Der Schwarze Donnerstag wird vor allem mit den Wasserwerfern der Polizei in Verbindung gebracht. Foto: dpa

Fast wären am Schwarzen Donnerstag in Stuttgart Gegner des Großprojekts Stuttgart 21 von einem Wasserwerfer überrollt worden. Dies berichtete ein Staffelführer der Polizei am Mittwoch vor dem Landgericht Stuttgart.

Fast wären am Schwarzen Donnerstag in Stuttgart Gegner des Großprojekts Stuttgart 21 von einem Wasserwerfer überrollt worden. Dies berichtete ein Staffelführer der Polizei am Mittwoch vor dem Landgericht Stuttgart.

Stuttgart - Mehr als 160 Menschen sind laut Innenministerium beim Polizei-Einsatz gegen Stuttgart-21-Gegner am „Schwarzen Donnerstag“ verletzt worden, manche schwer. Nun ist bekanntgeworden, dass es bei der Räumung des Stuttgarter Schlossgartens für das Bahnprojekt mit Wasserwerfern auch einen Toten hätte geben können. Ein Polizeibeamter schilderte am Mittwoch vor dem Landgericht Stuttgart, wie es am 30. September 2010 beinahe zu einem schweren, wenn nicht sogar tödlichen Unfall gekommen wäre.

Beim Anfahren eines Wasserwerfers zur Räumung des Parks wäre um ein Haar ein S-21-Gegner überfahren worden, der unter das Fahrzeug gekrochen sei, ohne sich um das Risiko zu kümmern. „Ich gehe davon aus, die Person hat das bewusst gemacht, denn hinterher war ein Reifen beschädigt.“ Nur ein aufmerksamer Kollege habe das Schlimmste verhindert und den Wasserwerfer gestoppt, berichtete der Staffelführer, der den Einsatz der Wasserwerfer koordiniert hatte.

„Ohne Sicherungskräfte fahren wir keinen Meter mehr“, sei der Polizeiführung anschließend mitgeteilt worden. Erst auf diese Forderung hin seien die entsprechenden Kollegen freigestellt worden, um die Bewegungsfreiheit der schweren Fahrzeuge zu gewährleisten, erläuterte der Polizeihauptkommissar als Zeuge in dem Verfahren gegen zwei Polizeiführer, die sich seit Juni wegen möglicher fahrlässiger Körperverletzung beim Einsatz im Schlossgarten verantworten.

Der 44-jährige Zeuge hatte wegen fahrlässiger Körperverletzung im Dienst einen Strafbefehl von sieben Monaten auf Bewährung erhalten. Denn er hatte nach Auffassung des Amtsgerichts Stuttgart nicht verhindert, dass Wasserstrahlen so geführt wurden, dass diese acht S-21-Gegner am Kopf verletzten.

Auf Personen sei nicht gezielt geschossen worden

Der Mann hatte vor seiner Aussage auf ein Auskunftsverweigerungsrecht gepocht, das ihm das Landgericht aber nicht zugestand. Für die Befürchtung, dass er durch seine Äußerungen eine weitere Ahndung möglicher Delikte auslösen könne, sah die 18. Kammer keinen Anlass. Der Strafbefehl sei so umfassend, dass dies nicht mehr zu erwarten sei. Die beiden angeklagten Polizeiführer hatten von vornherein kundgetan, dass sie einen Strafbefehl nicht akzeptieren würden und damit die Anklage ausgelöst.

Der Zeuge berichtete auch, dass in den Wasserwerfern Reizstoff für den Notfall mitgenommen, aber nicht eingesetzt worden sei. Dass S-21-Gegner das Gegenteil behauptet hätten, liege daran, dass der Wassernebel und das neben Schlagstöcken ebenfalls eingesetzte Pfefferspray sich vermischt hätten. „Aber mit uns, den Wasserwerfern, hat das nichts zu tun“, versicherte er. Nach seinen Angaben hatte er keine konkreten Anweisungen über die Stärke der einzusetzenden Wasserwerfer-Strahlen. Einer der beiden Angeklagten habe lediglich die generelle Order gegeben: „Jetzt macht sie mal nass.“ Auf Personen sei nicht gezielt worden.

Auch habe er nicht erfahren, dass eine Schülerdemonstration gegen das Bahnprojekt für den Morgen des 30. Septembers angemeldet worden war. Die Schüler hatten versucht, die Polizei am Aufstellen von Gittern zum Schutz des S-21-Grundwassermanagements zu hindern. Aufgabe der Wasserwerfer war es laut Aussagen des Zeugen, das Errichten der Gitter zu ermöglichen.

Der Staffelführer betonte, er habe erst am Morgen nach dem Einsatz von den Schwerverletzten erfahren. Er habe bei der Lektüre der Zeitung gedacht: „Ich habe einen anderen Einsatz erlebt.“

Der Anwalt Frank-Ulrich Mann, der den durch Wasserstrahlen fast erblindeten Dietrich Wagner als Nebenkläger vertritt, betonte, der Staffelführer hätte die Wirkung der Wasserwerfer beobachten und erkennen müssen, dass Köpfe von Bürgern gefährlich getroffen wurden. „Er hätte das stoppen müssen.“