Foto: Leif Piechowski

Seit 1996 darf man im Land auch ohne Genehmigung bauen, wenn man nur verspricht, sich an die Vorschriften zu halten. Ein krasser Fall in Stuttgart bringt diese Regelung nun erneut in die Kritik.

Stuttgart - Der Albtraum eines jeden Häuslebauers ist in Stuttgart Realität geworden: Nach Informationen unserer Zeitung müssen im Stadtteil Zazenhausen zwölf neu erbaute Doppelhaushälften verkleinert oder in Teilen abgerissen werden. Der Grund: Ein Bauträger hat die Gebäude größer angelegt als im Bebauungsplan genehmigt und gegenüber der Stadt angezeigt. Sieben Häuser sind höher als erlaubt; hier hoffen die Bauherren noch auf eine Ausnahmegenehmigung. Die Stadt hat für die gesamte Baustelle mit insgesamt 25 Ein- und Zweifamilienhäusern einen Baustopp verfügt.

„Neben der Baueinstellung wurde ein Bußgeldverfahren gegen den Bauleiter eingeleitet“, sagte ein Sprecher der Stadt. Ähnliche Verstöße gebe es in Stuttgart zwar immer mal wieder. „In diesem Ausmaß ist aber kein vergleichbarer Fall bekannt.“

Die Häuser wurden nach dem Kenntnisgabeverfahren gebaut, das der damalige Wirtschaftsminister Dieter Spöri (SPD) Mitte der neunziger Jahre gegen heftige Kritik durchgesetzt hatte. Es ermöglicht ein Bauen ohne Genehmigung, die Pläne müssen der Kommune nur zur Kenntnis gegeben werden. Der Städtetag fordert angesichts des Skandals, das Verfahren abzuschaffen. „Eine Baugenehmigung hat befriedende Wirkung und schützt Bauherrn und Nachbarn gleichermaßen“, so Städtetagsdezernent Gerhard Mauch. Inzwischen gebe es auch ein schnelles, vereinfachtes Verfahren. Die Architektenkammer im Land schloss sich der Kritik an: „Das Kenntnisgabeverfahren sieht keinerlei Prüfungen vor, und es hat – wenn es schiefgeht – gerade für kleine, private Bauherren die dramatischsten Konsequenzen“, so Hauptgeschäftsführer Hans Dieterle. Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (MVI) erklärte, das Verfahren sei gerade regierungsintern in der Diskussion. Eine Abschaffung würde das Bauen aber vielfach verteuern und verzögern.