Sie leben den Augenblick: Mutter Sandra, Schwester Merle, Vater Jürgen Geiger und Sohn Yves. Am heutigen Silvestertag will die Familie eine Fackelwanderung unternehmen. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Schwerstkrankes Kind Yves Geiger wird von seiner Familie rührend umsorgt / Fackelwanderung am Silvestertag

Von Walter Maier

Waldachtal-Lützenhardt. Yves macht Fortschritte. Das ist die gute Nachricht in der Familie Geiger, die mit ihrem schwerstkranken Sohn ein Schicksal zu tragen hat. Der Sechsjährige, von Geburt an mit einem Hydrocephalus (Wasserkopf, Gehirnwassersucht) gehandicapt, lebt heute mit dem apallischen Syndrom eines Wachkoma-Patienten.

Ärzte sind erstaunt, wie manche Reflexe wiederkommen. Sie sprechen von einer Entwicklung, die an Wunder grenzt. Aus medizinischer Sicht sind die Chancen auf eine grundlegende Besserung wegen der Verletzung im Stammhirn sehr gering, aber die Familie Geiger gibt die Hoffnung nicht auf. Ihre Zuversicht und ihr Einsatz geben ihr Recht.

"Wir durchleben Himmel und Hölle", beschreibt der 50-jährige Vater Jürgen Geiger in Lützenhardt die Achterbahnfahrt. "Aber wir wollen Lachen und den Spaß am Leben nicht verlieren." Die 37-jährige Mutter Sandra ergänzt: "Wir lassen Emotionen zu. Wir weinen auch mal." Die gutmütige Mischlings-Hündin Roxy ist der ruhende Pol in der Familie und ein absoluter Glücksfall. Sie gibt Yves Ruhe und Gelassenheit. Sie legt sich zu dem schwerstkranken Jungen sogar ins Bett. Roxy verfügt über den siebten Sinn. Sie schlafen miteinander. Die Hündin zieht ihm auch die Socken aus und schleckt ihm die Hand. Ein toller Therapiehund. Auch Kater "Gauner" strolcht durch die Wohnung.

Wie hat die Familie Geiger mit ihrem schwerstkranken Kind den Heiligen Abend und Weihnachten verbracht? Antwort: "Wie jede andere Familie. Wir waren froh, wieder zu Hause feiern zu dürfen." In einem Kuschelbett neben dem Christbaum freuten sich beim familiären Miteinander alle auf die Geschenke. Yves bekam vom "Christkind" einen Brummelbär, der Geschichten erzählen und singen kann. Hinzu kamen weitere Präsente von Paten sowie von Opa und Oma. Dabei war die vierjährige Tochter Merle vor Weihnachten noch krank und Vater Jürgen steckte in Klausuren bei seiner Ausbildung zum Altenpfleger.

Und wie erleben die Geigers den Jahreswechsel? Die Eltern freuen sich auf den heutigen Silvestertag: "Wir unternehmen eine Fackelwanderung in unserem schönen Waldachtal und dann kochen wir zu Hause was Feines." Die vierjährige Tochter Merle hat angekündigt, dass sie wach bleiben will, um das Feuerwerk nicht zu verpassen. Was erwartet die Familie vom neuen Jahr? "Wir wollen weg von der Chemie!"

Für Yves möchten sie mehr Alternativ- und Natur-Medizin probieren. In der Filderklinik haben sie Zugang zu einem Arzt, einem Epilepsie-Spezialisten, der anthroposophisch und homöopathisch arbeitet. Ein gutes Vertrauensverhältnis haben sie zu Heilpraktikerin Cornelia Schneider, Freudenstadt, und dort ein gutes Mittel gegen Krämpfe bekommen, das besser als Antibiotika sei. So wollen sie mit Yves weiter kleine Schritte gehen.

Der neue VW-Bus ist ein Segen für die Familie Geiger. Waldachtal half mit einer Benefizaktion. Inklusive der Aufstockungen durch den Waldachtaler Unternehmer Professor Klaus Fischer und Rolf Heinzelmann von der AHG Horb hatten sich 32 000 Euro auf dem Spendenkonto angesammelt. Für rund 38 000 Euro konnte sich die bedürftige Familie dann ein geeignetes Fahrzeug anschaffen. Danke sagen die Geigers dem früheren Bürgermeister Heinz Hornberger für seine Initiative. "Dadurch können wir am normalen Leben teilnehmen und auch mit Yves einkaufen gehen." Urlaubsreisen mit ihrem gehandicapten Sohn sind jetzt möglich.

Wie andere Familien urlaubten sie im Bayrischen Wald, hatten Spaß im Barfuß-Park Hallwangen oder auf der Riesenrutsche im Poppeltal. "Das Trampolin ist für Yves Superklasse", bekräftigt Mutter Sandra, die früher als Erzieherin arbeitete. Sie träumen auch von einem Leben als Hoteltester für Urlauber mit Behinderung. Für sie ist es wichtig, mal aus dem Alltagstrott herauszukommen.

Täglich muss Yves mehrmals umgelagert, gewickelt, gewaschen, abgesaugt, inhaliert und medikamentös versorgt werden. Vier Mal am Tag nimmt er via PEG-Magensonde flüssige Sonderkost-Nahrung zu sich. Jede Nacht wird er vom Sterntaler Kinder-Pflegedienst Pfalzgrafenweiler betreut, da eine 24 Stunden-Pflege allein durch die Familie nicht machbar wäre. Vier Stunden am Tag besucht der Sechsjährige den Kindergarten in der Eichenäcker-Schule Dornstetten, wo auch eine Fachkraft vom Pflegedienst dabei ist. Die intensive Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie bei der Reha-Maßnahme im Hegau Jugendwerk Gailingen brachte Fortschritte im Schlucken und beim Husten-Reflex. Yves zeigt Gefühlsregungen, lächelt manchmal und empfindet Freude an der Musik. Vater Jürgen, der ausgebildete Schreiner und Industriekaufmann, meint: "Die Software ist nicht mehr gelaufen. Wir haben noch viel vor." Die Physioarbeit von Barbara Scherrmann von "Intermedtris" Altheim wirkt sich günstig aus. Ärger dagegen gibt es mit der Krankenkasse, wenn zu Anträgen auf Stehständer oder Schwimmweste lange Zeit überhaupt keine Antwort kommt.

Bewundernswert tapfer und motiviert meistern Jürgen und Sandra Geiger, was ihnen aufgetragen ist. Sie sorgen sich rührend um ihren Sohn. Sie leben den Augenblick aus dem Herzen, ganz nach dem Wandspruch in ihrem Wohnzimmer, der zu ihnen passt: "Das Gestern ist Geschichte, das Morgen ist ein Rätsel, das Heute ist ein Geschenk."

Für Spenden ist die Familie Geiger immer dankbar, um Aufwendungen für die Naturmedizin, Hilfsmittel und Stromkosten der Geräte ausgleichen zu können. Ein Spendenkonto ist eingerichtet beim Hilfsverein "Von Mensch zu Mensch, von mir zu dir", Empfingen, mit dem Verwendungszweck "Yves Geiger". Der Verein mit seinem Vorsitzenden Edgar Schwind hilft da, wo die Leistungen der Krankenkasse aufhören.