Karl-Heinz Brielmann ist selbst aktiv geworden mit seiner Umfrage, sieht sie aber nur als Basis für eine Diskussion. Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder-Bote

Karl-Heinz Brielmann hat das Potenzial für den Erfolg einer Gemeinschaftsschule in Winterlingen untersucht

Von Karina Eyrich

Winterlingen. "An der Gemeinschaftsschule führt kein Weg vorbei" – so oder so ähnlich haben sich Vertreter von Gemeinde und Gemeinderat Winterlingen im Hinblick auf die Zukunft ihres Schulstandorts geäußert. Karl-Heinz Brielmann ist anderer Ansicht und hat dies konsequent untersucht.

2400 Umfragebögen hat Karl-Heinz Brielmann in alle Winterlinger Briefkästen geworfen, um zu erfahren, wie die Winterlinger, Benzinger und Harthausener zu einer Gemeinschaftsschule (GMS) stehen. Berufen fühlte sich Brielmann dazu, weil er für die Gemeinderatswahl im Mai kandidierte und sich deshalb auch für Winterlingen engagieren wollte. In einem Kurs der Landeszentrale für politische Bildung erfuhr Brielmann, dass einer der Mitinitiatoren der GMS, der Tübinger Professor Thorsten Bohl, "sehr wohl auch die Möglichkeit ihres Scheiterns" sehe, sagt Brielmann und betont: "Investitions- und Unterhaltungskosten für eine GMS in Winterlingen wären immens – somit betrifft das Thema alle Bürger."

Freilich: Nicht alle haben mitgemacht. 36 seiner 2400 Bögen hat Brielmann zurückbekommen – das sind 1,5 Prozent. 19 der Antwortenden haben schulpflichtige Kinder. Dass sein Umfrageergebnis nicht repräsentativ ist, stört den Winterlinger nicht, ging es ihm doch um ein Stimmungsbild – als Anlass für weitere Erhebungen, ehe Gemeinderat und Gemeinde in Sachen GMS Nägel mit Köpfen machen. Außerdem wollte er wissen, wie gut die Winterlinger überhaupt informiert sind über diese, in Baden-Württemberg noch junge Schulform. Um niemanden zu beeinflussen, hat Brielmann selbst Vorsicht walten lassen und keine Bögen selbst entgegengenommen, sondern in den Geschäftsstellen der Winterlinger Bank Sammelboxen aufgestellt.

Weg nach Albstadt ist laut KuMi zumutbar

Was Karl-Heinz Brielmann zu denken gibt ist der niedrige Anteil der Umfrage-Teilnehmer mit schulpflichtigen Kindern, die sich für die GMS entscheiden würden, sofern dort keine Möglichkeit besteht, Abitur zu machen, wenngleich Winterlingen auch bisher nur eine Werkreal- und eine Realschule hat. Weil in der ersteren die Schülerzahlen sinken, sehen viele Gemeinderäte die GMS als einzige Möglichkeit, Winterlingen dauerhaft als starken Schulstandort zu erhalten.

Aus Sicht des Kultusministeriums – das hat Brielmann erfragt – liegt Albstadt in "zumutbarer Entfernung", und auch Sigmaringen ist nicht weit entfernt. Ausweichmöglichkeiten sind also vorhanden. Außerdem berichtet Brielmann, dass viele der bereits bestehenden GMS die Mindestschülerzahl nicht erreichten, und plädiert daher für eine verbindliche Befragung der Eltern durch die Gemeinde – auch in Straßberg und Bitz –, wie sie seit Jahresbeginn vorgeschrieben sei.

Seine persönliche Meinung – "die GMS ist ein Flop" – will Karl-Heinz Brielmann nicht in die Waagschale werfen, sondern mit seiner Umfrage nur die "Grundlage einer sachlichen Diskussion" für ein "faires Abwägen" schaffen. Eine Bürgerversammlung hält er für unbedingt erforderlich.

Warum ist Brielmann selbst kein Befürworter der GMS? "Das pädagogische Konzept finde ich nicht gut", betont er. "Und außerdem ist die Durchlässigkeit des Schulsystems in Baden-Württemberg bisher ohnehin gegeben, was vielen Eltern so nicht bekannt ist."

Folgende Ergebnisse hat die Umfrage Karl-Heinz Brielmanns zum Thema Gemeinschaftsschule (GMS) in Winterlingen erbracht:

u Allgemeine Kenntnisse: 77,8 Prozent alle Teilnehmer haben bei Fragen über ihre Kenntnisse zur GMS und ihrem Konzept der Heterogenität richtig geantwortet, die Teilnehmer mit schulpflichtigen Kindern sogar zu 87,7 Prozent – jene ohne schulpflichtige Kinder zu 67,9 Prozent.

u Kenntnisse des Schulkonzepts: Auf niedrigerem Niveau sind die Kenntnisse des Schulkonzepts der GMS: 46,5 Prozent der Antworten sind richtig – bei Teilnehmern mit schulpflichtigen Kindern 51,1 Prozent und bei den anderen 39,7 Prozent.

u Konsequenzen des Schulkonzepts: Was diese angeht, besteht – darauf deutet das Umfrageergebnis hin – noch großer Aufklärungsbedarf. Die Behauptung "Die Bildung von Lern- und Arbeitsgruppen mit Schülern entsprechend dem angestrebten Bildungsabschluss ist in jedem Fall untersagt" haben 29 Prozent als richtig erkannt.

Die Behauptung "Schüler, die bisher aufgrund ihrer Behinderung eine Sonderschule besuchen, müssen von der Gemeinschaftsschule akzeptiert und in die Lerngruppen integriert werden" haben 54,8 Ptozent als richtig erkannt.

u Informationsquellen: Teilnehmer, die angaben, ihre Kenntnisse aus öffentlichen Quellen zu beziehen, haben häufiger richtig geantwortet als jene, die diese Kenntnisse von Schule und Gemeinde beziehen. u Fazit: Erhebliche Defizite sieht Brielmann im Bezug auf die Kenntnisse über Zusammensetzung der Klassenstufen, Lerngruppen, Lehr- und Lernkonzept sowie die Leistungsbeurteilung der Schule, den Bildungsplan, die zugelassenen Lehrbücher und das Lernmaterial sowie die Bedeutung der Inklusion.

Laut Kultusministerium ist für die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule der Klassenstufen fünf bis zehn eine dauerhafte Prognose von mindestens 40 Kindern erforderlich. Welche Schulart bevorzugen die Teilnehmer der Umfrage, in die Brielmann – darauf weist er hin – den möglichen Einzugsbereich der GMS, also die Gemeinden Bitz und Straßberg, nicht einbezogen hat?

u Was Eltern favorisieren: Die Frage "Angenommen in Winterlingen gibt es nur eine Gemeinschaftsschule. Welche Schule wählen Sie für Ihr Kind, wenn Sie die Empfehlung ›Gemeinschaftsschule‹ und eine Bildungsprognose ›Abitur‹ oder ›Realschule‹ erhalten?" beantworteten Teilnehmer mit schulpflichtigen Kindern wie folgt: 78,9 Prozent würden eine Werkrealschule, Realschule oder ein Gymnasium in Albstadt oder Sigmaringen wählen. 15,8 Prozent würden sich für die Gemeinschaftsschule Winterlingen entscheiden und 5,3 Prozent für die GMS, sofern sie über eine gymnasiale Oberstufe verfügt.

Brielmann sieht es daher als möglich an, dass überwiegend Schüler, die ansonsten Haupt- und Werkrealschule besuchen würden, die GMS wählen würden.