Bürgerinformation: Weltpolitik erreicht eigenes Haus / 20 Wilflinger und Wellendinger bereit für ehrenamtliches Engagement

Von Andreas Pfannes

"Integration ist ein sehr langer Weg", sagt Bernd Hamann im Wilflinger Bürgerhaus. Die ersten Schritte machen mit dem Sozialdezernenten des Landkreises 140 Bürger aus Wilflingen und Wellendingen bei einer Informationsveranstaltung.

Wellendingen-Wilflingen. Im kommenden Jahr kommen Flüchtlinge ins ehemalige Gasthaus Rössle. Der Landkreis hat das Gebäude ab Januar angemietet. Dann wird auch die Ortschaft am Fuße des Lembergs hautnah mit der Weltpolitik konfrontiert. Kein Wunder also, dass das Interesse der Bürger an den Ausführungen des Fachmanns sehr groß ist. Bernd Hamann kann viel berichten und versuchen, Zusammenhänge zu erklären, aber er kann nicht jede Frage beantworten.  Aufgabe des Landratsamts: Dies ist die Unterbringung der Flüchtlinge im Landkreis. Rechtliche und politische Fragen sind nicht Hamanns Ressort. Die Behörde verfolgt einen dezentralen Ansatz. Die Flüchtlinge sollen auf alle Gemeinden anteilig verteilt werden. Am besten in kleineren Unterkünften. Deshalb wird privater Wohnraum angemietet. Und dies zu einer ortsüblichen Miete plus Zuschlag für intensive Nutzung. Eingedenk der Erfahrungen aus den 90er-Jahren, sagt Bernd Hamann.

Um potentielle Konflikte zu entschärfen, soll die Verhältnismäßigkeit zwischen der Einwohnerzahl eines Ortes und der Anzahl der Flüchtlinge in jedem Ort einigermaßen gewahrt bleiben. Auf Massenunterkünfte wie die Belegung von Sporthallen kann bis jetzt verzichtet werden. Dies gelte mindestens bis Ende Januar, sagt Hamann. Weiterführende Prognosen könne er nach eigener Aussage jedoch nicht treffen.

Derzeit seien im Landkreis etwa 1340 Flüchtlinge – und ein Ende sei nicht in Sicht. Übrigens: Rottweil sei einer der wenigen Landkreise im Ländle, der noch keine Hallen benutzen musste, Ravensburg dafür bereits sieben. Die Tendenz gehe jedoch Richtung immer größere Einheiten.  Anzahl der Flüchtlinge, die nach Wilflingen kommt: Per Gesetz stehe jedem Flüchtling 4,5 Quadratmeter zu, doch in Wilflingen werde großzügiger untergebracht. Für das "Rössle" seien maximal 39 Personen vorgesehen. Dies müsse aber nicht unbedingt sein. Es komme auf die Gebäude- und die Familiensituation an. Wann die Menschen kommen, kann Bernd Hamann nicht sagen. Kalkuliert wird der Zeitraum um den 1. Februar. Nicht gerade am Schmotzigen, bittet ein Bürger. Da sei im Flecken der Teufel los. Hamann hat es aufmerksam registriert.  Lage im Landratsamt: "Wir arbeiten alle im Krisenmodus", habe Ministerpräsident Winfried Kretschmann gesagt. Dies gelte auch für das Landratsamt. Gesucht werde Personal: vor allem Sozialpädagogen und Verwaltungsfachleute. Derzeit gebe es für Sozialassistenten – "Menschen mit dem Herz auf dem rechten Fleck" (Hamann) – viele Aufgaben.  Ehrenamtliches Engagement: Bernd Hamann ist davon "zutiefst beeindruckt". Dieses sei im Landkreis Rottweil im Vergleich zu anderen Landkreises traditionell über Gebühr anzutreffen. Seine Behörde ist froh über die Sprecher der Ehrenamtlichen vor Ort. Sie seien ein wichtiges Bindeglied zum Landratsamt. In Wilflingen tragen sich während des Abends auch gleich 20 Bürger in eine Liste ein. Für Bürgermeister Thomas Albrecht eine "tolle Zahl".

Die Verbindung von dezentralen Unterkünften und dem ehrenamtlichen Engagement sieht der Sozialdezernent als einzigen Grund an, dass es bisher "nur sehr wenige Auffälligkeiten unter den Asylbewerbern" (Stichwort: Straftaten) gegeben habe.  Nationalitäten: Nach einer Statistik von Hamann kommen 42 Prozent der Menschen aus dem Balkan, 23 Prozent aus Syrien, neun Prozent aus Afrika, sieben Prozent aus dem Iran und Irak, sechs Prozent aus Afghanistan. In Wellendingen leben derzeit acht Flüchtlinge, hauptsächlich aus Schwarzafrika und Pakistan. Vier von ihnen trainieren beim Sportclub mit. Integration kann über den Sport erfolgen.  Spendenbereitschaft: Bernd Hamann regt an, die Spenden zu koordinieren. Auf keinen Fall sollen – als Beispiele – Kleidung in blauen Säcken oder unzählige Fahrräder einfach am "Rössle" abgestellt werden.  Leben der Fremdlinge: In der Regel kommen sie mit einem Rucksack an. Ihr mobiles Telefon sei die Verbindung zur Heimat. Sie bekommen in Deutschland eine Erstausstattung und Geld, etwa zehn Prozent weniger als "Hartz IV".

Mit diesem Geld müssen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Dies bedeutet für die künftigen Neulinge in Wilflingen, dass sie zum Beispiel nach Wellendingen zum Einkaufsmarkt gelangen müssen und nach Rottweil zur Kleiderkammer. Eine Arztpraxis ist ja immerhin im Wilflinger Rathaus. Eine ehrenamtliche Sprachvermittlung wird als hilfreich angesehen. Für Kinder beginnt nach drei Monaten die Schulpflicht; es gebe Integrationsklassen.  Ansprechpartner vor Ort: Ist zuerst das Rathaus, sagt der Bürgermeister. Dort kann wiederum den Kontakt zu den Sozialbetreuern des Landratsamts hergestellt werden.  Integration: Diese ist, so Bernd Hamann immer wieder, ein weiter Weg. Ein Bürger findet, dass von den Deutschen Rücksicht auf fremde Kulturen erwartet werde. Doch, so fragt er sich, ob die Flüchtlinge auch geschult werden, wie die Deutschen leben? Und ein anderer Bürger will wissen, was passiere, wenn sich die Flüchtlinge nicht integrieren wollen.

Für Hamann beginnt hier die politische Diskussion, für die er sich nicht zuständig fühlt. Nur so viel: Er sagt, dass das Asylrecht etwas dem Gastrecht widerspreche. Dass Integration ein weiter Weg sei. Und er spricht die Haltung der Deutschen als Christenmenschen an.  Familienzusammenführung: "Wenn es so kommen soll, müssen wir darauf reagieren", antwortet Hamann auf eine entsprechende Frage.  Unstimmigkeiten: Bernd Hamann empfiehlt, die Flüchtlinge so zu sehen, wie andere Menschen auch. Es komme auf das jeweilige Problem an.  Nur junge Männer im "Rössle"?: Die Sorge einer Mutter aus der Nachbarschaft um ihre kleinen Kinder, die Bernd Hamann nachvollziehen kann und ernst nimmt. Jedoch: "Unsere Erfahrungen sind keine schlechten."

Ob jedoch nur junge Männer kommen, weiß an diesem Abend niemand. Gewünscht werden Familien mit kleineren Kindern. Doch diese Wünsche haben viele Gemeinden. Man müsse abwarten, wer im neuen Jahr wirklich eintreffe, meint Thomas Albrecht, und dann das Beste daraus machen.  Mutmacher: Der Bürgermeister weiß, dass es Ängste und Sorgen gebe vor dieser Herausforderung. Dies sei logisch. Deshalb: "Wir schaffen es nur gemeinsam."