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Neues Gutachten könnte die Pläne für sieben Anlagen im Wald zwischen Winterlingen und Bitz durchkreuzen.

Winterlingen/Bitz - Dieses Gutachten könnte alles ändern: Die Expertin Marion Gschweng hat zwischen Winterlingen und Bitz, wo sieben 230 Meter hohe Windräder entstehen sollen, 16 Rot- und vier Schwarzmilanbrutpaare sowie zwei Wespenbussardpaare entdeckt.

"Das Gutachten bestätigt nicht nur unsere Auffassung, sondern übertrifft noch unsere Erwartungen", sagen Herbert Bitsch von der Interessengemeinschaft Fachberg Riedern und Walter Beck von der Bitzer Bürgerinitiative gegen Windkraft im Wald zwischen Winterlingen und Bitz. Die Tatsache, dass Planer von Windkraftanlagen selbst Gutachten vorlegen dürften, und ihre Ansicht, dass das Balinger Büro Dr. Grossmann für sein Gutachten die erforderlichen Beobachtungszeiträume nicht eingehalten habe, hat die Gegner der sieben Windkraftanlagen, welche die Genossenschaft Winterlinger Bürgerenergie zwischen dem höchstgelegenen Winterlinger Wohngebiet und der Gemeinde Bitz plant, veranlasst, selbst ein Gutachten in Auftrag zu geben – bei der promovierten Biologin und Greifvogelexpertin Marion Gschweng in Blaubeuren.

Sie hat im 3,3-Kilometer-Radius um die sieben Windanlagen-Standorte 16 Rot- und vier Schwarzmilanbrutpaare sowie zwei der sehr seltenen Wespenbussardpaare gefunden – und für 16 der Milanbrutpaare auch Horste. Zudem habe sie nachgewiesen, "dass die Greifvögel nicht nur über der Freifläche, sondern auch in das Waldgebiet hinein fliegen", wie Bitsch betont. Zwei Rotmilanpaare hätten die Brut aufgegeben. Als Grund vermuten die Vertreter der Bürgerinitiativen, dass das Landratsamt dem Planungsbüro Dr. Grossmann erlaubt habe, die Horste mit Drohnen zu überfliegen – zu einem Zeitpunkt, an dem das laut Marion Gschweng "absolut unverantwortlich" gewesen sei.

Für die Vögel wäre das tödlich

Die mehr als 60 Meter langen Rotorblätter an den 230 Meter hohen Windkraftanlagen – Beck: "Die Höhe brauchen die Betreiber, um überhaupt einen Ertrag zu erzielen angesichts des schwachen Winds" – seien mit 300 Kilometer pro Stunde unterwegs", betont er: "Diese Geschwindigkeit kann der Milan nicht einschätzen." Tote Vögel wären die Folge.

Die Kriterien, innerhalb des 3,3-Kilometer-Radius keine Windkraft zuzulassen, wären schon mit drei Brutpaaren erfüllt – erst recht bei 22 Brutpaaren, zumal mindestens zwei, möglicherweise bis zu fünf Brutpaare in einem Kilometer-Radius um sechs der geplanten sieben Anlagen nisteten. Käme das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes München vom 29. März 2016 zur Anwendung, das einen 1,5-Kilometer-Radius vorschreibt, "gäbe es kein einziges Windrad im Winterlinger Wald", so Beck und Bitsch.

Dass in Baden-Württemberg 700 Meter Abstand von einer Windkraftanlage zur nähesten Wohnbebauung eingehalten werden müssen, wo die Weltgesundheitsorganisation drei Kilometer empfehle und sich sogar bis zu 20 Kilometer weit noch Belastungen nachweisen ließen, verstehen die beiden nicht. Regierungspräsidium und Landratsamt würden von der Landesregierung "getrieben", um "die grüne Ideologie durchzusetzen". Dabei sollte gerade der Gesundheitsschutz für Menschen und der Artenschutz auch dazu gehören – nach Auffassung der BI-Vertreter ist das längst nicht mehr der Fall.

Sie haben sich nun an den Bund Naturschutz gewandt, der auch klageberechtigt sei, was für Privatpersonen und Bürgerinitiativen nicht gelte. Nach einem Gutachten über diverse Belastungen, die sein Grundstück erreichten, darf auch Herbert Bitsch klagen und hat das beim Verwaltungsgericht Sigmaringen getan, das seinen Eilantrag gegen die Baugenehmigung für zunächst vier Windräder abgewiesen hat.

Nun aber müsse sein Widerspruch vom Grundsatz her zugelassen werden, weil sonst der Artenschutz gefährdet sei, ist Bitsch überzeugt. "Und ich möchte der Gegenseite klar zu verstehen geben, dass ich bis zum Bundesverfassungsgericht gehe, wenn nötig. Wenn sie dann eine mitkriegen" – dann könne es teuer werden: 600 000 bis 800 000 Euro koste der Rückbau nur eines Windrades. Verbreiterte Wege müssten dann wieder verschmälert, alle Eingriffe in die Natur rückgängig gemacht werden.

Noch ist baulich nichts passiert, weil ein Widerspruch beim Regierungspräsidium Tübingen – betreffend Infraschall, Artenschutz, Trinkwassergefährdung und das Vorgehen des Landratsamtes Zollernalbkreis – laufe und der Wald erst im Herbst gerodet werden dürfe. Außerdem laufe noch die Fachaufsichtsbeschwerde gegen die Umweltbehörde des Landratsamtes, "weil sie unsere Eingaben ignoriert hat", wie Beck betont. "Aber Ausschreibungen laufen schon, habe ich mitbekommen."

"Eigentlich sind gar keine Windräder erlaubt"

Nach der Naturparkverordnung Obere Donau, die auch für Winterlingen gelte, seien "eigentlich null Windräder erlaubt", so die beiden. "Das Regierungspräsidium hat aber für bisher vier Anlagen eine Befreiung erteilt." Dass in der Teilgenehmigung stehe, die vier Windräder in Winterlingen leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende, kommentieren Bitsch und Beck mit Kopfschütteln.

Im September, noch vor der Bundestagswahl, wollen sie sich zusammen mit mehr als 20 weiteren Bürgerinitiativen einem Protestmarsch von Sigmaringen nach Laiz, dem Wohnort des Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, anschließen – und sind insgesamt zuversichtlich, mit ihrem neuen Gutachten etwas zu bewirken, das sie nun beim Landratsamt einreichen wollen. "Das Landratsamt hat gesagt, wenn sich im Bereich Artenschutz andere Erkenntnisse ergeben, dann müsse das Projekt neu bewertet werden", berichtet Herbert Bitsch. Nun sind er, Walter Beck und die anderen Betroffenen gespannt, ob die Behörde zu ihrem Wort stehe.