Andreas Kramer freut sich über den grünen Daumen seiner Mutter und genießt die Blütenpracht auf seiner Terrasse in Wildberg. Foto: Ließmann Foto: Schwarzwälder-Bote

Wir machen Musik: Andreas Kramer gibt Gesang den Vorzug

Den Wildberger Tenor Andreas Kramer zu erreichen kommt einem Wunder gleich. Eben noch erholt er sich mit seiner Ehefrau in Cornwall von einem ereignisreichen, musikalischen Jahr, da muss er – in der Heimat eben erst angekommen – schon wieder weiterziehen.

Wildberg. Momentan verbringt Andreas Kramer seine Arbeitswochen in Straßburg, um vor Ort einen jungen Aurelianer zu begleiten und zu coachen. Denn an der Opéra National du Rhin wird die Oper "The Turn of the Screw" von Benjamin Britten einstudiert, und der junge Solist hat die anspruchsvolle Rolle des Miles übernommen. Die Betreuung geschieht im Wechsel mit Bernhard Kugler, dem künstlerischen Leiter der Calwer Aurelius-Sängerknaben.

"Letztes Jahr war ich nahezu zweieinhalb Monate unterwegs"

Überhaupt ist Kramer oft auf Reisen. Er begleitet die jungen Sängerknaben überall hin – Paris, Madrid, Lissabon – um nur einige Metropolen zu nennen – und kümmert sich um sie. "Letztes Jahr war ich nahezu zweieinhalb Monate unterwegs. Das ist dann doch etwas grenzwertig", sinniert der äußerst heimatverbundene Sänger und Gesangslehrer. "Aber es macht sehr viel Spaß, zu sehen, wie eine Produktion entsteht."

Einst war er selbst ein Aurelius-Sängerknabe und der Erste aus deren Reihen, der am Badischen Staatstheater in Karlsruhe als Knabe in Mozarts Zauberflöte auftrat. Daher weiß er, wie wichtig eine gute Betreuung ist.

Seine musikalischen Anfänge gründen in einem Vorsingen. Er ist zu dem Zeitpunkt gerade mal acht Jahre alt. "Damals entdeckte meine Mutter eine Annonce des Calwer Knabenchors, in der zu einem Vorsingen eingeladen wurde, und meinte, mich dort hinschleppen zu müssen." Kramer grinst übers ganze Gesicht und stellt fest: "Ich war quasi ein Gründungsmitglied."

Etwa zeitgleich beginnt er, Klavier zu lernen. Eifrig nimmt er an den Proben teil, selbst der Stimmbruch mit 13 Jahren hält ihn nicht auf. Lachend klärt der Künstler auf: "Schließlich gibt es bei den Aurelianern auch einen Männerchor." Mit gerade mal 16, 17 Jahren wagt er sich an die Leitung eines Chores. Hans-Jörg Kalmbach, der Gründer der Aurelius-Sängerknaben, bringt ihm das Rüstzeug für diese Aufgabe bei. "Doch dann wird man halt ins kalte Wasser geschmissen. Man muss sich das vorstellen: Das waren lauter erwachsene Leute, und dann kommt da so ein junger Hüpfer", schmunzelt der stolze Papa einer fast elfjährigen Tochter aus erster Ehe

Die Arbeit als Chorleiter bereitet Kramer viel Spaß

Nach dem Abitur steht die Frage im Raum: Was studiere ich? Denn es gibt in seinem jungen Leben eine zweite Leidenschaft, der er selbst heute noch freudig nachgeht: Die Landwirtschaft. Auf dem Hof seines Onkels hilft er von klein auf mit großem Eifer. Daher muss sich der begeisterte Sänger entscheiden zwischen Agrarwissenschaften und Gesang. Hans-Jörg Kalmbach rät ihm damals mit den Worten "Du hast das Zeug dazu!" zum Gesangstudium.

Bereits zu Beginn seines Studiums an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen ist der angehende Diplom-Gesangspädagoge Mitglied des Ensembles der Ludwigsburger Schlossfestspiele und sammelt nebenher vertretungsweise Erfahrungen als Stimmbildner. Der junge Tenor wirkt außerdem bei Produktionen der Jungen Oper Stuttgart mit, tritt mit den Stuttgarter Philharmonikern und der Musiktheaterwerkstatt Stuttgart auf und wird unmittelbar nach dem Studium von Hans-Jörg Kalmbach in die Heimat zurückgeholt. Andächtig betont Kramer: "Ich habe ihm viel zu verdanken."

Bei den Aurelius-Sängerknaben ist der Tenor zuerst als Stimmbildner tätig, später als Chorleiter und inzwischen als stellvertretender musikalischer Leiter. Des Weiteren dirigiert er den Männergesangverein Egenhausen und die Chorgemeinschaft Iselshausen/Nebringen. "Das bereitet mir sehr viel Spaß", gerät Kramer ins Schwärmen. Wobei er das Singen ebenfalls genießt und ganz gerne wieder etwas mehr in den Fokus stellen würde. Allein – dazu fehlt oftmals die Zeit.

Auf dem Traktor findet er nach wie vor Entspannung

Deshalb verzaubert der Tenor, gemeinsam mit dem Pianisten Martin Kalmbach, dem Bruder von Hans-Jörg Kalmbach, an so manchem Liederabend sein Publikum. Seit mehr als zehn Jahren arbeiten die beiden erfolgreich und mit viel Freude zusammen. Bei größeren Oratorien der Aurelius Sängerknaben bekommt man Kramers Stimme ebenfalls zu hören: Im November wird beispielsweise der "Messias" von Georg Friedrich Händel in der Stadtkirche Nagold aufgeführt.

Außerdem sind da die Wildberg Classic Open, die seit 2007 jeweils in den Nicht-Schäferlauf-Jahren vor beeindruckender Kulisse in der Wildberger Schlossanlage stattfinden. Dieses Musikereignis, das sich der Klassik verschrieben hat, ist nicht nur seine Idee, Kramer hat zudem die musikalische Leitung inne.

Bei so viel Tatendrang kommt freilich die Frage nach Erholung auf, und die findet der bodenständige Sänge nach wie vor in der Landwirtschaft. "Wenn ich mit dem Traktor frühmorgens auf die Felder fahre und vollkommen allein bin in der Natur, das gibt mir wahnsinnig viel."