Perspektive für die Zukunft: Annkathrin und Janine Nestle sind 2012 in den Familienbetrieb des Vaters eingestiegen. Foto: Müssigmann Foto: Schwarzwälder-Bote

Wirtschaft: Unternehmerinnen im Landkreis / Zwillinge führen mit Vater Fensterbaufirma in Waldachtal

Die 29-jährigen Zwillinge Annkathrin und Janine Nestle stehen als erste Frauen in 400 Jahren Firmengeschichte an der Spitze der Waldachtaler Fensterbaufirma Nestle. Dass sie das Unternehmen fortführen wollen, war für sie schon lange klar.

Waldachtal. Die heutigen Chefinnen haben bewusst klein angefangen und ihren Beruf von der Pike auf gelernt. Nach ihren Ausbildungen in anderen Unternehmen – Janine Nestle hat Versicherungskauffrau gelernt, Annkathrin Nestle Groß- und Außenhandelskauffrau – haben sie die Glaserausbildung im väterlichen Betrieb gemacht. "Wir waren Azubis unter Azubis, haben unsere Berufs-Ausbildung zum Fensterbauer an der Berufsschule in Karlsruhe absolviert", sagt Annkathrin Nestle. Die zwei haben Ahnung vom Handwerk und sind 2012 nach der schulischen Weiterbildung zu Betriebswirtinnen als Geschäftsführerinnen eingestiegen. Inhaber und ebenfalls Geschäftsführer ist weiterhin der Vater Jürgen Nestle.

Ein etwas anderer Blick auf die Produkte

Was muss man als Frau mitbringen, wenn man an der Spitze eines Unternehmens stehen will? "Organisationstalent. Man muss strukturiert sein und eine klare Linie verfolgen", sagt Annkathrin Nestle. "Man muss Nein sagen können, auch mal hart sein", fügt ihre Schwester hinzu. Trotz der Härte müsse man einfühlsam bleiben. "Jeder Mitarbeiter hat Probleme und bringt sie mit zur Arbeit", so Annkathrin Nestle. "Frauen haben in diesem Bereich oftmals die besseren Antennen." Die beiden haben fürs Betriebsklima einiges getan: Sie haben kostenloses Obst und Wasser für Mitarbeiter eingeführt, bieten inzwischen warmes Mittagessen an und haben ein schwarzes Brett eingeführt, um die inzwischen 60 Mitarbeiter immer auf dem Laufenden zu halten. Auch auf die Produkte haben sie einen anderen Blick als die männlichen Kollegen. "Wir schauen auch darauf: Wie gut kann man Fenster und Türen öffnen, lüften oder putzen?", sagt Janine Nestle. "Darüber denkt kein Mann nach." Jetzt, wo der demografische Wandel zuschlägt, kann die Wirtschaft nicht mehr auf Frauen verzichten. Auch "Ewiggestrige" seien nun dazu gezwungen, die Leistungsfähigkeit von Frauen wertzuschätzen, finden die beiden. "Es ist ein Fortschritt, dass es nicht mehr dieses spießige Denken gibt, dass die Frau daheim an den Herd gehört", findet Janine Nestle. Sie würde sich freuen, wenn unter den Vertretern, mit denen sie viel zu tun hat, auch mal eine Frau begrüßen könnte. Der Anteil der Frauen in Führungspositionen müsse weiter steigen. Auch in Handwerksbetrieben soll ihrer Meinung nach der Frauenanteil nach oben gehen. "Die Mischung tut allen gut", betont Annkathrin Nestle. "Männer werden hilfsbereiter, Frauen sind bei auftretenden Problemen oder im Personal- oder Kunden-Kontakt einfühlsamer."

Die beiden haben eine Bildungspartnerschaft mit Schulen geschlossen. Durch Besuche dort versuchen sie, Auszubildende zu finden. Jungen, aber auch Mädchen versuchen sie für eine Ausbildung in ihrem Berufsbild und ihrer Firma zu begeistern. Bislang konnten sie eine Praktikantin gewinnen.

Für die beiden war der eigenen Weg schon früh klar, wie sie sagen. Einen Zwang, ins Familienunternehmen einzusteigen, habe es nie gegeben: "Wir wollten das machen." In ihrer Arbeitszeiteinteilung sind sie freier als mancher Arbeitnehmer. Aber der Erfolgsdruck ist groß. Immerhin sind sie für 60 Mitarbeiter verantwortlich. Bisher haben die beiden nur wirtschaftlich gute Phasen im Unternehmen erlebt. Die Baubranche boomt, davon profitiert die Firma derzeit. Die Chefinnen wollen aber auch weiterhin auf Wachstumskurs bleiben.

Die Firma machte zuletzt einen Jahresumsatz von rund sechs Millionen Euro, und sie wächst weiter. Demnächst wird ein Neubau für die Produktion in Hörschweiler begonnen.

Weitere Informationen: "Frauen in Führung" heißt eine Ausstellung über Unternehmerinnen aus der Region, die bis 31. März im Bürgerkulturhaus Horb, Marktplatz 4, zu sehen ist. Wir stellen die Frauen aus dem Landkreis vor.