Eine Taserwaffe verschießt Drähte mit Widerhaken, über die elektrische Impulse übertragen werden können. Foto: dpa

Mehrere Länder erproben den Elektroschocker, auch Taser genannt, im Streifendienst. Doch Baden-Württemberg beschränkt den Einsatz auf das Spezialeinsatzkommando.

Stuttgart - Baden-Württembergs Streifenpolizisten werden im Unterschied zu ihren Kollegen in mehreren anderen Ländern auch weiterhin keine Elektroschockpistolen zur Verfügung haben. Innenminister Thomas Strobl spricht sich gegen die flächendeckende Ausrüstung der Polizei mit sogenannten Tasern aus. Die Erfahrungen des Spezialeinsatzkommandos, das Distanz-Elektroimpulswaffen bereits seit zehn Jahren in Gebrauch hat, würden allerdings fortlaufend verfolgt, teilte der CDU-Politiker jetzt dem AfD-Abgeordneten Lars Patrick Berg mit.

Berg hält dies für einen Fehler und fordert, zumindest in Kriminalitätsschwerpunkten wie Stuttgart, Freiburg oder Mannheim Erfahrungen mit der Waffe zu sammeln: „Es besteht Bedarf, denn der Taser kann die Lücke zwischen Schlagstock und Handfeuerwaffe schließen und so das Risiko für tödliche Schussverletzungen bei einem Angreifer senken“, sagte der Tuttlinger Abgeordnete gegenüber unserer Zeitung. Der flächendeckende Einsatz könnte in vielen Fällen dazu führen, dass Polizisten nicht vor die Wahl gestellt würden, entweder mit der Dienstpistole zu schießen oder selbst zum Opfer eines Angreifers zu werden.

Die Pfalz testet den Taser

Ähnliche argumentieren Vertreter der Polizeigewerkschaften. So erklärte jüngst der Landesvorsitzende der „Jungen Polizei“, Michael Haug: „Und jetzt haben wir einen Angreifer, der mit dem Messer dasteht. Da haben wir oft gar keine andere Möglichkeit, als auf diese Person zu schießen, weil es zu gefährlich ist, mit einem Schlagstock auf eine Person mit einem Messer zuzugehen.“ Mit einem Taser lassen sich dünne und unter elektrische Spannung gesetzte Drähte auf eine kurze Distanz verschießen, um einen Angreifer außer Gefecht zu setzen.

Berg verweist auf die aktuellen Versuche mit dem Taser bei der Streifenpolizei in mehreren Bundesländern. So hat der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) vor wenigen Tagen angekündigt, die Distanz-Elektroimpulsgeräte im Wechselschichtdienst der Polizeiinspektion Trier zu erproben. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet, eine erste Zwischenbilanz ist für Herbst 2017 vorgesehen. Auch die Berliner Polizei ist in zwei Bezirken mit Elektroschockern unterwegs. Für einen Testlauf seien 20 Polizisten von zwei Abschnitten in den Bezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg mit Tasern ausgerüstet worden, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD).

Das SEK hat damit Erfahrung

Diesen Beispielen will Strobl jedoch nicht folgen. Im Südwesten soll der Einsatz ausschließlich dem Spezialeinsatzkommando vorbehalten bleiben, denn dessen Kräfte seien „im Taser-Einsatz besonders geschult“, wie es im Innenministerium heißt. Eine pauschale Aussage, wann ein Taser der Schusswaffe vorzuziehen sei, sei ohnehin nicht möglich, denn der Einsatz hänge immer vom konkreten Einzelfall ab. Über Details will sich der Innenminister „aus einsatztaktischen Gründen“ nicht auslassen, wie er Berg gegenüber mitteilt. Er verrät nur, dass das Spezialeinsatzkommando den Taser seit der Zulassung im Frühjahr 2007 insgesamt in 29 Fällen angewandt hat. Das Distanz-Elektroimpulsgerät entbinde den Polizisten nicht von der Pflicht, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die „einfache körperliche Gewalt“, ein bestimmtes Hilfsmittel oder aber eine bestimmte Waffe das angemessene Mittel darstelle, führte der Innenminister aus.

Sein Mainzer Kollege Lewentz verspricht sich vom Taser hingegen klare Vorteile. Auch wenn das Elektroimpulsgerät rechtlich als Waffe eingestuft sei, könne es „im Einzelfall weniger gravierende Verletzungen“ hervorrufen, erklärte der SPD-Politiker beim Start des Pilotprojekts vor wenigen Tagen. Möglicherweise könne sogar der Tod eines Menschen verhindert werden. Lewentz: „Unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sind dadurch nicht nur in der Lage, bestimmte Einsatzlagen mit weniger gravierenden Folgen für das polizeiliche Gegenüber zu lösen. Sie können auch ihre eigene Gesundheit und körperliche Unversehrtheit effektiv schützen, wenn sie von körperlich überlegenen oder unter Alkohol- und Drogeneinfluss stehenden Personen angegriffen werden.“

Rechtsgrundlage notwendig

Ob der Berliner Versuch weitergeführt wird, ist allerdings fraglich, denn es ist umstritten, ob das Bundesland dafür eine tragfähige Rechtsgrundlage besitzt. Die Zweifel waren aufgekommen, nachdem der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags den Taser-Einsatz für die Bundespolizei Ende Februar als unzulässig bewertet hatte, da dafür das nötige Gesetz fehle. Da es sich um einen „Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit“ handle, sei eine gesetzliche Regelung grundsätzlich notwendig. Auch dann, wenn die Waffe nur getestet werden soll. In Berlin gibt es dafür, anders als in anderen Bundesländern, lediglich eine von der Innenverwaltung erlassene Ausführungsvorschrift.

Das Stuttgarter Innenministerium beruft sich auf die Paragrafen 49 bis 52 des baden-württembergischen Polizeigesetzes. Danach bestimmt das Innenministerium, „welche Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und welche Waffen im Polizeidienst zu verwenden sind“ (§ 50). Dass es sich beim Taser um eine Waffe, wenn auch um keine Schusswaffe handelt, sei in der Literatur unbestritten.