Bei der Ward-Methode sind die Wildberger Grundschüler voll bei der Sache Fotos: Mikulcic Foto: Schwarzwälder-Bote

Wildberger Grundschüler lernen seit diesem Schuljahr mit Ward-Methode / Weg zu musikalischer Selbstständigkeit aufgetan

Von Marija Mikulcic

Wildberg. An der Tafel stehen Zahlen. Sieht aus wie Mathe. Ist es aber nicht. Das, worin Erstklässler seit diesem Schuljahr einmal wöchentlich an der Grundschule Wildberg unterrichtet werden, nennt sich "Ward-Methode" und hat – anders als die Zahlen zunächst nahe legen – mit Musik zu tun.

Ursula Staenglen gibt einen Ton vor. Die ersten 20 Minuten eines jeden Donnerstags gehören ihr. Die Musikerin und Musikpädagogin, die außerdem an der Musikschule Wildberg unterrichtet, hält die "Ward"-Einheit bei den 30 Kindern der beiden ersten Klassen ab. Zur "Ward"-Stunde werden sie von ihren Klassenlehrerinnen Anja Läpple und Katja Rauscher begleitet. Der Kopf darf entspannt auf dem Hals sitzen. Diese 20 Minuten gehören ganz dem Körper, dem Gefühl und den Stimmbändern.

Die Ziffern auf dem Blatt sind diagonal in einer Aufwärts-Treppe angeordnet. Eins, zwei, drei, vier, fünf. Und die Musik? Do-re-mi-fa-sol dazu gedacht: Da ist sie. Die ersten fünf der acht Tonsilben einer Tonleiter mag mancher sich im Zuge eigenen Musikunterrichts schon nachsprechen gehört haben. Solmisation nennt sich dieses Verfahren. Die Silbe verrät den Abstand zum Grundton. Theoretisches Wissen, das ein Musiker im Laufe seiner Ausbildung erwirbt. Doch der Ward-Methode geht es ums "Tun". Über regelmäßiges musikalisches Handeln nach Gefühl sollen Kinder befähigt werden, sich Musik – in erster Linie gesungene – zu erschließen. Von Beginn an werden hierzu Töne und Bewegungen werden kombiniert. Der ganze Körper ist im Einsatz.

Dann singen die Kinder Ursula Staenglens Ton nach. Beim Anstimmen berühren sie mit den Fingerkuppen ihren Scheitel. Während sie den Ton entfalten, zeichnen die Arme zeitgleich über dem Kopf einen Halbkreis nach. Die Augen sind auf Ursula Staenglen gerichtet, die Schüler ganz bei der Sache. Irgendetwas wissen muss hier keiner. Die richtige Antwort steht immer schon im Raum. Allein Aufmerksamkeit ist gefordert. Dann entdecken Ohr und Gefühl sie ganz von selbst.

Mit einer kleinen, flachen Flöte, der Stimmflöte, gibt Staenglen einen Grundton vor. Dann nimmt sie einen Zeigestock zur Hand und zeigt auf die Ziffern der Treppe. Nicht immer der Reihe nach: Eins, zwei, drei, zwei, drei, zwei, fünf. Die Kinder singen die Töne. Das Abweichen von der Reihe steigert die Spannung.

Seit September ist Staenglen regelmäßig bei den Wildberger Erstklässlern zu Gast. Ihre Kollegin Kaoru Minamiguchi betreut die Grundschüler in Effringen. Auch zu den Kindern der Sulzer Ganztagesbetreuung findet das Ward-Konzept. Geschult wurden die Wildberger Musikpädagoginnen an der Musikschule Calw. Der dortige Verwaltungsleiter Sebastian Weber habe die Ward-Methode für sich entdeckt und sei davon so begeistert gewesen, dass er Kollegen eine Einweisung anbot, berichtet die Leiterin der Musikschule Petra Roderburg-Eimann, wie das Ward-Programm nach Wildberg fand.

Was Weber an Ward faszinierend findet? "Kinder können nach einer Weile einfache Dinge reproduzieren, ohne, dass ein Lehrer es vormacht", sagt er. Das Verhältnis der Töne zueinander für jedermann zugänglich zu machen, indem man es mit dem Körpergefühl verknüpft und diesen Zusammenhang kontinuierlich schult, sei vor über 100 Jahren der Ansatz der Begründerin der Methode, Justine Ward, gewesen. Ward hatte nicht nur eine kleine Gruppe begabter Kinder fördern wollen. Ihr ging es darum, eine solide musikalische Bildung zu entwickeln, die alle Kinder eines Jahrgangs erreichen würde.

"Beim Rätsel wollen alle drankommen"

Über diesen Gedanken fand Weber zu Ward. "Ich interessiere mich sehr für die Basismusikalisierung", sagt er. Auch für Petra Roderburg-Eimann ist der Gesichtspunkt, möglichst viele Kinder mit Musik in Berührung zu bringen, entscheidend. "Zu dieser Grundmusikalisierung beizutragen, ist Teil unseres Bildungsauftrags", befindet die Leiterin der Wildberger Musikschule, die die Pädagoginnen an die Schulen entsendet.

Gemeinschaftlich getragen wird das "Ward"-Programm für Wildberg, Sulz und Effringen von der Stadt Wildberg, dem Förderverein der Wildberger Grundschulen und "ObenAuf", dem Förderverein, der die musische Jugendbildung in der Region Nordschwarzwald unterstützt.

"Stimmbildung, Gehörbildung, Rhythmus, Improvisation", benennt Staenglen als Grundfertigkeiten, die durch die Ward-Methode geschult werden. Das schönste bei ihren Einsätzen in der Talstraße sei, zu merken, wie sehr sich die Schüler durch diese spielerische Heranführung an die Musik begeistern ließen. "Beim Rätsel wollen alle drankommen", beschreibt sie, wie beliebt dieser Baustein der Gehörbildung bei den Schülern ist. Besonders erfreuliche Nebeneffekte des "Ward"-Programms hat Schulleiter Thomas Schreiber bei seinen Erstklässlern bereits festgestellt. "Die Kinder trauen sich auch, die Wörter selbst auszusprechen", sagt Schreiber mit Blick auf den Englischunterricht, den er in einer der ersten Klassen abhält.

"Und sie sind viel sensibler", sei ihm im Rahmen von Nachsprechübungen aufgefallen, die ein grundlegender Bestandteil seines Sprachunterrichts sind. Nach genau diesem Echo-Prinzip funktionieren viele der Übungen, aus denen sich Ursula Staenglens "Ward"-Einheiten zusammensetzen. Die Hoffnung der Beteiligten an Grund- und Musikschulen ist, dass viele weitere Jahrgänge auf diese sehr kinderfreundliche Weise gemeinsam Zugang zur Musik erhalten.