Dozenten der Sommermusik begeisterten ihr Publikum in der Wildberger Stadthalle. Foto: M. Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Dozenten begeistern Wildberger Publikum

Von Martin Bernklau

Wildberg. Beim ersten Mal musizierten auch die erfahreneren unter den jungen Kursteilnehmern aus St. Petersburg. Das zweite Konzert gaben die Dozenten der Sommermusik dem Wildberger Publikum in einer gut besetzten Stadthalle. Viele Gesichter sind inzwischen bekannt. Aber ein Musiker muss wirklich einmal hervorgehobenen werden: der Mann am Klavier.

Dort saß zunächst die sehr temperamentvolle, manchmal auch bestimmende und führende Lisa Smirnova und begleitete die Geigerin Anna Kandinskaya bei Wolfgang Amadé Mozarts mittlerer zweisätziger Sonate G-Dur, die nicht umsonst meist "für Klavier und Violine" betitelt ist – in dieser Reihenfolge. Das ist ein Stück voller überraschender Wendungen und eminenten Schwierigkeiten für beide Instrumente, die aber stets leicht, selbstverständlich und auch im Energischen ganz elegant klingen müssen. Die Musikerinnen waren sehr gut aufeinander eingestellt. Die Geigerin spielte dabei vielleicht eher klassisch-beherrscht, die Pianistin perlend virtuos und eher extrovertiert.

Irina Pak hat unter den Streicher-Dozenten nicht nur wegen ihres flammenroten Abendkleides vielleicht so etwas wie die Rolle der Teufelsgeigerin übernommen. Sie verblüffte mit dem atemberaubenden Geigen-Kunststückchen des 1973 im einstigen Leningrad (St. Petersburg) geborenen Deutsch-Russen Aleksey Igudesman, der neben den Violinstars Viktoria Mullova und Gidon Kremer etwa auch häufig mit dem großartigen Hollywood-Filmmusiker Hans Zimmer zusammenarbeitet.

Anspielungen aufdie ganzgroßen Sachen

Igudesmans Variationen für Violine Solo über das russische Volkslied "Katyuscha" sind einerseits Saiten- und Bogen-Akrobatik pur, durchaus auch mit etwas zirkusmäßigem Augenzwinkern zu spielen, andererseits schon auch Anspielungen auf die ganz großen Sachen dieser Gattung wie Bachs sechs Sonaten und Partiten. Am witzigsten und verrücktesten klang das, wenn Irina Pak auf himmlisch hohen technischen Schwierigkeitsstufen nicht nur modern schräge, sondern bewusst falsch klingende Tonfügungen zu spielen hatte. Die koreanisch-stämmige Russin erhielt natürlich wieder begeisterte Bravo-Rufe.

Dann kam das wahrscheinlich doch imponierendste Stück des Abends. Drei Sätze aus dem Klavierquintett, das der (1907 ebenfalls in St. Petersburg geborene) Dimitrij Schostakowitsch 1940, im zweiten Jahr des Zweiten Weltkriegs, als fulminante Synthese des von Stalins Kulturbürokraten aufgezwungenem "sozialistischem Realismus" und ureigenster dramatischer Subtilität komponiert hat. Und da griff ein Mann in die Tasten, der bei dieser Sommermusik geradezu alles mit unglaublicher Hingabe und Perfektion spielt, was ihm zum Konzertieren und Begleiten vorgelegt wird: Evgueny Sinayskiy.

Zwischen den vier Streichern fiel ihm sowohl bei der teils brutalen Motorik, dem zornig-grimmigen Schostakowitsch-Humor, als auch bei den geradezu schmerzhaft weinenden zarten Kantilenen des Intermezzo eine zentrale Rolle zu. Alles, auch das, spielte er ganz frei von Eitelkeit, In-den-Vordergrund-Drängen – und dabei mit einer Intensität und einer musikalischen Tiefe, die sehr berührte.

Tonartbindung spieltüber weiteStrecken keine Rolle

Das war auch bei der Violinsonate g-Moll so, die Claude Debussy 1915 im zweiten Jahr des Ersten Weltkriegs begonnen hatte. Violin-Partner war hier Aylen Pritchin, an dessen herausragender Technik vielleicht die präzise Bogenführung hervorgehoben werden darf. Er setzte sie für ein Werk ein, das an der Schwelle zur Moderne die Tonartbindung über weite Strecken ganz aufgibt, im Dialog beider Instrumente Debussys impressionistische Klangmagie feiert und sich in freier, rhapsodischer Form sehr deutlich von deutschen Traditionen absetzen will.

Auch ganz französisch, ähnlich virtuos, allerdings mehr im handfest-eleganten neoklassischen Stil der Groupe Les Six ist die "Ghirlanzana" für Violoncello von Jacques Ibert aus dem Jahr 1950. Der italienisch-stämmige Cristoforo Pestalozzi, Professor im katalanischen Barcelona, ließ ihr bei allen hohen technischen Finessen viel romanische Klarheit und Durchsichtigkeit angedeihen.

Tatsächlich wirkte der Allegro moderato Satz des 1880 geschriebenen Klavier-Trios von Johannes Brahms dagegen fast orchestral-sinfonisch und stellenweise geradezu überfüllt mit thematisch-mehrstimmiger Satzkunst, wenn es sich aus den verschiedenen Themen zu einem steilen und dichten Tongebilde türmte. Auch hier saß wieder der bewundernswerte Evguany Sinayskij am Klavier und koordinierte das manchmal parallel geführte, vielleicht etwas gedämpfte Spiel von Aylen Pritchin (Violine) und Mikhail Nemtsov ganz behutsam und bescheiden auf den doch zentralen Klavierpart hin.

Ganz großer, ganz langer Beifall für alle Beiträge von einem sehr beeindruckten Wildberger Publikum.