Obwohl neue Maschinen präzisere Ergebnisse liefern und komfortabler zu handhaben sind, arbeitet Karl Heinz Kempf immer wieder gerne an dem 60 Jahre alten Fossil, dass er schon seit seiner Ausbildung kennt. Foto: Faust Foto: Schwarzwälder-Bote

Der 55-Jährige war 1975 der erste Auszubildende der Effringer Schreinerei Einsiedler und hält dem Unternehmen seither die Treue

Von Daniel Faust

Wildberg-Effringen. Es ist Karl Heinz Kempf sichtlich unangenehm, wenn er etwas über sich erzählen soll. Lieber redet der 55-jährige Familienvater über seinen Beruf und sein Handwerk, das zu seinem Traumberuf geworden ist und über die Veränderungen, die dieses während seiner 40 Berufsjahre erlebt hat.

Nach der Schule hatte Kempf noch keine Idee, was sein Traumberuf sein könnte, geschweige denn, welchen Beruf er ausüben wollte. Sein Vater, dessen Vater auch Schreiner war, dachte sich: "Der muss weg von der Straße." Also ging er zum damaligen Schreinermeister Heinz Einsiedler und fragte, ob er einen Lehrling brauchen könnte. Konnte er. Und so wurde Karl Heinz Kempf der erste Lehrling in der Schreinerei. Das war 1975.

Kempf macht die dreijährige Lehre. Als er Geselle ist, kommt der erste Azubi, den er betreut. 26 Lehrlinge folgen. Derzeit hat das Unternehmen keinen Auszubildenden in der Firma. "Wir finden keinen", sagt Carmen Graf-Einsiedler, die mit ihrem Bruder Jörg seit 2009 die Schreinerei führt und Kempf jüngst für 40-jährige Betriebszugehörigkeit ehrte.

Für Kempf kommen die Gesellenjahre, die Bundeswehr und ab und zu der Drang, woanders hinzugehen. Doch er bleibt. 1984 legt er die Meisterprüfung ab. Studieren oder ähnliches kommt für Kempf, der in seiner Freizeit Gruppenführer bei der ist, nicht in Frage: "Theorie war nichts für mich. Ich war immer der Praktiker"“, sagt der 55-Jährige, der den Ausbau der Firma seit den 70er-Jahren miterlebt und mitträgt.

Er freut sich immer wieder, wenn er an der ältesten noch vorhandenen Maschine in der Firma arbeiten kann. 60 Jahre ist sie alt und steht, als müsste man sie vor Kunden und vor den neuen Maschinen verstecken, im Keller in der hintersten der fünf Hallen. Sie ist schwarz, hat große Schraubgewinde und einen ein massiven Bohrer aus Eisen. Den Daumen will da niemand drin haben. Mit solchen Maschinen arbeitet Kempf in seiner Anfangszeit täglich, bis neue, bessere, schnellere und vor allem präzisere Maschinen kommen. Doch die alte Maschine wird noch benutzt. Die hellen frischen Sägespäne zeigen es. "Wenn es um ein einzelnes Stück und nicht um Rationalität geht, kann man mit ihr arbeiten", sagt Graf-Einsiedler. Kein Auszubildenden hat die Firma verlassen, ohne dass man ihm diese Maschine gezeigt und ihre Funktion erläutert hat.

Gewinde lösen, Holzstück befestigen, Gewinde fest schrauben, bohren, Gewinde lösen, Ergebnis prüfen. So die Schritte, die man alle tun muss. Ganz wichtig dabei: das Prüfen. "Der Schreiner prüft mit Augen und Händen", sagt Kempf und hält seinen Zeigefinger in das gebohrte Loch. Stimmt die Tiefe? Deutlich sieht man die Ränder mit Macken und Absplitterungen. "Das wäre früher sehr gut gewesen. Heute geht das natürlich viel präziser", sagt Kempf und meint damit die neueren Maschinen.

1988 hält die erste computergesteuerte Maschine Einzug in der Effringer Schreinerei. "Das war natürlich eine Erleichterung", erinnert sich Kempf, der sich in alle Neuerungen in seinem Handwerk eingearbeitet hat. Trotzdem: "Es ist immer noch eine Kopfarbeit. Man musste früher anders denken, richtig rechnen und Maß nehmen. Heute muss man vor allem überprüfen, ob die Maschine alles richtig macht.

"Die Präzision wie auch das Tempo sind vor allem dann wichtig, wenn es um eine effiziente Fertigung geht. Dann muss das alles stimmen", so Carmen Graf-Einsiedler. Sie bescheinigt ihrem Mitarbeiter eine sehr hohe Fachkompetenz und freut sich unter anderem deshalb, dass er dem Betrieb noch eine Weile erhalten bleibt.

Kempf legt ein Brett in die Maschine und gibt die gewünschte Maße auf dem Display ein. Und schon wird das Brett eingezogen und mit einem kurzen aber heftigen Sägegeräusch auf die eingegebene Länge gebracht. Die Prüfung muss immer noch sein. Der Finger geht auch hier zur neu bearbeiteten Stelle

"Es gibt heute mehr Hilfsmittel, diedie Arbeit erleichtern"

.Karl Heinz Kempf steht dabei am Monitor mit Sicherheitsschuhen und Gehörschutz. "Das hat es früher auch nicht gegeben. Da stand man die ganze Zeit so vor den Geräten. Heute muss auch kein Holz mehr so vom Lastwagen abgeladen werden. Heute haben wir den Gabelstapler. Es gibt mehr Hilfsmittel, die die Arbeit erleichtern", erzählt Kempf, der am liebsten an einem Werkstück aus Massivholz arbeitet.

Gerade fertigt der Jubilar einen Kleiderschrank in einer Sondergröße an. Das Grundgerüst – also der Boden, die Seiten und die Rückwand – stehen. Der Rest muss noch montiert werden. Das muss der Schreiner selbst machen. Da kann ihm keine Maschine helfen – außer dem Akkuschrauber.