Der Besitzer des Sattelacker Hofes, Abraham Bulun aus Singen (links), Bürgermeisterin Annick Grassi und Landrat Klaus Michael Rückert müssen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abwarten, bevor sie den Sattelacker Hof in Lützenhardt als Flüchtlingsunterkunft nutzen dürfen. Foto: Wagner

Waldachtaler Gemeinderat spricht sich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen im Sattelacker Hof aus.

Waldachtal - Eigentlich sollten am Donnerstag rund 120 Flüchtlinge in den Sattelacker Hof einziehen. Dass die geplante Unterbringung seitens des Landkreises nicht gelungen ist, hängt mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts zusammen, das aufgrund der Eil-Klage einer Bürgerin aus Waldachtal die Belegung des ehemaligen Hotels bis zu seiner endgültigen Entscheidung ausgesetzt hat.

Der Investor Abraham Bulun aus Singen, der den Sattelacker Hof gemeinsam mit seinem Bruder gekauft hat, hat bereits einen Mietvertrag mit dem Landratsamt Freudenstadt auf zehn Jahre abschlossen. Die Befreiung, die Bulun für die Nutzungsänderung des Gebäudes und die Unterbringung der Flüchtlinge benötigt, ist bereits seit geraumer Zeit beim Baurechtsamt des Gemeindeverwaltungsamts (GVV) Dornstetten in Bearbeitung. Der Ortschaftsrat Lützenhardt hatte diesem Nutzungsänderungsantrag bereits in zwei Sitzungen widersprochen.

Ungeachtet dessen wurde im Sattelacker Hof in den vergangenen Monaten fleißig gearbeitet und die Voraussetzung für die Unterbringung der 120 Flüchtlinge geschaffen. Dafür gibt es gute Gründe und kaum Risiko für den Investor Bulun, seitdem der Bundestag und der Bundesrat das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen beschlossen haben. Dieses Gesetz ist bereits am 26. November 2014 in Kraft getreten. Ziel des Gesetzgebers war es, die stark angestiegene Zuwanderung von Flüchtlingen bauplanerisch zu bewältigen. Mit verschiedenen Zusätzen versehen, bietet nun der Paragraf 246 des Baugesetzbuches (BauGB) einen speziellen Befreiungstatbestand, den die Länder (Regierungspräsidien) bei geplanten Nutzungsänderungen anwenden dürfen und auch sollen. Damit können Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden. Das hat andererseits aber auch zur Folge, dass das Baurechtsamt in Dornstetten von der betreffenden Landesstelle angewiesen werden kann, die entsprechende Befreiung auch dann zu erteilen, wenn Ortschaft- oder Gemeinderat ihre Zustimmung versagen. Genau diese Neuregelung des Paragrafen 246 BauGB wurde nun aktuell in Waldachtal in Verbindung mit dem Sattelacker Hof angewendet. Natürlich wurde damit nicht zuletzt auch in die Planungshoheit der Gemeinde eingegriffen, was aber letztlich durch die Novellierung des Gesetzes legitimiert werden soll.

Zur Flüchtlingsunterbringung in Lützenhardt gab es deshalb neben der vorangegangenen Informationsveranstaltung mit Landrat Klaus Michael Rückert und Kreis-Sozialamtsleiter Robert Bernhauser am Mittwochabend eine Sondersitzung des Gemeinderats im Haus des Gastes in Lützenhardt. Bürgermeisterin Annick Grassi kommentierte das geänderte Baugesetz so: "Klar ist das eine Art Freifahrtschein, damit die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können."

Fest steht aber auch, dass mit der Änderung des Paragrafen 246 BauGB der Entscheidungsspielraum von Landkreisen, Gemeinden und Städten hinsichtlich eines Mitsprache- und Planungsrechts bei der Flüchtlingsaufnahme weitgehend ausgehebelt werden sollte – so sehen es jedenfalls etliche rechtskundige Bürger in Waldachtal.

Die Befreiung des Baurechtsamts (GVV) an den Eigentümer des Sattelacker Hofes soll demnach in der letzten Woche (auf Anweisung) ergangen sein. "Meines Wissens wurde dieses Prozedere, die Befreiung von oben zu erteilen, erstmals vom Regierungspräsidium in Karlsruhe durchgeführt", sagte Grassi. Nun sollte der Gemeinderat in seiner außerordentlichen Sitzung also entscheiden, ob die Gemeinde bezüglich der Nutzung des Sattelacker Hofs als dauerhafte Flüchtlingsunterkunft Rechtsmittel einlegen soll. Grassi, die selbst nicht gegen die Anordnung des GVV stimmen wollte, sah sich dem massiven Widerstand ihrer Räte gegenüber. Ihr Argument, dass die derzeitige Flüchtlingspolitik von der Bundesregierung so gewollt und von den Kommunen letztendlich gemeistert werden muss, hat die Räte nicht überzeugt. Bei nur einer Enthaltung stimmte der Rest des Gremiums (zwölf Räte) für das Einlegen von Rechtsmitteln gegen die "von oben" angeordnete und erteilte Nutzungsänderung des ehemaligen Hotels.

Viele Mitglieder des Gemeinderats setzen dabei wohl auf jüngste Entscheidungen der Verwaltungsgerichte (wie etwa in Hamburg), die bisher selbst dann den Klägern Recht gaben, wenn es sich bei den betreffenden Gebieten zur Errichtung oder Nutzung von Flüchtlingsunterkünften um reine Wohngebiete handelte.

Der Sattelacker Hof liegt im Bebauungsplan "Sondergebiet Schelmenhecke". Dort sind laut Baunutzungsverordnung Kliniken, Sanatorien und Ähnliches, Stallungen, Therapie-Reithalle zuzüglich Nebenanlagen zulässig. Ebenfalls möglich wären dort auch Einrichtungen für den Fremdenverkehr wie Gästezimmer, Ferienwohnungen, Schank- und Speisewirtschaften. Ausnahmsweise erlaubt sind auch Wohngebäude, private Krankenanstalten sowie Kurkliniken wie die "Mutter-Kind-Klinik" im nahegelegenen "Zauberwald". Nach wie vor sieht das Gremium die Nutzungsänderung des ehemaligen Hotels zur Flüchtlingsunterkunft als starke Abweichung vom Bebauungsplan und dass diese unter Würdigung der nachbarlichen Interessen und bezüglich der weiteren Entwicklung der Ortschaft/Gemeinde nicht vereinbar sind. Mit seinem Beschluss, Rechtsmittel gegen die erteilte Baugenehmigung (Nutzungsänderung, Befreiung) einzulegen, erhielt Grassi gleichzeitig den Auftrag, einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht mit dem weiterem Einspruchsverfahren zum Sattelacker Hof zu beauftragen.