Foto: Schickle

Am Tag nach den Überschwemmungen ist der Schlamm überall. Anwohner räumen verschlammte Zimmer auf.

 

Wellendingen-Wilflingen - Bilder haben die Kopps schon gesehen. Bilder vom Hochwasser 1987, als der erste Stock ihres Hauses, das damals noch gar nicht ihres war, unter Wasser stand. Jetzt braucht sich die Wellendinger Familie keine Fotos mehr anzuschauen: Sie hat erlebt, wie die Wassermassen ihr Hab und Gut an sich gerissen haben. Seit 2004 lebt die Familie am Ufer der Starzel, am Ortsausgang Richtung Wilflingen. So etwas wie am Montagabend (wir berichteten), als der Regen einfach nicht mehr aufhören wollte, haben sie noch nie gesehen.

1,30 Meter hoch war das Wasser im Erdgeschoss. "Unser Kachelofen stand total unter Wasser", erzählt Oliver Kopp. Küche, Bad, Wohnzimmer: alles kaputt. Das Wasser sei plötzlich von allen Seiten gekommen. Eigentlich sei die Starzel so ein behäbiger Bach, dass man von Neufra bis Wellendingen zu Fuß darin laufen könnte, meint eine Nachbarin der Kopps. Doch die Wassermassen, die nach stundenlangem, sintflutartigem Regen vom Lemberg heruntergekommen sind, sprengten das Bachbett. Irgendwann kam das Wasser nicht mehr unter der Brücke in der Wilflinger Straße durch, staute sich und drängte in alle Richtungen davon. Dazu hat sich auch noch die Wilflinger Straße in einen Fluss verwandelt. Plötzlich war alles überschwemmt.

Wasser ist plötzlich von allen Seiten gekommen

Am Morgen danach haben die Kopps keinen Strom, keine trockenen Kleider mehr für ihre neunjährige Tochter und sind bei Freunden untergekommen. Kreuz und quer liegen in ihrem Haus die Möbel übereinander. Alles ist voll Schlamm, der Geruch nach Heizöl penetrant. Irgendwo muss ein Tank gekippt sein und sich in die Fluten ergossen haben. Noch wartet die Familie auf den Anruf eines Versicherungsgutachters. So lange bleibt alles, wie es ist nach der Katastrophennacht.

Heidrun Winzenried lebt auf der anderen Seite der Brücke, ebenfalls in der Wilflinger Straße. Vor ihrer Haustür türmen sich Sandsäcke, im Hof steht bereits der Hochdruckreiniger. Dreimal hat Winzenried bereits mit ansehen müssen, wie die braune Dreckbrühe von Wilflingen auf Wellendingen zurollt: 1975, 1987 und jetzt. "Die ganze untere Wohnung ist kaputt." Die Mauer an der Starzel, die ihr Grundstück stützt, leidet bei jedem Hochwasser mehr. Ihre Terrasse hinterm Haus wurde unterspült, die Betonplatte ist regelrecht auseinandergebrochen. "Es war verheerend." Aber: "Was willst du machen?", fragt Winzenried. Schließlich steht ihr Elternhaus seit über 100 Jahren an dieser Stelle.

Zwei Kilometer weiter, den Berg hinauf, sieht auf den ersten Blick alles etwas friedlicher aus. Doch das täuscht: Vielleicht hat es in Wilflingen die meisten nicht ganz so schlimm getroffen. Dafür extrem viele. Denn nicht nur ein Bach trat über die Ufer: Die Regenmassen, von Gosheim und dem Lemberg kommend, suchten sich ihre Wege entlang der Hänge. "Da kommt eine Flutwelle aus dem Wald über die Wiesen raus", erklärt Kreisbrandmeister Mario Rumpf. Dagegen würden auch keine Hochwasserschutzmaßnahmen helfen. Was am Montag passierte, bezeichnet er als "eine völlig außergewöhnliche Lage": stundenlange, verheerende Gewitter über dem Lemberg und sintflutartige Regenfälle seien das gewesen. "Das sieht man selten." Der Kreisbrandmeister, der den Feuerwehreinsatz in Wellendingen und Wilflingen am Montagabend geleitet hat, fühlt sich angesichts dessen an die schweren Überschwemmungen im Killertal und in Hechingen vor gut sechs Jahren erinnert. Drei Menschen waren damals ertrunken.

Fluten kommen die Straße heruntergeschossen

Bei den Überschwemmungen in Wilflingen gab es keine menschlichen Opfer, dafür wurde umso mehr zerstört. Dietmar Hermann, der in der Lochstraße wohnt, meldet eine überschwemmte Garage. Im elterlichen Haus nebenan standen Erd- und Untergeschoss unter Wasser. Um 18.13 Uhr haben sich die Schachtdeckel gehoben, davon hat Hermann ein Foto gemacht. 18.32 Uhr drehte er dann einen Film mit seinem Handy. Auf den Aufnahmen wird die Lochstraße "zum Neckar, den es hier gar nicht gibt."

Die Fluten kamen die Straße heruntergeschossen. Bereits in der Nacht ging es ans Aufräumen. Und am Dienstag hat er alles ins Obergeschoss in Sicherheit gebracht, was nicht nass werden soll. Denn für Dienstagabend war weiterer Regen angesagt.

Besonders hart getroffen hat es in Wilflingen die Anwohner der Talstraße. Von einem Moment auf den anderen sind die Wassermaßen von oben heruntergeschossen. Die Straße wurde zum Fluss und setzte Gärten und Häuser unter Wasser. "Ich hab gedacht, ich hab den Neckar vor der Tür", sagt Kaan Kuzey. Anfangs habe er noch gelacht, als das Wasser anstieg. "Jetzt ist es nicht mehr lustig." Die braune Brühe drang nicht durch die Fenster in sein Haus ein, erzählt der 27-Jährige, sondern durch die Abflüsse, Toiletten und Waschbecken im Untergeschoss. In der Waschküche habe es angefangen. Da hat der 27-Jährige noch gedacht, er könne die Fluten stoppen. Bis das Wasser auch in anderen Bereichen eindrang. Da wusste er: "Jetzt haben wir dem Kampf verloren." Gestern ist er mit Familie und Freunden dabei, alles auszuräumen. Das Sofa, das am Vorabend geschwommen ist, die zerstörten Spielekonsolen, die gefluteten Küchensachen, den Schlamm. "Was kann ich daran ändern?", fragt er und macht weiter. Trübsaal blasen bringe nichts.

Info: Hangrutschung

Die Wassermaßen, die über die Hänge vom Lemberg ins Tal schossen, haben auch Erdmassen mit sich gerissen. Die K 5545 zwischen Wilflingen und Gosheim ist gesperrt, blockiert durch Erdmassen ist sie ohnehin, berichtet Gerold Günzer, Leiter des Straßenbauamts. In diese Strecke habe der Landkreis bereits mehrere Millionen Euro investiert, um die Straße zu sichern. Jetzt gab es erneut massive Hangrutschungen und nach der Haarnadelkurve schon wieder Risse im Bankett, erklärt Günzer.

Solche Erdrutsche sind innerorts entlang von Bachläufen zu sehen. Zwischen Wellendingen und Wilflingen, links von der Straße, an der Starzel, gibt es ebenfalls Probleme: "Der Bach frisst gerade unsere Straße auf." Die ganze Böschung sei unterspült, dasselbe befürchtet Gerold Günzer für die Straße. Auch in Wilflingen ist es entlang von Bächen zu Hangrutschen gekommen. Außerdem wurde gestern die Straße zwischen Trichtingen und Leidringen gesperrt, dort besteht ebenfalls Hangrutschungsgefahr.