Beim "Wildberger Nachmittag" schlug gestern die Stunde des Nachwuchses. Fotos: Kunert Foto: Schwarzwälder-Bote

Schäferlauf: Nach Wildberger Nachmittag und Begräbnis endet das Brauchtumsfest gestern Abend mit dem großen Brillantfeuerwerk

Von Axel H. Kunert

So richtig korrekt war es ja nicht, dass der Club der Sackhüpfer gestern am Schäferlauf-Montag bereits am späten Nachmittag den "Gottlieb Schäferlauf" und damit das ganze Fest symbolisch zu Grabe trug. Denn das Fest-Programm war da noch lange nicht zu Ende.

Wildberg. Das schloss offiziell erst mit dem großen Brillant-Feuerwerk. Und selbst danach war immer noch reichlich Stimmung im großen Festzelt, wo die "Original Südtiroler Spitzbuam" vor ausverkauften und noch ausgelassenerem Haus die wahren "Rausschmeißer" und "Ausputzer" des Schäferlauf-Fest- und Brauchtums-Marathons machten. Die sicher ausgelassenste Party des gesamten Schäferlauf-Reigens, denn an diesem Abend konnten auch all jene feiern, die sonst in Pflicht und Würden den offiziellen Part dieses großartigen Festes über die Bühne bringen mussten.

Wenn Wildberg den Schäferlauf feiert, wird der ganze Ort für rund vier Tage zum "Nabel" der Welt. Zumindest zum Nabel des Nordschwarzwalds. Ein bisschen Verkehrs-Chaos auf der Bundesstraße 463 inklusive, was aber vertretbar ist – stets wollen gefühlt alle Menschen aus der Region bei dieser einmaligen Veranstaltung dabeisein. Und während alles auf die Schäferlauf-Wettkämpfe schaut, auf den prächtigen großen Umzug mit all den Trachten- und Heimatgruppen, den Kapellen und Wagen, natürlich auch auf das mitreißende Festspiel, ist "der" Schäferlauf eigentlich noch viel, viel mehr: Jahrmarkt-Kirmes, Bauernmarkt, Krämermarkt, Streichelzoo, Festzelt-Hocketse und vieles mehr.

Eberhard Fiedler landet im Löschwasser-Bottich

Zum Beispiel: Kinderfest; oder besser – der "Wildberger Nachmittag" am gestrigen Montag für Kindergärten, Schulen und Vereine. Mit "brandgefährlichen" Vorführungen der Jugendfeuerwehr. Mit lustigen Tricks der Rettungshunde-Staffeln. Und der ein oder anderen Augenweide der örtlichen Tanzschule – die mit gleich drei Vorführungen für reichlich Applaus des auch bei diesem Anlass reichlich vertretenen Publikums auf dem Schäferlaufplatz sorgte. Höhepunkt der Gaudi: Als die Akteure den nimmermüden Chef-Organisator und Moderator des Schäferlaufs Eberhard Fiedler im Löschwasser-Bottich baden schickten.

Und natürlich das Leistungshüten am Fest-Samstag – eine Handwerks- und Brauchtums-Show, wie sie die meisten Menschen alltags einfach nicht mehr zu sehen kriegen. Akkurat parierende Tiere – 300 davon aus der Herde des Wildberger Stadtschäfers Karl-Martin Bauer. In einer Naturkulisse auf dem Sulzer Eck, die einem mit ihren Ausblicken ins Nagoldtal und in den Nordschwarzwald und in die andere Richtung übers Heckengäu einfach nur den Atem verschlägt. Und auch hier ein tolles, perfekt organisiertes Familienfest mit (zwar kleinerem) Festzelt, Festessen und reichlich Fest-Laune bei den Gästen.

Wenn man einmal wirklich "alles" von diesem Gesamt-Kunstwerk "Wildberger Schäferlauf" mit eigenen Augen gesehen hat, ahnt man, welche wahnsinnige Arbeit sich die Mitarbeiter des Wildberger Rathauses um Stadtkämmerer Eberhard Fiedler alle zwei Jahre damit machen. Und natürlich auch alle beteiligten Vereine, Ehrenamtlichen, Schauspieler, Akteure, Helferinnen und Helfer, Polizei und Feuerwehr. Wildberg "ist" dieser Schäferlauf. Er ist Wildbergs DNA. Eine Kindheit, ein Leben in Wildberg ohne Schäferlauf – schlechterdings unmöglich. Er ist das Gemeinwesen überhaupt dieser Stadt. Und der Rest der Welt ist dankbar, daran teilnehmen zu dürfen.

Ganz tief drinnen ist dieser Schmerz echt

Womit auch vielleicht – vielleicht – erklärbar wird, wie so etwas Bizarres wie der "Club der Sackhüpfer" und sein lärmender Trauerzug sich ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die ja sehr viel ältere Tradition des Schäferlaufes "einschleichen" konnte und erst seit ganz wenigen Jahren ein fester und auch offizieller Bestandteil des Festprogramm wurde: Es tut einfach verdammt weh, sich für ganze zwei Jahre von diesem Freuden-Taumel, von dieser Festtags-Euphorie, von dieser tief empfundenen und erlebbaren Gemeinschaft des ganzes Ortes Abschied nehmen zu müssen. Der Schmerz der "Sackhüpfer" scheint bei ihrem lauthalsen Trauerumzug in der Furche des "großen" Umzugs vom Vortag übertrieben und gespielt zu sein. Aber er ist es eben nicht zur Gänze. Ganz tief drinnen ist diese Trauer echt.

Denn ab dem heutigen Dienstag ist Wildberg zwei Jahre lang wieder nur eine ganz normale Stadt im Nagoldtal. Mit den üblichen Events und Veranstaltungen, wie sie auch alle anderen Orte im Umkreis haben. Aber der Schäferlauf – und damit endet dieser Nachruf zum Ende des Schäferlaufs 2016 – macht Wildberg wirklich einzigartig und herausragend. In zwei Jahren dann wieder.