fischer-Abiturientenforum diskutiert mit Experte Manfred Spitzer über digitale Medien und ihre Auswirkungen

Von Eberhard Wagner

Waldachtal-Tumlingen. Moderne Anwendungen von Medizin und Wissenschaft geht nicht ohne Computer, das weiß auch Manfred Spitzer.Der 1958 geborene Gehirnforscher mit zwei Doktortiteln ist nach zwei Gastprofessuren an der Harvard-Universität und einem weiteren Forschungsaufenthalt am Institut for Cognitive and Decision Sciences der Universität Oregon nun Leiter und Professor an dem neu eingerichteten Lehrstuhl für Psychiatrie der Universität Ulm und leitet dort auch die seit 1998 bestehende Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm. Seine Buch "Digitale Demenz" oder "Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen" war Ausgangsstoff für das 3. fischer Abiturientenforum am Dienstag in den Räumen der Unternehmensgruppe fischer in Tumlingen. Fast ein halbes Jahr bereiteten sich die Schüler auf das aktuelle Thema des Hirnforschers vor, um es nach seinem Vortrag mit ihm zu diskutieren.

Rund 200 Gymnasiasten der Schulen aus Dornstetten, Freudenstadt, Horb und Nagold präsentierten sich gut vorbereitet; die Moderation übernahmCarsten Knop, Redakteur der FAZ. Spitzer legte fundierte Studien in seiner Präsentation vor, die er mit reichem Wissens- und Erfahrungsschatz untermauerte. Sein Fazit: Je mehr Wissen sich in einem menschlichen Gehirn anhäuft, desto mehr geht hinein. Das Gehirn sei fähig, eine unglaubliche Anzahl von zehn hoch 15 Gehirnsynapsen zu bilden, wenn man es nur gut genug trainiere und nutze. Digitale Medien (Computer, Playstation und Fernsehen) empfiehlt Spitzer nicht als Bildungsstoff. Im Gegenteil. Soziale Isolierung durch Facebook anstelle persönlicher Gespräche, kontraproduktives "Multi-Tasking" oder die Schaffung geistiger Armut durch stundenlanges Spielen an Konsolen oder Computer morden ihmzufolge ein aktives Hirn, das dynamischer als die Muskeln eines Menschen ist. Besonders skandalös bezeichnet er die Tatsache, dass die Politik mehr statt weniger Computer für Schüler allen Alters fordert, obwohl die Wissenschaft seit Jahren beweist, dass dies für die Lernprozesse und Entwicklung des Gehirns eher nachteilig ist. "Die digitale Versuchungen machen Kinder geistesarm – die Lage ist ernst." Mit Beispielen untermauerte er seine Thesen und stand am Ende zunächst Leonie Hartmann, Lisa Schmitt und Martin Benzing auf dem Podium Rede und Antwort. Aber auch die restlichen Seminarteilnehmer im Saal wurden rege in die Diskussion einbezogen.

Alle Thesen des Professors wollen die Gymnasiasten nicht stehen lassen, da ja Kollege Computer nur dort helfen soll, wo man aus zeitlichen Gründen nicht anders kann. Und natürlich gibt es auch nichts Schlimmes an iPods oder multifunktionalen Handys auszusetzen, denn auch diese bereichern die Welt der jungen Leute heutzutage ungemein. Dagegen spricht auch Spitzer nicht, wenn denn die Anwendung auf ein vernünftiges Maß beschränkt wird und das Gehirn in Aufgaben und Prozesse mehr einbezogen wird als die elektronischen Helfer. "Man kann die negativen Auswirkungen auf das Gehirn heutzutage sehr gut nachweisen", sagte Spitzer. Mit anderen Worten: "Ich schiebe jemanden in die Röhre und sage ihm dann, wie viel Freunde er hat." Die Gymnasiasten hatten sichtlich Freude, mit dem berühmten Fachmann zu diskutieren. Einige der Abi-Anwärter waren nachdenklich, andere vielleicht sogar erschrocken, weil sie ihr eigenes (Fehl)Verhalten noch vor Ort realisierten.