Die Schauspieler verliehen der Handlung Intensität (von links): Joerg Adae, Till Florian Beyerbach und Ambrogio Vinella. Foto: Köncke Foto: Schwarzwälder-Bote

Theater der Altstadt erhält in Altensteig viel Beifall für Martin McDonaghs Mischung aus Thriller und Kammerspiel

Von Manfred Köncke

Altensteig. Das Stuttgarter Theater der Altstadt führte im Altensteiger Bürgerhaus den Einakter "Der Kissenmann" aus der Feder Martin McDonaghs auf.

Hat sein geistig zurückgebliebener Bruder Michal einem Jungen die Zehen abgehackt, einem Mädchen eine Dornenkrone übergestülpt, ihm die Beine gebrochen und es ans Kreuz genagelt? Oder hat er ihm eine Rasierklinge in den Hals gesteckt? Warum erleiden Eltern den Erstickungstod? Und weshalb treibt der Kissenman zahllose Kinder vorsätzlich in den suizidalen Unfalltod?

Die Erzählungen des Schriftstellers Katurian handeln von Menschen in Extremsituationen. Und dafür wird man angeklagt? Was soll ein Geschichtenerzähler anderes tun, als Geschichten zu erzählen? Nur, weil zwei Menschen umgebracht wurden – nach jenem Muster vorgegangen sind, das detailgenau in einer dieser Geschichten beschrieben wird?

Der "Kissenmann" des irischen Schriftstellers Martin McDonagh wirft viele Fragen auf. Das Stuttgarter Theater der Altstadt hat den Einakter im Altensteiger Bürgerhaus vor einer beschämend geringen Zuschauerkulisse aufgeführt. Dafür wurden die durchweg überzeugenden Schauspieler für die Aufführung einer Mischung aus Thriller und Kammerspiel nach 90 Minuten um so heftiger beklatscht.

Katurian wird in einer Polizeistation verhört und gequält. Auf dem Tisch des vernehmenden Beamten Tupolski stapeln sich einige seiner Kurzgeschichten. Dass der Verfasser sterben wird, ist beschlossene Sache. In der Zelle nebenan hört man die Schmerzensschreie des gequälten Bruders. Auch Katurian wird vom Polizisten Ariel am Hals gepackt und zu Boden gestoßen. Dabei verarbeitet er in seiner Kurzprosa nur die eigene, grauenvolle Kindheit als Sohn sadistischer Eltern. Der bestialische Kindermord wird zu seinem literarischen Lieblingsthema. Will man ihm daraus einen Strick drehen? Oder hat sein debiler Bruder Michal die bestialischen Handlungsstränge leibhaftig nachgespielt?

Lukas Ullrich entwickelt den Wesenszug des Katurian in langen Monologen. Aus einem abgeklärten Schriftsteller wird ein in seinen Grundfesten erschütterter Zeitgenosse, der den eigenen Tod in Kauf nimmt, um sein erzählerisches Werk zu retten. Till Florian Bayerbach gibt einen bemitleidenswerten Bruder, dessen kindlicher Geist sich in der wiederholten Schilderung seines Afterjuckens ausdrückt. Tupolski (Joerg Adae) und Ariel (Ambrogio Vinella) passen in das Klischee vom guten und bösen, gewalttätigen Kriminalbeamten, die in der Befragung der Todeskandidaten ein Stück weit ihre eigenen, verwirrenden und abwegigen Gefühlswelten offenbaren.

Das Bühnenbild ist karg gehalten. Drei Stühle und ein Tisch reichen. Das Stück lebt von der Fantasie und der Kraft des Wortes, dem Verwirrspiel zwischen Sein und Schein, vom Trauen und Zutrauen. Eine schwarze Tragikomödie, vom Autor vielschichtig erzählt und dem Stuttgarter Theater der Altstadt blendend in Szene gesetzt.