Unzählige Handgriffe, wie beispielsweise das Zusägen von Spezialholz für den Innenausbau (Bild unten rechts), sind notwendig bis ein fertiger (Pferde)Transporter Wildberg verlässt. In der Verwaltung kann Firmengründer Werner Jung (mittleres Bild, links) auf die Expertise seines Teamkollegen, des internen Vertriebsleiters Fritz Hartmann, bauen. Fotos: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Wildberger Spezialfahrzeugbauer konzipiert Produkte genau nach Maß

Von Marija Mikulcic

Wildberg. Werner Jung ist von Natur aus ein Tüftler. Das erste größere Projekt, das er umsetzte, war ein komplett auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Wohnmobil. Als Windsurfer brauchte der gelernte Werkzeugmacher ein Staufach für die flachen, aber sperrigen Surfbretter; als Motocross-Fahrer Transportraum, wo seine Fahrzeuge während der Fahrt sicher verstaut waren. Und ein Schlafplatz musste sein. Gedacht, gemacht: In der elterlichen Scheune in Nufringen entstand so vor fast 30 Jahren der Prototyp eines Jung-Spezialfahrzeugs. Der umfunktionierte Sprinter erfüllte alle Ansprüche seines Schöpfers.

Was Werner Jung damals in seiner Freizeit für sich selbst umsetzte, baut er heute hauptberuflich für andere. Ob Motorsport, mobiles Wohnen oder Fahrzeuge, die speziell für Werbe-Zwecke zum Einsatz kommen – kein Kundenwunsch, der bei der 15-köpfigen Mannschaft in Wildberg auf taube Ohren stößt. Die Männer in der Fertigung sind ein eingespieltes Team im Umsetzen aller erdenklichen Träume auf Rädern. Karosseriebauer gehören genauso dazu wie Schlosser, Schreiner, Techniker und Innenausbauer. "Es läuft immer so, dass die Jungs in der Werkstatt mitentscheiden", gibt Jung Einblick in die flachen Hierarchien, die den Betrieb ausmachen. Wo es "ans Eingemachte" geht, also die letztendliche konkrete Zusammenführung der Aspekte technische Möglichkeiten, Nützlichkeit und Design, vertraut Werner Jung seinen Leuten voll und ganz. "Wir sind vor Ort ein sehr gutes Team", weist er das Kraftzentrum aus, von dem aus die Umsetzung anspruchsvoller Aufträge gelingt. Für den Kunden also gilt: Den eigenen Vorstellungen sind kaum Grenzen gesetzt.

Straßenkreuzer der Superlative entsteht

Was das im Klartext heißt, kann man derzeit in der Fertigungshalle am Ortsausgang Wildbergs in Richtung Calw bestaunen. In der Halle entsteht ein Koloss. 12 Meter Länge, 18 Tonnen Gewicht, fast vier Kilometer verbauter Kabel. Das Wohnmobil der Superlative ist ein Straßenkreuzer, der seinesgleichen sucht.

Fünf Flachbildschirme wünscht der Kunde, einen davon bündig mit der Außenwand, damit man auch vom Freien aus, unter der ausfahrbaren Markise sitzend, dem Programm folgen kann. Innen vervollständigen eine behagliche Sitzecke in Leder und eine echte Keramik-Ausstattung im Bad den Komfort. Ein hydraulisches Stützsystem sorgt dafür, dass im Ruhezustand nichts wackelt oder wippt, wenn man sich in dem Haus auf Rädern bewegt. Ob Liegeflächen für Übernachtungsgäste, die sich clever in ansonsten ungenutzte Nischen schmiegen oder die verschiebbare Küchenzeile, die, wenn das Fahrzeug geparkt ist, noch einmal eine erhebliche Verbreiterung der Wohnfläche erlaubt – was da entsteht, ist wirklich abgefahren. "Für so einen Auftrag muss man gut ein halbes Jahr rechnen", umreißt Werner Jung den Aufwand in der Herstellung.

Einen solchen Auftrag gibt es nicht alle Tage. Deshalb gehören auch Wartungsarbeiten an Fabrikaten anderer Hersteller zum Alltag des Wildberger Betriebs. Doch gerade Kunden, die mit sehr speziellen Wünschen kommen, wissen, dass sie bei der Firma Jung gut aufgehoben sind.

"Der Service muss top sein, in alle Richtungen", dieser Philosophie hat sich der Betrieb verschrieben, seit Jung mit dem Sonderfahrzeugbau eigene Wege einschlug. Deutlich ist in Jungs Erinnerung der Schritt in die Selbständigkeit mit einer Anzeige in unserer Zeitung verknüpft. "Jung Wohnmobile, individuelle Ausbauten und die Telefonnummer", schildert der Firmengründer die spartanische Aufmachung der Anzeige, die, wenn man so will, am Anfang der heutigen etablierten Adresse im Spezialfahrzeugbau steht.

Die größte Nachfrage nach Sonderfahrzeugen erreicht das Jung-Team allerdings aus dem Pferdesportbereich. Hier gehören Siebeneinhalb-Tonner der Einstiegsklasse, fünf bis sechs Pferde fassende Neun- bis Elf-Tonner der Mittelklasse oder wahre Transportbastionen der Premiumklasse mit einem Gewicht von bis zu 20 Tonnen zum Standard-Sortiment, das Jungs Jungs fertigen. Ganz stark nachgefragt ist momentan aber der "Trailer", das Leichtgewicht der Fahrzeugmarke RJH, unter der die Pferdesport-Fabrikate des Wildberger Herstellers firmieren. Gerade wird in der Halle ein quietschgelbes Exemplar eines Dreieinhalb-Tonnen-RJH-Hängers fertiggestellt.

"Da steckt Einiges an eigener Entwicklung von uns drin", sagt Jung. Der Tüftler in ihm ist in diesem Augenblick stolz. Den "Trailer" baut die Wildberger Mannschaft mittlerweile "wie aus dem Effeff". Die Verkäufe tragen entscheidend zum Umsatz bei. "Wir leben davon, dass wir auf Turnieren ausstellen können", sagt Fritz Hartmann, der in der Wildberger Niederlassung den Vertrieb organisiert und betreut. Konkret bedeutet das: Die Männer in der Produktion beginnen mit dem Bau des Modells, üblicherweise aus einer der drei Standard-Kategorien, ohne, dass ein Käufer feststehen würde. Diese Fahrzeuge präsentieren Jungs Vertriebspartner aus Nordrhein-Westfalen und Bayern dann auf diversen Turnieren und Messen, auf denen die Pferdeszene aus ganz Europa zusammenkommt. Sorgen um die Nachfrage muss sich das Team in Wildberg momentan nicht machen. "Wir sind derzeit sehr gut ausgelastet", sagt Werner Jung. Sein Handy klingelt.

Es ist älteres Standard-Gerät, kein Smartphone. Jung nimmt das Gespräch an. "Ich bin da etwas Oldschool", meint er danach. Auf dem Gerät könne er blind SMS tippen, weist er einen Vorzug der mittlerweile beinahe verdrängten Handys aus. Ein schüchternes Grinsen erhellt sein Gesicht. Hört man Werner Jung weiter zu, verkörpert dieses Handy aber genau den Stil, in dem er auch sein Unternehmen aufgebaut hat und führt: "Ich denk, man muss immer bissle auf’m Boda bleiba", sagt er. "Und das probieren wir hier", ergänzt er überzeugt.