Prozess: Mann möchte seine Nerven mit Bier unter Kontrolle bringen – und wird von der Polizei ertappt

Waldachtal/Horb. Eine Frau ist mit ihrem Wagen in einer kalten Februarnacht unterwegs. Sie will ihren Mann in Pfalzgrafenweiler abholen. Dort hat er einem Landsmann geholfen, den Abend über zwei Bier getrunken und deshalb seine Frau gebeten, ihn abzuholen. Die Frau fährt los, verliert auf eisglatter Fahrbahn in einer scharfen Linkskurve die Kontrolle über ihr Fahrzeug und touchiert zuerst einen Bordstein und knallt dann in das angrenzende Buswartehäusle. Dies gesehen in der Nacht zum 5. Februar in der Längenhartstraße von Cresbach gegen 3 Uhr in der Frühe.

Anstatt nun nach dem Schaden zu sehen und die Polizei zu verständigen, versuchte die Frau in ihrer Panik ihren Mann zu verständigen. Und damit trat sie eine ganze Kette an unglücklichen Vorgängen los. Als erste Zufallskomponenten kamen die Akkus der beiden Mobiltelefone des Ehepaars ins Spiel. Beide waren leer und die Frau glaubte, ihr Mann hätte ihre Whats-App-Nachricht nicht bekommen und versuchte, als sie feststellte, dass ihr Auto nicht mehr fahrtüchtig war, zu Fuß nach Hause zu gehen. Der Ehemann hatte sein Handy jedoch zum Aufladen an die Steckdose gehängt und bekam anfangs vom Pech seiner Frau gar nichts mit. Als er die Nachricht las, sei er sehr erschrocken und wollte natürlich sehen, was mit seiner Frau und dem Auto war. "Vielleicht ist sie verletzt oder noch schlimmer."

Gemeinsam mit dem Bekannten sei er dann nach Cresbach gefahren, fand zwar Auto und demolierte Straßenumrandung, doch keine Frau. Erst kurz vor der gemeinsamen Wohnung holte er sie ein, man fuhr nochmals zur Unfallstelle, konnte außer dem kaputten Auto nichts weiter entdecken, denn es war stockdunkel, da zu dieser Zeit die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet war, wie eine Anliegerin im Zeugenstand bestätigte. "Außer uns war niemand geschädigt, Hilfe musste man nicht herbeiholen, also haben wir uns vorgenommen, am nächsten Tag nochmals den Schaden zu begutachten und gegebenenfalls die Polizei zu holen", so die Überlegung des Ehepaars, das gestern gemeinsam im Horber Amtsgericht auf der Anklagebank saß. Also verließ das Ehepaar samt Bekannten den Unfallort, fuhr wieder nach Pfalzgrafenweiler und versuchte, die Geschehnisse zu verarbeiten.

Vor allem der Ehemann versuchte, seine Nerven mit reichlich Bier unter Kontrolle zu bringen, was ihm dann am nächsten Morgen, wieder zurück am Unfallort, nicht gut bekam. Bei Tageslicht betrachtet stellte das Ehepaar fest, dass nicht nur ihr Auto, sondern auch das nahe Buswartehäuschen ordentlich Schaden genommen hatte. Außerdem stand das havarierte Auto recht ungünstig auf der Straße. Der Frau gelang es – wohl wegen eines platten Reifens – nicht, das Auto wegzufahren, also setzte sich ihr Mann ans Steuer und bugsierte die Karre ein Stück weit nach hinten. Passt, wackelt und hat Luft, dachte er sich noch, doch in diesem Moment kam auch schon die Polizei angefahren, die vom Streudienst der Gemeinde Waldachtal informiert wurde, und sah, wie der Mann den Wagen bewegt. "Es waren höchstens sieben Meter", so die Einschätzung des Fahrers. Der Polizist, der als Zeuge aussagte, meinte sich an zehn bis 20 Meter erinnern zu können und beim Anklagevertreter waren es zuerst 30 Meter, später 35 Meter. Waren diese Angaben also recht ungenau, so ergab die Blutalkoholmessung bei dem Angeklagten mit 1,3 Promille einen exakten Wert.

Vor dem Hintergrund dieser Geschichte wurde die Frau wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und ihr Mann wegen fahrlässiger Teilnahme am Verkehr in betrunkenem Zustand angezeigt. Die beiden bislang völlig unbescholtenen Angeklagten schilderten die Geschehnisse dieser Nacht aus ihrer Sicht recht offen, beschönigten nichts und versuchten auch nicht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Ein Nachtatverhalten, das vom Gericht unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick honoriert wurde. Das Verfahren gegen die Frau stellte die Staatsanwaltschaft nach einem Vorschlag von Trick gegen Zahlung einer Geldbuße von 300 Euro ein, gegen ihren Mann verhängte der Vorsitzende eine Geldstrafe in Höhe von 35 Tagessätzen zu je 30 Euro, ein zweimonatiges Fahrverbot sowie die anteilige Übernahme der Gerichtskosten. Da dem Mann bereits vor fünf Monaten der Führerschein abgenommen wurde, bekam er ihn gestern noch direkt im Gerichtssaal wieder ausgehändigt.

Insgesamt war es aber ein teures Lehrgeld, wie Richter Trick in seiner Zusammenfassung erklärte, denn zu den Geldstrafen und den Gerichtskosten kommen auch noch rund 2000 Euro Reparaturkosten für das Buswartehäuschen, und ob die von der Haftpflichtversicherung des Paares bezahlt werden, ist eher unwahrscheinlich. Und trotzdem waren die beiden hochzufrieden mit dem Ausgang dieses Prozesses.