Der Auftakt des Schäferlauf-Spektakels ist das Festspiel. Foto: Schwarzwälder-Bote

Theater: Zur Aufführung von "Der Klosterschäfer und des Teufels Puppenspieler"

Von Axel H. Kunert

Wildberg. Terror in Nizza, Putsch in der Türkei – das wahre Welttheater zeigt, welchen Wert Schäfertugenden haben und welchen Schaden des Teufels Puppenspieler überall anrichten.

Eine Parabel auf das Welttheater gab es drinnen in der Wildberger Stadthalle zu sehen – das Festspiel "Der Klosterschäfer und des Teufels Puppenspieler" von Eugen Memminger, mit dem das Schäferlauf-Wochenende eröffnet wurde. Derweil draußen mit den Anschlägen von Nizza und dem Putschversuch in der Türkei das echte Welttheater zeigte, wie aktuell das vor über 60 Jahren geschrieben Stück immer noch ist.

Mit einer Gedenkminute für die Opfer von Nizza ließ Wildbergs Bürgermeister Ulrich Bünger den Abend beginnen, bevor im Theaterreigen die Schauspiel-Opfer des großspurigen, teuflischen Geigers und Puppenspielers Wenzel Häbe (Andreas Kramer) ihr literarisches Leben aushauchen. Bis schließlich auch er selbst ein Opfer seiner gierigen Intrigen wird – und offenbar wird für Publikum und Welt, wie falscher Geist die Menschen irreleitet. Und echtes Leid über die Menschen bringt. Und wie man sich mit Schäfertugenden dem entgegenstellen kann. Damit man auch im Tod noch triumphiert. Und niemals Opfer wird.

Der Tod ist in der Welt gerade sehr gegenwärtig

Ja, der Tod ist in der Welt gerade sehr gegenwärtig. Nizza, Türkei. Auch Syrien. Immer noch. Gerade an diesem Abend, an diesem Wochenende. "Es ist keine leichte Muse, die uns erwartet", hatte der Bürgermeister in seiner Begrüßung gesagt, und wohl nicht geahnt, wie sehr das stimmen würde mit den parallelen tagesaktuellen Entwicklungen in der großen Welt. Auf der Bühne der Stadthalle hat das Böse ein Gesicht – eben für einen Abend lang das herrlich diabolisch geschminkte Antlitz von Andreas Kramer, der seinen Sprech-Part immer wieder fast in seine gewaltige, prächtige Tenor-Stimme kippen lässt. Die Luft zittert, wenn er wettert und seine Monologe rezitiert und mit seiner fürs Publikum auch körperlich spürbaren Bühnenpräsenz wie ein Sog die Aufmerksamkeit der Menschen im Saal auf sich zieht. Man ist geneigt, Kramer mit dem "Mephisto" des großen Gustaf Gründgens vergleichen zu wollen. Wegen dieses Spiels, das einem nicht unberührt lässt, das noch lange nachwirkt, gerade an diesem Abend.

Aber es ist auch ein besonderes Band, das die Wildberger mit diesem Festspiel, diesem einmaligen Schauspiel verbindet. Alle zwei Jahre zwei Aufführungen zum Schäferlauf. Ein Publikum, das zum Großteil das Stück natürlich bereits bestens kennt. Dem es trotzdem nicht langweilig wird. Weil immer wieder neue Tiefen und Untiefen darin sichtbar werden. Man spürt es in den Momenten, wenn es mucksmäuschenstill wird im Saal. Wenn die Zuschauer an den Lippen der Protagonisten da oben auf der Bühne hängen. Wenn sie gieren nach Erlösung von dieser ungeheuren Spannung – durch einen Lacher vielleicht, etwa wenn die diesjährige Bärbel (Anja Roth) oder der drollige Stoffele (Sven Kugel) über die Bühne fegen. Oder die kleinen Gassenbuben (Lara-Sophie Kramer, Hans Hölzel, Dominik Saur, Lena Kugel, Lukas Schäfer und Laura Schäfer) als Chor mit dem Spott der Straße das dramatische Geschehen kommentieren und es dadurch weniger dramatisch machen.

Gleich zwei echte Polizeihauptkommissare waren in diesem Jahr im Publikum dabei – Peter Wurster vom Polizeiposten Wildberg und der neue Revierleiter aus Nagold, Klaus Armbruster. Und letzterer bestätigt – ebenfalls sichtlich beeindruckt von dem Spiel –, dass vieles von Memmingers ja auch Kriminalstück wirklich mit seiner täglichen Arbeit zu tun hat. Diese Bösewichte und Intriganten, die echten Stereotypen von Untaten. Aber mehr noch "das schlechte Gewissen", das an den Mittätern nagt "und sehr ja unser Geschäft sind", so Hauptkommissar Armbruster. Weil auch im echten Leben es immer sie sind, die Intrigen und Schandtaten enthüllen. Und der Gerechtigkeit zuführen und ihr so Genüge tun. Wohl noch nie war das Wildberger Schäferlauf-Festspiel so brandaktuell wie an diesem Abend, wie in diesem Jahr. Das war mehr als ein nur großartiger Theaterabend.