Die Gemeinde Waldachtal lud zu einer Informationsveranstaltung ins Haus des Gastes ein. Die Bürger sollten über die näheren Umstände zur Belegung des Sattelacker Hofs mit Flüchtlingen informiert werden. Foto: Wagner Foto: Wagner

Rückert rechnet mit großem Flüchtlingsansturm. Landkreis sucht verzweifelt nach Unterkünften.

Waldachtal - Eine Informationsveranstaltung der Gemeinde bezüglich der unmittelbar bevorstehenden Unterbringung von rund 120 Flüchtlingen im Sattelacker Hof hat im Haus des Gastes in Lützenhardt stattgefunden.

Zu diesem Termin waren neben Landrat Klaus Michael Rückert auch sein Kreis-Sozialamtsleiter Robert Bernhauser sowie der Käufer des Sattelacker Hofs, Abraham Bulun aus Singen, erschienen. Dass die Belegung des ehemaligen Hotels mit den erwarteten Flüchtlingen am vergangenen Donnerstag nicht funktionierte, war einem Eil-Einspruchsverfahren an das Verwaltungsgericht geschuldet. Auch der Gemeinderat befasste sich in einer öffentlichen Sondersitzung nach der Info-Veranstaltung mit diesem Thema (siehe Artikel oben).

Rückert, der sich mit seinen Mitarbeitern des Landratsamts Freudenstadt (Sozialamt) derzeit um die vom Land zugeteilten Flüchtlinge kümmern muss, steht vor großen Aufgaben. "Das Thema beschäftigt uns alle gleichermaßen", sagte er eingangs der Veranstaltung. "Allgemein kann ich sagen: Wir stehen vor einer Flüchtlingswelle unbekannten Ausmaßes und damit vor riesengroßen Herausforderungen."

Rückert: Wir stehen vor einer Flüchtlingswelle

In der Tat suche der Landkreis derzeit verzweifelt nach Unterkünften, um die Flüchtlinge unterzubringen. Dabei betonte er wie auch Bernhauser unisono, dass die derzeit angemieteten Objekte nicht einmal den Bedarf einer Woche abdecken könnten. Bisher sei es zwar gelungen, die Belegung von Turnhallen mit Flüchtlingen zu vermeiden, doch konnten beide Beamte nicht ausschließen, irgendwann auf Hallen zugreifen zu müssen. Dass nun der Bezug von 120 Flüchtlingen im Sattelacker Hof durch das Verwaltungsgericht bis zu dessen endgültiger Entscheidung versagt worden ist, bringt den Landkreis in zusätzliche Not. "Dabei haben sich ihre Bürgermeisterin und wir uns arg ins Zeug gelegt, dass man uns Familien zuteilt und keine alleinstehenden jungen Männer." Diese Familien durften nun gestern nicht einziehen.

Landkreis sucht verzweifelt nach Unterkünften

"Der Ansturm der Flüchtlinge wird auf hohem Niveau bleiben", schätzt Rückert die weitere Lage ein. "Im Januar sind rund 1000 Menschen in Württemberg angekommen, die das Land an die Kommunen und Landkreise verteilen muss", sagte er.

Auch der Landkreis Freudenstadt habe dabei eine hohe Quote zu erfüllen – gegen die Zuteilung und Anzahl der Flüchtlinge sei man machtlos. Deshalb bestätigte Rückert auch auf Anfrage aus der Bürgerschaft, dass der Landkreis den Sattelacker Hof auf einen Zeitraum von zehn Jahren gemietet habe. "Wir sind am Rande unserer Aufnahmemöglichkeiten und haben fest mit der Belegung des Sattelacker Hofs gerechnet."

Tatsächlich müssen die Mitarbeiter des Sozialamts um Bernhauser derzeit gewaltige Aufgaben stemmen und dabei auch oft über die eigenen Kräfte gehen. "Ich habe diese Aufgabe nicht bestellt", sagte Rückert deshalb und warb um Verständnis und Toleranz bei den Bürgern. "Ich bin meinem Amtseid verpflichtet und stelle mich meinen Aufgaben – so schwer sie auch sind."

Eine große Anzahl der anwesenden Bürger drückten ihre Sorgen aus. Dabei ging es auch um die Nähe des Sattelacker Hofs zu der Mutter-Kind-Klinik im Zauberwald, um den nahegelegenen Spielplatz im Wohngebiet sowie "rein um die massive" Anzahl der Flüchtlinge, die im ehemaligen Hotel untergebracht werden sollten.

Viele der Bürger waren zwar sichtlich erleichtert, dass die Belegung am Donnerstag durch das Gericht verhindert wurde, doch der Ausgang des Verfahrens ist offen. Bernhauser versicherte in diesem Zusammenhang noch einmal, dass es derzeit keinerlei relevante Problemfälle unter den Flüchtlingen gebe. Auch für den Sattelacker Hof gab es ein Konzept des Sozialamts: Um den sozialen Frieden dort zu gewährleisten, sei ein Sozialbetreuer sowie ein Hausmeister und ein Hausverwalter (in normaler Arbeitszeit) eingeplant. Zusätzlich werde das Haus mit jeweils zwei Personen einer Sicherheitsfirma rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr bewacht, um bei Problemen sofort eingreifen zu können.

Die Asylkreise mit ihren ehrenamtlichen Helfern würden zudem außerordentlich wichtige Arbeit leisten und so die Aufgaben des Landkreises enorm erleichtern. Allein die Arbeit der engagierten Bürger habe schon so manche Konfliktsituation erst gar nicht entstehen lassen.

Als behördliche "Willkür" betrachten die Bürger auch die Novelle des Paragrafen 246 Baugesetzbuch (BauGB), der den Regierungspräsidien der Länder erlaubt, rasch eine Befreiung zur Umnutzung geeigneter Gebäude zu Flüchtlingsunterkünften herbeizuführen. Rückert wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass diese Gesetzesänderung auf demokratischem Weg vom Parlament und Bundesrat beschlossen worden sei.

Auffällig an dieser Infoveranstaltung war, dass eine Mehrzahl der Besucher jedes Mal in fast schon spöttisches Lachen verfielen, wenn das Wort "demokratisch" oder "Demokratie" von den Rednern verwendet wurde.

Nicht zu bezweifeln ist jedoch das Fazit von Bürgermeisterin Annick Grassi, die vehement Gerüchten und Verdächtigungen gegen die derzeit rund 70 in Waldachtal untergebrachten Flüchtlinge entgegentrat: "Es gibt bis heute nicht einen einzigen rechtlichen Verstoß, den die Flüchtlinge begangen haben. Alles, was hier so rumerzählt wurde, sind reine Verdächtigungen und Anschuldigungen, die keinerlei Wahrheitsgehalt haben", sagte sie. Die Bürgerinnen Waltraud Wehle und Irene Kübler pflichteten ihrer Gemeindechefin bei – beide engagieren sich auch ehrenamtlich im Freundeskreis Asyl.

Schwieriger gestaltet sich die Lage offenbar für Unternehmerin Petra Schraml-Dussle, die in Lützenhardt neben der Fachklinik Sonnenhof auch die Mutter-Kind-Klinik (MKK) im Zauberwald führt. Sie sieht die Existenz der MKK gefährdet, liegt sie doch in unmittelbarer Nähe zum Sattelacker Hof. Sie verstand auch nicht, warum der Landkreis Mietverträge von bis zu zehn Jahren abschließt: "Wir wissen doch gar nicht, was in drei oder fünf Jahren ist", sagte sie.

Rückert war anderer Meinung und sagte: "Ich teile ihre Sorgen um den Zauberwald nicht. Auch im Landkreis sind uns keinerlei relevanten Probleme mit Flüchtlinge bekannt." Er verwies noch einmal auf die extreme Not des Landkreises, die Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. "Wir sind gezwungen, innerhalb einer Woche eine Lösung zu finden, sonst kommen wir um die Belegung von Hallen nicht mehr herum. Das Land kann uns bei der Unterbringung der Flüchtlinge nicht helfen."

Bernhauser konstatierte angesichts der vielen negativen Aussagen der anwesenden Bürger zur Unterbringung der Flüchtlinge gar: "Die Grundbotschaft der Lützenhardter lautet: Wir wollen keine Flüchtlinge! Wer sagt, dass Flüchtlinge nur Nachteile bringen? Wir haben bereits sehr viele Erfahrungen gesammelt – haben Sie also Vertrauen in unsere Arbeit." Mit der Prognose, dass der Zuzug von Flüchtlingen noch lange nicht beendet ist, wird Rückert wohl Recht behalten: "Ich glaube nicht daran, dass dies ein Problem von wenigen Jahren sein wird", sagte er deshalb.

Es hatte am Ende nicht den Anschein, dass jene Bürger, die ihre Bedenken öffentlich äußerten, beruhigt die Veranstaltung verließen. Zum laufenden Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht zum Einzug der Flüchtlinge in den Sattelacker Hof äußerte sich niemand, auch der Investor nicht.