Katharina Wöhler, die in Tumlingen in den 1950er-Jahren eine zweite Heimat gefunden hatte, wandert nach Kanada aus. Foto: Maier

Jahrgang 1938 verabschiedet Katharina Wöhler, die nach Kanada auswandert. Konfirmator Christoph Scheytt als Überraschungsgast.

Waldachtal-Tumlingen - Katharina Wöhler, geborene Wink, wandert nach Kanada aus: Aus diesem Anlass traf sich in Tumlingen der Jahrgang 1938 beim BürgerTreff. Die 76-jährige wohnte in den 1950er Jahre im Dachgeschoss des alten Schulhauses im Rötweg. Just an diesem Ort nahmen ihre Schulkameraden Abschied von der Donauschwäbin, die früher aus Ungarn vertrieben wurde.

So schrieb das Jahrgangstreffen 2014 ein Stück Heimatgeschichte. Ehemalige Schulkameraden und Konfirmanden aus Tumlingen, Hörschweiler, Oberwaldach und Cresbach gaben sich ein Stelldichein. Überraschend gab es ein freudiges Wiedersehen mit dem Konfirmator von 1952, Pfarrer i.R. Christoph Scheytt, Esslingen.

Organisiert wurde das Treffen von dem Tumlinger Erwin Kirschenmann (76), der es als "inneren Auftrag" ansieht, die Kameradschaft zusammen zu halten. So organisierte er schon die Goldene Konfirmation im Jahr 2002, die Diamantene Konfirmation im Jahr 2012 und die 70er-Feier. Zum jüngsten Treffen kamen zwölf Jahrgänger.

Das alte Schulhaus war nach der Vetreibung aus Ungarn ihre Heimat

Aufmerksame Gastgeber waren der Förderverein BürgerTreff und "Die schaffigen Rentner", die Flammkuchen aus dem Holzbackofen servierten. Für Katharina Wöhler gab es ein Wiedersehen mit ihren Schulkameraden auf dem Stückchen Erde, wo sie im alten Schulhaus in Tumlingen nach der Vertreibung aus Ungarn von 1950 bis 1955 eine zweite Heimat gefunden hat, bevor sie mit Familie nach Aichwald-Schanbach in den Kreis Esslingen zog.

1948 wurde sie mit ihrer Familie aus Ungarn ausgewiesen und kam mit dem Viehwagen in Biberach im Lager an. Ihre Vorfahren, die aus Baden-Württemberg kommen, waren schon zu Luthers Zeiten nach Ungarn ausgewandert. Sie erinnert sich, dass ihre Großeltern von einer "deutschen Ortschaft" im Pusztaland in die USA gezogen sind und wieder nach Ungarn zurückkamen.

1982 sind ihre Kinder nach Kitchener (früher: Alt-Berlin) bei Toronto ausgewandert. In diesem Ort lebten früher fast ausschließlich Deutsche. Heute noch gibt es dort ein schönes Oktoberfest. "Fast wie in München", meinte die Auswanderin, die im September 2014 dorthin zu ihrer Familie ziehen möchte. Heute noch hat Katharina Wöhler Verwandtschaft in Tumlingen mit den Namen Frick, Kalkofen und Stickel.

"Unfassbar, dass die Tumlinger mich nicht vergessen haben", sagte ein gut gelaunter Pfarrer i.R. Christoph Scheytt. Der 85-Jährige erinnerte sich gern an das Jahr 1952, als er während seiner nur halbjährigen Vikariatszeit als 23-Jähriger die 14-Jährigen konfirmiert hat. "Es war die erste Konfirmation meines Lebens." Gern rief er seine erste Begegnung mit dem Waldachtaler Ehrenbürger und Unternehmer Professor Artur Fischer ins Gedächtnis, der ihn damals zu sich eingeladen hatte, um sich über seine "gute Predigt" zu unterhalten.

Ansonsten habe er anfangs der 1950er Jahre in Tumlingen ein spärlich ausgestattetes Pfarrhaus angetroffen mit Glühbirnen statt Lampen und mit einem Spültisch in der Küche als einzige Wasserstelle im Haus. Gefreut hat sich Pfarrer Scheytt, dass ihn die Waldachtaler 2012 als ehemaligen Konfirmator in Esslingen besucht hatten. Sehr wohl fühlte sich Christoph Scheytt jetzt beim Wiedersehen in Tumlingen.

Den Teilnehmern des jüngsten Treffens gab Waldachtals junger Pfarrer Markus Arnold (34) geistliche Worte mit auf den Weg. So sei das alte Schulhaus "nebenan" ein Stück Heimat, mit dem sich viele Erinnerungen verbinden – schöne und weniger schöne. Zum Wesen von Christen gehöre, unterwegs zu sein und auch zu neuen Ufern aufzubrechen. Denn: "Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die Zukünftige suchen wir! Die Heimat, die Christen in Aussicht haben, wird dann sein, wenn wir bei unserem Herrn, Jesus Christus, sind." Auch wenn man auseinander gehe, sei man in Jesus verbunden. "Das gibt Halt, Gemeinschaft, Zukunft. An allen Orten dieser Erde." So gesehen bleibt auch die Verbindung zur Tumlinger Auswanderin bestehen.