Die Polizei sperrte das Gebiet um das Haus weiträumig ab. Auch heute ist der Tatort nicht zugänglich. Foto: Palik

Frau des Opfers soll mitangesehen haben, wie der Täter schoss. Nachbarn in Wilflingen berichten von Dauerstreit.

Wellendingen-Wilflingen - "Ich kann nicht glauben, dass er ihn erschossen hat." Er, das ist der türkische Staatsangehörige, der in Wilflingen im Streit seinen deutschen Nachbarn erschossen haben soll. Der Schütze ist geständig.

Am Montagnachmittag griff der 38-jährige Familienvater zu einer Schusswaffe und tötete seinen 43-jährigen Nachbarn, ebenfalls Vater eines kleinen Kindes. Die Menschen, die mitten im beschaulichen Wilflingen, einem Ortsteil von Wellendingen, neben den beiden Familien wohnen, sind schockiert. Sie können noch gar nicht begreifen, was da passiert ist: "Die beiden Männer waren so nett, meine Frau und ich haben uns gut mit ihnen verstanden. Ich hätte nie gedacht, dass er so etwas tun könnte", meint ein Nachbar kopfschüttelnd.

Eine andere Frau hingegen berichtet, es habe seit zwei Jahren regelmäßig Streit zwischen den beiden Männern gegeben. Der 38-Jährige habe seinen deutschen Nachbarn einige Male angezeigt, manchmal sei sogar die Polizei da gewesen. Renovierungsarbeiten seien das Problem gewesen. Zuerst das Dach, später die Hauswände und schließlich der Bau eines Weges zum Haus.

Das bestätigen Staatsanwaltschaft und Polizei. So soll es seit zwei Jahren immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen dem Opfer und dem geständigen Täter gekommen sein. Es ging um die Grundstücksgrenze, Durchfahrtsrechte und Umbaumaßnahmen. Ein Konflikt, der nicht nur zwischen den beiden Männern schwelte, sondern von den Erwachsenen in beiden Familien ausgetragen wurde.

Der Konflikt galt als Normalzustand

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Grundke, berichtet von einem zivilrechtlichen Verfahren, das beim Landgericht anhängig war. Auch habe es eine Strafanzeige gegen den jetzt Getöteten wegen Bedrohungen und verbalen Anfeindungen gegeben. Diese Anzeige habe die Frau des mutmaßlichen Täters gestellt. Das Ermittlungsverfahren sei im April dieses Jahres eingestellt worden, so Grundke. Aus dem Umfeld des Opfers wiederum heißt es, dass es zweimal mit dem Auto bedroht worden sei, einmal habe der türkische Nachbar seinen Kontrahenten angefahren, dieser habe Anzeige erstattet.

Der Konflikt – beinahe ein Normalzustand. So wunderte es am Montag niemanden, als es wieder einmal ziemlich laut, dass heftig gestritten wurde. Dabei, so die Polizei, soll das Opfer den Beschuldigten beleidigt haben.

"Ich war mit meinem Mann am Montagnachmittag draußen und habe sie streiten gehört. Aber das war ja nichts Ungewöhnliches, deshalb sind wir wieder ins Haus", erzählt die Nachbarin. Kurze Zeit später hätten sie drei Schüsse gehört. "Mein Mann rief mir zu: ›Hol die Polizei!‹ und rannte nach draußen, ich ihm ein wenig später hinterher." Durch ein Fenster hätten sie das Opfer blutüberströmt auf dem Boden liegen gesehen.

Die Frage, wie viele Schüsse genau gefallen seien – drei, fünf oder gar acht –, könne noch nicht beantwortet werden, die Untersuchungen dauerten an. Grundke sagt, man könne zumindest mit Sicherheit sagen, es seien weniger als neun. Die hohe Zahl abgegebener Schüsse indes spreche für einen "sehr ausgeprägten Tötungsvorsatz". Der Vorwurf lautet auf Totschlag. Als Waffe wurde eine Sportpistole ausgemacht. Diese habe der 38-Jährige, der in einem Verein aktiv gewesen sei, legal besessen, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Die Staatsanwaltschaft hat einen Haftantrag gestellt, innerhalb von drei Monaten könnte es zur Anklageerhebung kommen, so Grundke.

"Wie kann man den Kindern so was antun?"

Bestürzt sind die Nachbarn auch der Kinder wegen. "Der Tote hatte ein Baby, auch der Schütze hat zwei noch kleine Kinder", erzählen sie. "Wie kann man denen so etwas antun?" Sie berichten, die Frau des 38-Jährigen sei mit den Brüdern ihres Mannes und den Eltern zurückgekommen. Tatsächlich verlassen am Dienstag einige Leute mit Sack und Pack das Haus, in dem der Schütze mit seiner Frau und den beiden Kindern gewohnt hat. Es sieht nicht so aus, als hätten sie vor, so schnell wieder zurückzukehren.

Die Familie des Opfers wird psychologisch betreut. Nach dem bisherigen Kenntnisstand geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die junge Mutter dazukam, als der Streit eskalierte, sie mitansehen musste, wie der Nachbar ihren Mann erschoss. Wo zu diesem Zeitpunkt das kleine Kind war, ist noch nicht geklärt. Später hatte es die Mutter auf dem Arm.

Noch lange werden die Nachbarn der beiden Familien in der Schulstraße mit dem Erlebten zu kämpfen haben. "Ich fühle mich sehr unsicher jetzt. Wenn ein Streit wegen Renovierungsarbeiten schon so ausarten kann, muss man ja überall Angst haben", meint eine Frau. Ein anderer Nachbar ergänzt: "Heutzutage kann man sich nirgends mehr wirklich sicher fühlen."