Nicht nur die Monumentalarchitektur in Wladiwostok (oben) und der Kreml in Moskau waren für Hans Niethammer beeindruckende Bauwerke. Fotos: Niethammer Foto: Schwarzwälder-Bote

Hans Niethammer berichtet beim Frauenabend von seiner Traumreise mit der Transsibirischen Eisenbahn

Wildberg-Sulz (tr). Seine Frau brachte ihn nach Herrenberg zum Bahnhof. "Sie ist dageblieben, ich bin dann gegangen", erzählt Hans Niethammer aus Sulz am Eck trocken. Fast so wie Kerkelings Bestsellertitel "Ich bin dann mal weg".

Doch seine Traumreise führte Niethammer nicht nach Westen auf dem Jakobsweg, sondern ganz weit in den Osten: Mit der Transsibirischen Eisenbahn bis in den hintersten Winkel Russlands.

"Soweit die Füße tragen" hieß in den 1950er-Jahren ein Buch über die Flucht eines Kriegsgefangenen durch die Weiten Russlands. Die Schilderungen haben Hans Niethammer schon damals von einer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn träumen lassen. 71 Jahre alt war Niethammer schließlich, als er seine Reise Ende August 2014 antrat. Auf der Touristikmesse in Stuttgart hatte er zuvor ein Reisebüro gefunden, das ihm eine maßgeschneiderte Reise organisierte: Nicht mit einer Gruppe, sondern ganz allein unter den ganz gewöhnlichen Fahrgästen. Pünktlich und zuverlässig seien diese Züge, so Niethammer. Bei plus oder minus 30 Grad legen sie auf der längsten Bahnstrecke der Welt die 9288 Kilometer lange Strecke zwischen Moskau und Wladiwostok zurück.

Mit persönlichem Reiseführer

Doch bevor es in Moskau losgehen konnte, erfolgte die Anreise von Herrenberg über Stuttgart nach Mannheim. Dort stieg Hans Niethammer in einen von Paris kommenden Zug, der durchfährt bis Moskau, wo er dann schon 2000 Bahnkilometer hinter sich hatte.

An seinen Aufenthaltsorten, zuerst in Moskau, dann in Irkutsk, Ulan Ude und schließlich in Wladiwostok, erwartete ihn jeweils ein persönlicher Reiseführer. Ob ein pensionierter Germanistikprofessor oder eine junge Studentin – diese Leute sprachen Deutsch und führten Niethammer zu seinen Reisezielen, in die Unterkunft und brachten ihn schließlich pünktlich wieder auf den Zug. Der Weitgereiste spricht kein Russisch und kein Englisch, im Zug half ihm eine Karte mit Bildern von Lebensmittel bei der Verständigung: "Bilder kann man auch russisch angucken", grinst er.

Der Kreml, der über 1600 Meter tiefe Baikalsee, die Architektur der Städte Sibiriens – Hans Niethammer hat einzigartige Sehenswürdigkeiten gesehen. Und dazwischen: endlose Zugfahrten durch weite Landschaften. Abends sei man von Birkenwäldern umgeben eingeschlafen, morgens seien da immer noch überall Birkenwälder gewesen.

Langweilig wurde es ihm aber nicht: Niethammer studierte immer genau den Fahrplan mit seinen präzisen Angaben zu den einzelnen – über 400 – Haltestellen. Vor allem technische Details interessierten ihn: So war es schon auf der Hinfahrt faszinierend, wie das komplette Fahrwerk des voll besetzten Zuges ausgewechselt wurde, weil man in Russland eine größere Spurweite hat.

Zwei Armbanduhren für sieben Zeitzonen

Auch ganz banale Probleme, die eine Zugreise durch sieben Zeitzonen mit sich bringt, hatte Hans Niethammer im Blick: In der Transsibirischen Eisenbahn gilt Moskauer Zeit, obwohl gen Osten ungefähr alle 1500 Kilometer eine neue Zeitzone beginnt. Niethammer behalf sich mit zwei Armbanduhren.

Teure Handygespräche hielten den Kontakt zu seiner Frau aufrecht, "mein Sohn musste halt immer wieder das Guthaben aufladen." Man sei daheim schon etwas angespannt gewesen und war sicher recht froh, als der Ehemann, Vater und Großvater nach 16 Tagen wieder gesund und munter zurückkehrte.

Die Rückreise bestand aus zwei Flügen, und nur hier traten für den Eisenbahnfan auch Probleme auf: Am Moskauer Flughafen fand er lange niemanden, der Deutsch konnte. Als er sich schließlich doch mit einer Dame am Schalter verständigen konnte, bejahte er die Frage, ob er Hilfe brauche. Er stimmte auch zu, als er gefragt wurde, ob er den Fahrstuhl nehmen wolle, und wurde dann überrascht, als ein kräftiger russischer Herr mit einem Rollstuhl kam, Niethammer samt Gepäck auflud und den Reisenden an der Zollkontrolle vorbei direkt ins richtige Flugzeug beförderte. Neben Erleichterung spürte Hans Niethammer auch Gottes Bewahrung, wie er am Ende seines Vortrags betonte.

Mit einigen Bildern erzählte er beim Frauenabend und zuvor auch schon im Jugendbund von seiner insgesamt 16-tägigen Reise. Mit Staunen und Applaus belohnten die zahlreichen Zuhörer den Reisebericht.

Soviel Mut, sich auch noch im Alter einen langersehnten Traum zu erfüllen und den Sprung über den Tellerrand zu wagen, fand große Anerkennung.