Die Stricknadel läuft: In der warmen Stube des BürgerTreffs kommen jetzt Frauen zu "Strick & Literatur" zusammen. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Literatur liegt in Waldachtal im Trend und Stricken feiert eine Renaissance / Neuanfang im BürgerTreff Tumlingen

Von Walter Maier

Waldachtal-Tumlingen. Strick & Literatur-Premiere: Der BürgerTreff Tumlingen strickt eine neue Masche. Etliche Frauen fanden sich in der Schenke & Mehr ein, die inzwischen sehr wohnlich eingerichtet ist. Literatur ist wieder ein Trend und Stricken feiert Renaissance.

In der gemütlichen Stube las Ideengeberin Margot Kirschenmann aus klassischen Werken.

In ihrer Einführung fragte sie: "Warum ›Strick und Literatur‹?" – Antwort: "Es ist eine Rückbesinnung auf die alte Tradition des Vorlesens. Wenn man heute Kontakte pflegt, dann funktioniert dies über das Smartphone, WhatsApp, Facebook, Twitter oder das Internet. In Mausklick-Geschwindigkeit sind wir darüber informiert, wie’s den anderen geht und was angesagt ist. Wirklich? Ist Information alles? Oder brauchen wir mehr?"

"Es ist ein köstlicher Zeitvertreib, Geschichten zu lesen"

Hierzu zitierte sie passende Gedanken vom K.C. Iversen Buch-Cover "Tierisch ernst – menschlich heiter – Geschichten zum Vorlesen": "Es ist ein köstlicher Zeitvertreib, Geschichten zu lesen, oder – noch besser – sie vorgelesen zu bekommen. In der heutigen schnelllebigen Zeit gibt es kaum noch Muse und Zeit zum Lesen und erst recht nicht zum Vorlesen. Das ist sehr betrüblich. Woran kann das liegen? Offenkundig gibt es zu wenig Vorleser und Erzähler, aber es liegt auch daran, dass es immer weniger Zuhörer gibt. Die modernen Unterhaltungsmedien sind bequem und verführerisch und werden bis zum Abheben vermarktet. Schön wäre es, wenn den Ohren außer High-Tech-Lärm auch noch etwas anderes geboten würde: Geschichten, Märchen, Gedichte von einer menschlichen Stimme vorgetragen."

Damit nun die Zuhörer im BürgerTreff nicht bloß rumsitzen, eignet sich nichts besser, als das Handarbeiten oder das Stricken nebenbei zu betreiben. Somit wäre auch dem schwäbischen Leitsatz entsprochen, dass ja keine Zeit vergeudet wird.

Klassisch begann Margot Kirschenmann mit deutschen Balladen. In der Schule gefürchtet und vielleicht sogar gehasst – heute geheimnisvoll, spannend, überraschend lebensnah: "Ribbeck von Ribbeck auf Havelland" von Theodor Fontane oder etwas über die Entstehung von Schillers Glocke. Sie amüsierte mit einer Heinz Erhart-Version über "Die Glocke" und erheiterte mit "Der Taucher". Außerdem rezitierte sie ihr Lieblingsstück aus Goethes Balladenbuch "Der Zauberlehrling", einer etwas ernsthafteren, mit "Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los". Folgen ließ sie den "Erlkönig" von Goethe, den "Feuerreiter" von Eduard Mörike und "John Maynard" von Theodor Fontane. Falsch verstandene Liedtexte, witzig von Kirschenmann interpretiert, ließen die Strickerfrauen schmunzeln.

Dem Schluss-Segen gleich kam die letzte Strophe des Matthias Claudius Abendliedes: "Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar. Der Wald steht schwarz und schweiget und aus den Wiesen steiget der weiße Neger Wumbaba." Margot Kirschenmann weiter: "So legt Euch denn ihr Brüder in Gottes Namen nieder, kalt ist der Abendhauch. Verschon uns Gott mit Strafen und lass uns ruhig schlafen und unsren kranken Nachbarn auch. Gute Nacht!" Margot Kirschenmann meinte: "Sie werden diese Liedstrophe nie mehr ernsthaft und richtig singen können."

Man wird hören, was die Tumlinger Handarbeiterinnen sagen zu der Studie einer Uni, die besagt, dass Leute, die Stricken einen wacheren Geist haben und eine bessere Aufnahmefähigkeit. Nichts für ängstliche Gemüter ist der nächste Abend "Strick & Literatur" am Donnerstag, 29. Januar, um 19 Uhr im BürgerTreff: Ein Krimi-Abend mit knisternder Spannung. Und beim dritten Treffen am 5. Februar wird die Frage beantwortet: Was liest man gerade in der Hauptstadt?