Die Automobilindustrie verschafft der Region Wohlstand – auch in weiterer Zukunft? Foto: dpa

Eine Studie im Auftrag des Forums Region Stuttgart attestiert dem Ballungsraum Sattheit und Selbstzufriedenheit. Aus Sorge um den Wirtschaftsstandort will die Initiative eine neue Aufbruchstimmung schaffen.

Eine Studie im Auftrag des Forums Region Stuttgart attestiert dem Ballungsraum Sattheit und Selbstzufriedenheit. Aus Sorge um den Wirtschaftsstandort will die Initiative eine neue Aufbruchstimmung schaffen.

Stuttgart - Eigentlich sollte es nur eine weitere Untersuchung zum drohenden Fachkräftemangel in der Region Stuttgart werden. Doch die Studie der Management Partner GmbH über die „Attraktivität der Region Stuttgart 2030“ deutet schon in der Überschrift an, dass hier ein neuer Weg beschritten wird. „Zu gut, um in Zukunft bei den Besten dabei zu sein?“, fragt das interne Arbeitspapier des Forums, das unserer Zeitung vorliegt. Die Antwort ist deutlich. „An die Entwicklung der Region Stuttgart muss ein höherer Anspruch gestellt werden, als er heute erlebbar ist“, heißt es, oder: „Es herrscht Zufriedenheit.“ In Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung folgt ein fast vernichtendes Urteil: „Die Region Stuttgart gibt insgesamt das Bild einer saturierten Region ab.“

Vergleichsweise wenige Existenzgründungen

Die Stuttgarter Unternehmensberater schließen dies daraus, dass die Landeshauptstadt zwar zu den wirtschaftsstärksten Regionen Europas gehört, dass aber die Dynamik des Standortes nachlasse. Das sei unter anderem an der vergleichsweise geringen Anzahl von Existenzgründungen abzulesen. So gibt es nach einer Prognos-Studie nur gut 38 Existenzgründungen unter 10 000 Erwerbsfähigen, während es in München 57 sind.

In der Region Rhein-Neckar mit Mannheim und Heidelberg sind es rund 43. Deshalb solle die Region ein Start-Up-Center aufbauen, das Firmengründungen wesentlich erleichtert. Als Bedrohung wird gesehen, dass die dominierende Automobilindustrie im globalen Wettbewerb den Anschluss verpassen könnte, wenn der Verbrennungsmotor immer mehr Marktanteile an elektrisch betriebene Varianten verliert.

"Wir müssen die Dynamik steigern"

Eine Schlussfolgerung lautet, dass in der Region ein neuer Wind entfacht werden muss, will man auch künftig wirtschaftlich eine der ersten Geigen in Europa spielen.  Das will das Forum Region Stuttgart leisten. Die Standort-Initiative, in deren Vorstand Ex-Wirtschaftskapitän Hans Peter Stihl, Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth, Bahnchef Rüdiger Grube oder auch Staatstheater-Intendant Marc-Oliver Hendriks mitwirken, will Kräfte bündeln, von denen die Initiative für eine gesellschaftliche Bewegung ausgehen könnten.

In anderen Regionen gibt es laut dem Forum-Vorsitzenden Wolfgang Elkart solche Bewegungen, an denen die ganze Gesellschaft teilnimmt, etwa im italienischen Trient, das Millionen in Existenzgründungen im IT-Bereich pumpt. „Auch wir müssen die Dynamik wieder steigern“, sagt Elkart unserer Zeitung und nennt Lothar Späth als Vorbild, der als Ministerpräsident in den 80er Jahren für Aufbruchstimmung gesorgt habe.

Persönlichkeiten und gezielte Provokation

Die Studie schlägt ebenfalls vor, dass „Persönlichkeiten“ ebenso wie ein Unternehmensbündnis oder eine öffentliche Debatte nach einer gezielten Provokation so etwas schaffen könnten. Das sei im Kampf um Fachkräfte wichtig. Zum einen nimmt der Anteil der Älteren in der Gesellschaft zu, und der Nachwuchs wird den Schwund voraussichtlich ebenso wenig aufwiegen wie die Zuwanderung.

Rund 100 000 Menschen weniger als die heutigen rund 2,6 Millionen sollen 2030 in der Region Stuttgart leben. Gleichzeitig wird der Kampf um Fachkräfte im internationalen Wettbewerb schärfer. Nach dem Fachkräftemonitor der Industrie- und Handelskammer Baden-Württemberg könnten 2030 etwa 109 000 Fachkräfte fehlen, die allermeisten davon sogenannte Facharbeiter, die eine Berufsausbildung in der Tasche haben. An Akademikern sollen in 15 Jahren rund 5000 fehlen.

Kulturstandort soll betont werden

In der Region wird das laut Studie auch deshalb schwer wiegen, weil das Image als starker Wirtschaftsstandort immer weniger ausreiche, um Arbeitskräfte anzulocken. Nach mehreren Studien bringen die meisten Deutschen mit Stuttgart immer noch vor allem Arbeitsplätze bei Daimler oder Porsche in Verbindung. Der Vorschlag lautete häufig, dass die (Hoch-)Kulturstadt Stuttgart mit ihrer Oper und ihrem Schauspielhaus sowie der Staatsgalerie stärker beworben müsste.

Die Management Partner GmbH geht einen neuen Weg: „Wir empfehlen der Region Stuttgart, stärker auf Lebensgefühl und lebendige Szenekulturen zu setzen und deren Strahlkraft für die Entwicklung des Images zu nutzen.“ Freie Kunst in Abbruchhallen vermittelt demnach mehr Lebensqualität. Das beweise die Entwicklung in Städten wie Berlin oder Hamburg.

Der frühere Ernst & Young-Vorstand Elkart, der dem Forum seit Anfang 2013 vorsteht und hinter den Kulissen für das Konzept trommelt, sieht „schon heute einen Bewegungsprozess“. Elkart verspricht: „Sie werden dieses Jahr noch einiges hören.“ Etwa am 12. Mai, wenn es bei einer Podiumsdiskussion beim Frühjahrsempfang des Forums erstmals öffentlich um die saturierte Region Stuttgart geht.