Frank Wiehe zeigte ein ersten Modell des geplanten Gebäudes. Foto: Bernklau

"Standort ist immer falsch": Landratsamt und Bürgermeister Bünger stellen Wildbergern in der Stadthalle Pläne vor.

Wildberg - Es hätte sehr brisant werden können. "Wir sind nicht gekommen, um Sie zu ärgern", versicherte Landrats-Stellvertreter Frank Wiehe den Bürgern in der überfüllten Wildberger Stadthalle. Dort informierte er, seine Riege Fachleute und Bürgermeister Ulrich Bünger über den geplanten Bau eines Heims für 120 Kriegsflüchtlinge und Asylsuchende am Stadtausgang beim Welzgraben.

"Der Standort ist immer falsch, immer", sagte der Erste Landesbeamte gegen Ende der langen Fragerunde, "das ist die Erfahrung". Das klang weniger resigniert oder gar provozierend, sondern eher verständnisvoll und versöhnlich. Denn unter den Gegnern und Kritikern der geplanten Unterkunft überwogen bei weitem die direkt betroffenen Anwohner der "Steige", die ihre Sorgen ganz überwiegend ohne fremdenfeindliche Ressentiments äußerten. Ausgerechnet CDU-Stadtrat Gerhard Ostertag allerdings sorgte für einen peinlichen Tiefpunkt der Aussprache: Der Bürgermeister-Stellvertreter fiel vom Saalmikrofon aus mit einer ausschweifenden Rundumkritik an der Asylpolitik seinem Gremium in den Rücken.

Die Not in der aus den Fugen geratenen Welt bringt auch den Landkreis in Not. Er nimmt seine Städte und Gemeinden in die Pflicht des deutschen Rechtsstaats, mit der rasant steigenden Zahl an Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern zumindest gesetzestreu umzugehen. Vom Landratsamt aus und auch in Wildberg will man mehr. Die Stadt, so zollte der Vize-Landrats seinen Respekt, hat "so früh wie landesweit keine andere" in den drängenden Verfahren, ihre Bürger eingebunden. "Wir ducken uns nicht einfach weg vor den Herausforderungen und Problemen", hatte Bürgermeister Bünger die Besucher – unter zunächst noch zaghaftem Beifall – eingestimmt.

Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderatsmehrheit hatten – angesichts der unvermeidlich kommenden Verpflichtungen für die Stadt – erst vor wenigen Wochen dem Landkreis ein Grundstück für den Bau einer Gemeinschaftsunterkunft mit 120 Plätzen am Welzgraben unterbreitet. Noch ist das 4000 Quadratmeter große Areal neben dem Friedhof planungsrechtlich als eingeschränktes Gewerbegebiet ausgewiesen, doch der Bundesrat hat dieser Tage mit Hinblick auf die steil ansteigenden Flüchtlingszahlen einer zeitweiligen Lockerung solcher Vorschriften zugestimmt. Noch sind keinerlei Verträge unterschrieben, widersprach zudem der Bürgermeister den früh mit Saal-Zurufen aufgekommenen Vorwürfen von "mangelnder Transparenz" und "vollendeten Tatsachen".

Die Unterbringung der Kriegsflüchtlinge und Asylsuchenden – so legte das Frank Weihe anschaulich und sachlich in seinen Informationen dar – ist in drei Stufen gestaffelt: Nach den Erstaufnahmen in den sogenannten LEA (Landes-Erst-Aufnahmestätten) Karlsruhe und seit Kurzem auch Meßstetten sind Gemeinschaftsunterkünfte in Landkreis-Verantwortung vorgesehen, bevor nach zwei Jahren Aufenthalt die Städte und Gemeinden an einer dezentralen "Anschluss-Unterbringung" mitwirken sollen.

Größere Einheiten wie die in Wildberg geplante sind nach den Erfahrungen der Kreisverwaltung wirtschaftlicher zu betreiben und in der Betreuung "besser zu händeln", betonte der Landrats-Stellvertreter. Sozialdezernent Norbert Weiser sagte, es sei in den 15 Jahren seiner Amtszeit "noch nie etwas gewesen" an gravierenden Vorfällen in den Asylheimen, auch und gerade nicht in Wildbad, das da "seit 20 Jahren die Hauptlast trägt". Ralf Bühler, der Leiter der Sozialen Dienste mit vier sozialpädagogischen Flüchtlingsbetreuern und einer neu eingestellten Koordinatorin für die ehrenamtlichen Helfer, versicherte den Wildbergern: "Wir sind bei Problemen für Sie da, verlässlich, wenn’s nötig ist rund um die Uhr."

Neben der Kritik der Anwohner am Standort und an der Größe der Unterkunft kamen aus dem Publikum – neben einer Reihe von Aufrufen zur Hilfe – vor allem Kritik am Verteilungsschlüssel. Dem widersprach Frank Wiehe. Was Wildberg als einer der Städte zunächst in der zweiten Unterbringungs-Stufe mehr an Flüchtlingen aufnehme, das werde nach und nach bei der Zuweisung dezentraler Flüchtlings-Wohnungen innerhalb der übrigen Kreis-Gemeinden ausgeglichen.

Bürgermeister Ulrich Bünger rief die Wildberger auf, auch alternative Vorschläge für einen Standort einzureichen. Der Gemeinderat habe sich lang Gedanken gemacht, aber bisher keine andere Möglichkeit gefunden. "Vom heutigen Tag an", kündigte der Verwaltungschef an, "werden wir einen Runden Tisch gerade für die Anwohner einrichten, einen geschützten Raum, in dem alle Sorgen und Bedenken direkt und offen angesprochen werden können."

Als der Bürgermeister dann auf die guten Erfahrungen der ehrenamtlichen Flüchtlings-Betreuung in Wildbad und Nagold hinwies und fragte, wer sich unter den Wildberger Bürgern vorstellen könnte, auch in das künftige Heim zu gehen, da meldeten sich Dutzende Besucher spontan mit Handzeichen. Und als Bünger noch einmal ausrief: "Wir können uns nicht wegducken", da kam sogar langer Applaus auf.

Beifall hatten allerdings auch die Kritiker fast immer bekommen. Aber auch Vize-Landrat Wiehe – besonders für seine Äußerung: "Wir müssen diese Menschen in Not so aufnehmen, dass wir noch in der Spiegel schauen können."