Offensichtlich sanierungsbedürftig präsentiert sich noch der Alte Bahnhof in Wolfach, an dem in besseren Zeiten manch’ hoher Besuch zum ersten Mal den Fuß auf die Gemarkung gesetzt hat. Fotos: Adler Foto: Schwarzwälder-Bote

Wolfacher Rat geht Großprojekt 2015 an

Von Arwen Möller

Wolfach. Vier Stunden haben die Räte in der jüngsten Sitzung den Verwaltungs- und vor allem des Vermögenshaushalt der Stadt Wolfach in 2015 beraten. Am Ende stand bei drei Gegenstimmen ein mit großer Mehrheit gefällter Beschluss, der den Sanierungsstart des Bahnhofs vorsieht.

Punkt für Punkt ist Rechnungsamtsleiter Peter Göpferich – nach des Bürgermeisters Ausführungen (siehe Kasten unten) zu Beginn des Tagesordnungspunkts – die Posten im Entwurf für den Verwaltungs- und dann für den Vermögenshaushalt durchgegangen. Teils diskutierten die Räte heiß bis emotional die Punkte, und vereinzelt wurden auch andere Maßnahmen wieder ins Spiel gebracht. Doch der Spielraum war noch geringer, als bei den Vorberatungen im November vermutet.

Verwaltungshaushalt

"Der Haushaltsansatz für die Gewerbesteuer muss von zwei Millionen auf 1,55 Millionen Euro reduziert werden", das hat laut Göpferich im Verwaltungshaushalt eine erhebliche Rückzahlung zu Beginn des Jahres und eine Umfrage unter den Wolfacher Gewerbesteuerzahlern ergeben. Außerdem zum Tragen komme, dass durch das "Superjahr 2013" mit mehr als vier Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen nun im Zwei-Jahres-Rhythmus höhere Umlagezahlen Wolfach treffen und erst 2016 wieder bessere Einnahmen zu erwarten seien – "2015 trifft’s uns doppelt".

Vermögenshaushalt

Entsprechend haben sich die geänderten Rahmenbedingungen auch im Entwurf des Vermögenshaushalts abgebildet: Neben den Muss-Posten konnten nicht mehr alle vorgesehenen Kann-Positionen im Haushaltsplan berücksichtigt werden. Beispielsweise der Radweg Gutach–Kirnbach ist erst in 2016 dran, die Arbeiten in der Bahnhofsstraße werden verschoben. Gestrichen im Entwurf des Vermögenshaushalts 2015 ist auch die 125 000-Euro-Maßnahme Radweg Stuckhäusle, Friedhofsbrücke, Gassensteg-Betonsanierung.

Aus Verkehrssicherungsgründen muss der Wanderweg am Löchlehof verlegt werden, wofür 10 000 Euro vorgesehen sind. Auch die Sanierung des Clubhaus Kirnbach, die die Stadt 76 000 Euro kosten würde, wird in diesem Jahr noch nicht gestartet. Sein muss laut Geppert der Umbau im Friedhof St. Roman. Auch der Umbau des Physiksaals der Herlinsbachschule für 100 000 Euro auf Realschulstandard ist aus Sicherheitsgründen erforderlich. Weil wichtig für die Ausstattung und Arbeit der Feuerwehren blieben auch die interkommunale Schlauchpflegeanlage, der MTW für die Abteilung Kirnbach und der MLF für die Abteilung Kinzigtal mit insgesamt 108 000 Euro im Plan.

Im Bereich "Sanierungsgebiet zwischen Hauptstraße und Kinzig" fielen die Sandsteinsanierung und der Kiosk dem Rotstift zum Opfer. Mit 13 000 Euro soll in die Schlosshofmöblierung wesentlich weniger Mittel fließen, dafür soll um Bank-Patenschaften geworben werden. Für die Sanierung des Bahnhofs sind rund 600 000 Euro vorgesehen. Auch ein Plan B gebe es laut Göpferich, wenn die Gewerbesteuerschätzungen noch mehr einbrechen. Doch in Anbetracht der Förderung und der aktuell möglichen Kreditkonditionen macht diese Priorisierung auch laut Rechnungsamtsleiter Sinn: "Lieber eine höhere Ermächtigung und dann den Kredit nicht aufnehmen müssen." Als Kreditbedarf nannte er 810 000 Euro, als Summe für die Rücklagenentnahme 650 000 Euro.

Diskussion

Kordula Kovac (CDU) fand es bereits beim Gassensteg "schlimm, dass wir das immer vor uns herschieben" und beantragte zum Bergstüble eine nichtöffentliche Diskussion, die für den Haushalt 2015 nach zehn Minuten keine Änderung ergab. In der Debatte sagte sie, sie überlege sich, ob sie nicht mit 22 Jahren zu lange dabei und zu "alt für den Job" sei und plädierte bei dem Sanierungsstau gegen den Bahnhof: "Erst die Hausaufgaben, dann spielen." Ihre Fraktionskollegin Gabriele Haas sah gar als "Todesurteil" für die Stadt, dass viele Maßnahmen nun schon wieder geschoben werden und brachte in früheren Haushalten vorgesehene, nie verwirklichte und nun nicht mehr im Entwurf zu findende Projekte wie Realschuldach oder Sonnenschutz der Förderschule ins Spiel: "Im Beschluss stand mal: Den Bahnhof nur sanieren, wenn es finanziell möglich ist."

Eine solche Bewertung dieses Sanierungsprojekts gehe laut den Rechnungen von Göpferich eindeutig "zu weit". Und auch Bürgermeister Geppert versicherte, dass er zwar manchen Investitionsstau in Wolfach noch nicht so genau kenne, sich aber zahlreiche Maßnahmen vor Ort angeschaut habe und den Bahnhof nicht angehen würde, wenn das für Wolfach nicht machbar wäre oder gar ein "Todesurteil" bedeuten würde.

Helmut Schneider (Freie Wähler) fand: "Wir müssen uns darauf konzentrieren, was fertig zu machen." Der Bahnhof solle nicht nur wegen der Zuschüsse in Höhe von rund der Hälfte der Kosten saniert werden, sondern auch für die rund 200 Kinder und Jugendlichen. "Schweren Herzens wegen des Schuldenstands", aber er sei für die Sanierung. Bruno Heil (SPD) sprach sich für den Bahnhof aus: "Ziel muss sein, dass die Kosten nicht überschritten werden." Für den Bahnhof, aber auch nur mit "viel Bauchweh" sprach sich Peter Ludwig (CDU) aus und beantragte eine Schuldenbremse bei vier Millionen Euro. Geppert bat, das Thema einmal grundsätzlich im Rat zu erörtern. Manfred Mauerer (SPD) betonte, er habe diese Zahlen schon 2013 vorhergesehen, er sehe nicht, "wie wir von den Schulden runterkommen". Er halte die Bahnhofssanierung für "nicht vertretbar".

Ulrich Widmaier (FW) fand es wichtig, die Haushaltsermächtigung zu beschließen. Bernd Michael Busch (Grüne) zeigte Verständnis, dass die "alten Schlachten noch einmal geschlagen werden" und bat darum, beim Bahnhof "gemeinsame Sache" zu machen. Schneider (FW) rechnete die Alternative vor: Wenn Wolfach den Bahnhof nicht mache, würden rund 500 000 Euro an Mittel frei. Zwei Millionen Euro Vermögenszuwachs bewirke die Sanierung.

"Mir gefällt die Grabesstimmung hier nicht", fand Ernst Lange (FW). Es gehe hier um den Haushalt und den Blick nach vor. Auch der Förderverein bringe 100 000 Euro Mittel mit ein, "dem sollten wir Rechnung tragen". Hans-Joachim Haller (SPD) warb als anfänglicher Gegner und nun Befürworter für eine Breite Mehrheit für den Bahnhof. Wolfach komme weiter, "wenn wir zusammen halten". Dafür gab’s spontanen Applaus von Räten und Besuchern. Göpferich verwies auf die "immer solide Finanzierungsplanung" in Wolfach. Der Sanierungsstart des Bahnhof in 2015 wurde bei 15 "Ja"-Stimmen und den "Neins" von Kovac, Haas und Maurer mehrheitlich beschlossen. Meist einstimmig beschlossen die Räte die anderen Punkte.

Eingangs der Beratungen erläuterte Wolfachs Bürgermeister Thomas Geppert seine Sicht zum anstehenden Haushaltsbeschluss: Der Sanierungsstart des Bahnhofs in 2015 hält er für wichtig, weil erstens von den bereits investierten 300 000 Euro ein Förderanteil von 130 000 Euro rückerstattet werden müsste. Zweitens spricht für die Sanierung des Bahnhofs, in dem die Musikschule und die Stadtkappelle eine neue Heimat finden sollen, dass dadurch für das Musikschulhaus eine anderen Nutzung möglich wird. Drittens bindet der denkmalgeschützte Bahnhof, der in städtischem Eigentum ist, bereits erhebliche Haltungskosten. Am Rande spricht für seine Sanierung, dass die Wolfacher Innenstadt mit dem exponierten Objekt am Ortseingang einen Ganzes bildet und der Verkauf des Gebäudes wegen Auflagen schwierig sein dürfte. Zentraler Punkt für Geppert sind jedoch die hohen Zuschüsse aus dem Landessanierungsprogramm, für die ein Baubeginn noch in 2015 zwingend erforderlich ist. Er habe sich im kleinen Kreis die vielen Wolfacher Baustellen angeschaut, so auch den städtischen Kindergarten. Er erkenne den Sanierungsbedarf. Der Start lasse sich bei anderen Projekten aber eher schieben. Das sei für den Bahnhof eine einmalige Gelegenheit, sonst würden die Kosten voll zulasten der Stadt gehen. Für den Haushalt bedeute der Sanierungsstart in 2015 mehr Schulden. Doch die kommen laut Geppert nicht allein vom Bahnhof, der aber den größten Kostenblock darstelle. Auch Brücken- und Straßensanierungen, Investitionen in die Feuerwehren, Straßenbeleuchtung, die Schulausstattung und der St. Romaner Friedhof stünden an: "Klar, dass man da nicht um eine Kreditaufnahme herum kommt." Die Höhe müsse sich noch zeigen. Trotz der seit 2. Januar bekannten Gewerbesteuereinbußen bat Geppert die Räte um eine mutige und umsichtige Herangehensweise. Er stehe für eine solide Haushaltsführung trotz Großprojekt und Einbußen aus der Gewerbesteuer. Er verwies darauf, dass der Haushaltsbeschluss lediglich die rechtliche Ermächtigung für dieses Projekt sei, dass dadurch noch kein Geld fließe. Ohne diese Option bestünde jedoch bereits zu Jahresbeginn "Stillstand". Den Bahnhof zu diesem Zeitpunkt zu begraben, wäre "der größte Fehler, den wir machen können". Deshalb warb er dafür, den Weg gemeinsam einzuschlagen. Tatkräftige Unterstützung aus der Bevölkerung sei für die Sanierung des Bahnhofs bereits in Aussicht gestellt.

Von Arwen Möller

Kann ich mein Benefizkonzert für den Bahnhof nun angehen? So lautete die Frage, die eine Musikschullehrerin gestern zur Wolfacher Haushaltsberatungen stellte. "Ja", lautete die Antwort. Und es wird wahrscheinlich in Anbetracht der knapp 20, wegen des Bahnhofs gekommenen Sitzungsbesucher nicht die einzige Aktion bleiben, die zeigt, dass die große Mehrheit der Wolfacher Räte mit diesem Haushalt 2015 ein gutes Signal aussenden. Das Großprojekt wird endlich angepackt und vor allem nimmt man noch rechtzeitig Zuschüsse in Höhe von rund der Hälfte der Kosten aus dem Landessanierungsprogramm mit. Das ist clever und – wenn nicht noch eine Riesen-Finanzkrise hereinbricht – auch eine große Chance auf ein gemeinsames Projekt von Bevölkerung mit dem neuen Bürgermeister. Doch eines hat das lange Ringen auch gezeigt: Rat und Schultes brauchen eine gemeinsame Vision à la "Wolfach 2020" oder "Wolfach 2030". Möglicherweise auch mit einer Schuldenbremse. Zusammen muss ein gemeinsames Ziel gefunden, eine Prioritätenliste erarbeitet werden. Viele Unternehmen und Gemeinden nehmen sich bei einem Klausurtreffen für eine solche Zielfindung Zeit. Welchen Weg auch immer die Wolfacher Gemeindevertreter wählen, ein Ziel werden sie, auch für die nicht ausbleibenden Herausforderungen brauchen. Die Bahnhofssanierung ist da ein erster Schritt.