An Heiligabend wird Weihnachten gefeiert wie es in der alten Heimat Oberschlesien Brauch war: Tochter Jolante, Mutter Renate und Vater Manfred Rohn leben heute in Tumlingen. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Manfred Rohn in Tumlingen pflegt altes Handwerk des Pfefferküchlers / Er verschenkt über 1000 schlesische Plätzchen

Von Walter Maier

Waldachtal-Tumlingen. Der Duft leckerer Plätzchen ist in der Vorweihnachtszeit allgegenwärtig. Eine besonders würzige Note haben die schlesischen Pfefferkuchen, die Hobbykonditor Manfred Rohn in seiner zweiten Heimat Tumlingen angefertigt hat. Der 76-Jährige hält so die Erinnerung an seine Kindheitstage in Oberschlesien wach.

Filigran verziert er seine Plätzchen mit traumhaft schönen Ornamenten in handwerklich geschickter Handarbeit. Sie duften verführerisch. Seine kleinen Kunstwerke finden überall Bewunderung. Einfach meisterhaft. Manfred Rohn hat ein gutes Herz: Von seinen über 1000 Pfefferkuchen hat er die meisten verschenkt. Jedes Jahr profitieren auch seine Sängerkameraden vom katholischen Kirchenchor der Herz-Jesu-Gemeinde Lützenhardt davon, wenn er schöne Nikolauspäckchen verteilt.

Just in den Räumlichkeiten, wo früher die Bäckerei Kirschenmann in Tumlingen betrieben wurde, tritt der frühere Maschinenbautechniker in die Fußstapfen seines Vaters, dem Bäckermeister Karl Anton, der in Liebtal im Kreis Oppeln eine große Konditorei mit sechs Arbeitern betrieben hat. Auch die Kinder mussten mithelfen. Wochenlang belagert Manfred Rohn jetzt die heimische Küche in Tumlingen, um aus Honigteig und einer besonderen Gewürzmischung Honig-Lebkuchen herzustellen. Übrigens: "Es ist überhaupt kein Pfeffer drin. Die Plätzchen heißen nur so." Das Tüpfelchen auf dem "i" sind seine ideenreichen Verzierungen aus Puderzucker mit Eiweiß, Lebensmittelfarben und Kakao, die er via Mini-Spritzbeutel in präziser Kleinarbeit zu wahren Schmuckstücken garniert. Die Symmetrie stimmt. "Das muss so dünn wie ein Haar sein. Das ist die ganze Kunst", bringt es Manfred Rohn auf den Punkt.

Auch seine Tochter Jolante Kosak, die mit Familie ebenfalls in Tumlingen wohnt, beherrscht das Handwerk einer Pfefferküchlerin und hilft gern mit. Ein guter Freund, August Kaupp aus Lützenhardt, bewundert die Konditorkunst seines Sängerkameraden: "Dann sitzt er immer in der Küche wie ein Buddha, wenn er seine Pfefferkuchen macht."

Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm: Rohns Vater habe in der 960 Kilometer von Waldachtal entfernten schlesischen Heimat noch bessere, große Honig-Lebkuchen gemacht, welche den originalen Nürnberger Lebkuchen nur wenig nachstanden. "Leider hat mein Vater die Rezeptur mit ins Grab genommen."

Oberschlesische Bräuche zu Weihnachten pflegen die Rohns auch in ihrer neuen Heimat Tumlingen, wo sie seit 1990 wohnen. Seine 75-jährige Ehefrau Renate, eine ehemalige Pomologin und Biologie-Lehrerin, und der fleißige Ehemann berichten, dass an Heiligabend immer mindestens zwölf Speisen auf den Tisch kommen, aber kein Fleisch und kein Alkohol. Die gläubigen Katholiken wählten als Hauptspeise früher Karpfen und Weißwurst, heute ist es ein beliebiger Fisch. Hinzu kommen viele Salate und Desserts. Nicht fehlen darf das schlesische Mohngericht "Makufki", das aus Zwieback-Schichten, gemahlenem Mohn, Rosinen, Feigen, Datteln und Milch besteht. "Traditionell bleibt ein Gedeck leer. Es könnte auch einer kommen, der nichts zu essen hat." Symbolisch denke man an Obdachlose, für die ein Stuhl frei bleibe. Auch etwas Heu und Stroh komme auf das Tischtuch. Jeder legt Geld und Brot auf die Tischmitte. Das soll nämlich Glück bringen.

Zum Weihnachtsessen trifft sich die ganze Familie tagelang, bis alles aufgegessen ist. Und: "Warten muss man auf den ersten Stern. Und man isst nicht, bevor man gebetet hat: Ein Vater Unser für die Verstorbenen aus der Familie." Also: Während die Kinder draußen nach dem Stern schauen, legt das Christkind die Geschenke unter den Weihnachtsbaum. Früher in Oberschlesien wurde eine Oblate mit christlichem Motiv am Tisch geteilt und alle gemeinsam besuchten sie die Mitternachtsmesse in der Kirche. Heute noch bekommen sie Oblaten von ihren Verwandten zugeschickt. Auch den Tieren brachte man etwas von dem Essen der Familie. Dieses Jahr feiern die Rohns bei der Familie von Sohn Gottlieb in Mühlen das Weihnachtsfest.

Übrigens: Manfred Rohn versteht sich auch auf Torten-Kunstwerke, mit denen er bei festlichen Familien-Anlässen aufwartet.

Pfefferkuchen – das ist wie Klang aus glücklicher Kinderzeit. Es sind Erinnerungen an heimische Küche, Christkindlmarkt, Kirmes, Weihnachtsabend. Schon im alten Ägypten kannte man ein dem Pfefferkuchen ähnliches Honiggebäck. Die Zubereitung des mit Pfeffer und anderen Gewürzen gefertigten Gebäcks, wie wir es heute kennen, ist aus Klöstern überliefert. Ende des 13. Jahrhunderts gibt es erste urkundliche Nachweise über das Handwerk des Pfefferküchlers.