schwarz in Fischerbach und Karl Burger in Mühlenbach auf dem Tourplan des Bürgermeister-Sammlers, um nur einige weitere seiner Termine in diesem Sommer zu nennen. So kommen immer mehr Bilder für seine Dokumentation zusammen. Etwa 200 der insgesamt rund 1100 Gemeindeoberhäupter im Land hat er bereits abgelichtet.

Einzelne Bürgermeister hätten ihn aber auch mit seinem Ansinnen abgewiesen. Sollten die ihre Meinung noch ändern, bleibt dennoch eine weitere Unbekannte für seinen Rekordversuch: Je nachdem, wie lange es noch dauert, bis er 1100 Porträts in seinen Ordnern gesammelt hat, können natürlich auch durch Wahlen neuen Bürgermeister auf seine Liste kommen. Auch weiß Ortega Sanchez nicht, ob er das Pünktchen aufs "i" seiner Bilddokumentation schafft: alle Bürgermeister beim Abschlussfoto vor die Linse zu bekommen. Aber vielleicht klappe dies beim Städte- und Gemeindetag von Baden-Württemberg. Doch in einem ist sich der Spanier ganz sicher: "Wenn ich es schaffe, die gesamte Bilddokumentation beim Guinness Buch der Rekorde zu präsentieren, dann bleibt der Rekord in Deutschland." Das ist sein Ziel, das möchte er erreichen. Und das hat ihn in seinem Leben auch schon zu zahlreichen anderen Versuchen veranlasst.

Geboren am 27. Oktober 1944 in Jaén in der spanischen Provinz Andalusien wuchs Marcello Ortega Sanchez mit seinen Geschwistern in sehr einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater war Transporthelfer, seine Mutter Putzfrau. Doch es habe wenig Arbeit in seinem Heimatort gegeben, genauso gering seien die Möglichkeiten gewesen, zur Schule zu gehen. Er habe das Schreiben ein bisschen von seiner Mutter gelernt, sei aber Autodidakt und habe sich später als Erwachsener dann so die deutsche Sprache beigebracht und es bis einschließlich eines Examens geschafft.

1970 sei er mit seiner Mutter als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. In einer Fabrik in Seesen im Harz fand er Arbeit. Einer der Zeitungsartikel an seinem Wagen berichtet, wie der langjährige Amateurboxer nachdem Berufsstart in der Bundesrepublik und dank des Nationalen Instituts für wirtschaftliche Beziehungen dann auch gesellschaftlich in Deutschland Fuß fassen konnte: Seine Arbeitskollegen lachten laut dem Blatt zuerst, dann klopften sie ihm die Schulter – bei seinem Rekordversuch von 1978 war der damals 33-jährige Ortega Sanchez mit dem Rad von Seesen in seinen 3075 Kilometer entfernten Heimatort Jaén in Spanien gefahren. Dort sei die Freude und Überraschung bei seiner damaligen Frau und den Kindern groß gewesen.

Ein Jahr später startete er wieder mit dem Rad nach Rom. Über die Audienz, die er dort beim damaligen Papst Johannes Paul II dank seines Vorabschreibens bekam und ihm ein T-Shirt seines Gieboldehausener Vereins schenkte, berichten ebenfalls die Zeitungsartikel an Ortega Sanchez’ Wagen – genauso wie über den Film "Kinder kennen keine Grenzen", in dem er 1983 Regie und Kamera führte, das Engagement für Integration in Seesen, in dessen Rahmen er mit der Großmutter der spanischen Königin Sophia im Bild gezeigt wird oder den Rekordversuch von 1985 nach Madrid.

Dann verschlug ihn die Arbeit in die Schweiz. Dort habe er seine Frau Antonia kennengelernt, sei jedoch am Ende auch ausgeraubt und ausgewiesen worden. Nach einigen Jahren in Spanien zogen die Ortega Sanchez nach Blumberg, wo die beiden von seiner Schweizer Pension und der deutschen Rente überleben können. Doch das hindert ihn nicht daran, mit dem Material von seinen Zeiten als Bergläufer, Fahrradfahrer und seinen Rekordversuchen und seinen diversen Kollektionen in seinem Haus in Blumberg das "La Casa del 1836 Museo" zu gestalten. Für die Order seiner aktuellen Bilddokumentation hat der Bürgermeister-Sammler sicher auch schon einen Platz. Arwen Möller