Bei gemeinsamen Wanderungen müssen die Schüler einige Hindernisse überwinden – "da ist mancher danach stolz wie ein Held", erzählt Förster Lutz Endres. Foto: privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Waldprojekt bringt Fünftkässlern des Bildungszentrums Wildberg neue Erfahrungen und stärkeren Zusammenhalt

Von Jessica Kneißler Wildberg. Abenteuer pur: Mitten im Wald, in selbst gebauten Zelten, übernachteten in den letzten Wochen insgesamt rund 90 Schüler des Wildberger Bildungszentrums. Diese Erfahrung brachte so manche überraschende Wendung mit sich – auch für die Lehrer.Keine Handys, kein Internet, kein Facebook. Zwar nur für gut 24 Stunden, doch für so manchen Elfjährigen ist das eine unvorstellbar lange Zeit – so ganz ohne "Außenverbindung". Doch das Team um Förster Lutz Endres, der das Waldprojekt betreut, mit Klassenlehrerin Ilona Mailänder, der Stadtjugendbeauftragten Susanne Gärtner und dem Lehrer Christoph Wörn haben die 5c bald fest im Griff. Die 20 Schüler sind die letzten, die an dem klassenweise betreuten Projekt teilnehmen.

Die Toilette ist ein hohler Baumstumpf

Es gibt ja auch genug zu tun: Nach der gemeinsamen Wanderung zur Gaisburghütte wird erst einmal das Gelände erkundet, unter fachmännischer Führung von Förster Endres. Auch die "Toilette" wird inspiziert: ein hohler Baumstumpf, rundherum mit zwischen Bäumen aufgehängten Decken abgeschirmt.

Da rechnet man mit dem ersten Widerspruch seitens der jungen Damen. Doch nichts da: "Na, das muss wohl gehen", ergibt sich die elfjährige Josie-May ohne allzu großes Bedauern in ihr Schicksal. Förster Endres ist hier ganz in seinem Element; immerhin hat er auch schon einige Kurse in Waldpädagogik absolviert. "Da erlebt man die unglaublichsten Sachen", gerät er ins Schwärmen. "Kinder, die vorher die "Loser" waren, fühlten sich plötzlich wie Helden, wenn sie die Herausforderungen in der Natur bewältigt haben."

So müssen die Schüler bei einer Bachbettwanderung einen meterhohen Felshang überwinden, was sich anfangs viele nicht zutrauten. Doch bis jetzt habe es noch jeder geschafft – mit gegenseitiger Hilfe. "Es ist auch das Ziel, dass die Schüler besser zusammenarbeiten, sich unterstützen und merken: Gemeinsam sind wir stark", erklärt Susanne Gärtner, ausgebildete Schulsozialpädagogin. Zu Beginn wird den Jungen und Mädchen ein Spiel erklärt: Alle stellen sich auf eine Bierbank. Susanne Gärtner erklärt ihnen, dass es nicht darum geht, dies in einer gewissen Zeit zu absolvieren – sondern darum, es gemeinsam zu schaffen. Nun müssen sich die Schüler, ohne herunterzufallen, von A bis Z nach den Vornamen sortieren. "So lernen wir gleich die Vornamen und sehen auch, welche Kinder ungeduldig sind und wie das Rollenverhalten in der Klasse ist", schreibt die Pädagogin in ihrem Konzept.

Ihren Unterschlupf müssen die Kinder selbst bauen

Schließlich bekommen die Kinder Schnüre und Planen in die Hand gedrückt: "So, jetzt baut euch mal ein Zelt." Den Schülern bleibt es völlig selbst überlassen, wie sie das anstellen. Bei einigen Gruppen gibt es da heiße Diskussionen, in welcher Höhe die Schnüre befestigt werden sollen, wie man sie am besten anordnet, so dass man eine geeignete Konstruktion hinbekommt. Da gerät auch das Handy schnell in Vergessenheit – Empfang gibt es hier, mitten im Wald, ja ohnehin keinen.

Haben sie denn Angst davor, wenn es nachts dunkel wird? "Nee, eigentlich nicht", sagt Julia Geigle, die gerade mit drei Freundinnen architektonische Probleme wälzt. Sie hat andere Sorgen: "Hoffentlich erschrecken uns die Jungs nicht." Josie-May verlässt sich auf ihre große Taschenlampe, die ihre Eltern ihr mitgegeben haben: "Damit kann man auch ein Wildschwein erschlagen, falls eines kommt", erklärt sie optimistisch.

Auch für das Essen müssen die Schüler Hand anlegen: Gemüse klein schneiden, Holz holen und klein hacken, Feuer machen, Grillstöcke schnitzen und den Stockbrotteig vorbereiten. Die Kinder dürfen dann ihre eigenen Würste und den Stockbrotteig grillen; abspülen muss anschließend jeder selbst. Das Spannendste steht aber noch bevor: Die Nachtwanderung. "Hier werden die Sinne geschärft", erklärt Förster Endres. Denn im Wald ist es nachts bekanntermaßen stockdunkel. Also ertasten sich die Schüler ihre Umgebung. Auch Klangschalen und ein alter Topf, auf den geschlagen wird, kommen zum Einsatz: "So können die Kinder auch ihr Gehör schulen." Bei solchen Unternehmungen entstehe so etwas wie ein "positiver Gruppenzwang".

Auch Lehrer können sich hier ein ganz neues Image erarbeiten: "Es gab schon Fälle, bei denen Lehrer nach dem Waldprojekt viel besser mit den Schülern klarkamen", sagt Susanne Gärtner. So profitieren alle von der Erfahrung "rein in den Wald, raus aus der Routine".