In Baden-Württemberg hat der VW-Abgas-Skandal Foto: dpa

Verkehrsminister Hermann hat mit seinem Vorstoß für landesspezifische Abgas-Messungen bei Regierungschef Kretschmann offene Türen eingerannt. Diesmal zieht aber der Koalitionspartner nicht mit.

Stuttgart - Der VW-Abgasskandal hat in Baden-Württemberg einen Krach in der grün-roten Regierung ausgelöst. Zwar sind sich die Grünen einig, dass sie landesspezifische Abgasuntersuchungen einführen wollen. Der Koalitionspartner SPD geht ihnen aber von der Fahne. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stärkte seinem Verkehrsminister und Parteifreund Winfried Hermann am Dienstag demonstrativ den Rücken. Von SPD und Opposition gab es Schelte für die Pläne Hermanns, nach dem VW-Abgasskandal eigene Messprogramme vornehmlich für Dieselfahrzeuge aufzulegen.

Die von Hermann vorgesehenen Emissionstests seien eine Chance, nach der VW-Affäre das Vertrauen in die Automobilindustrie wiederherzustellen, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. „Wir müssen alles tun, dass das Desaster nicht auf die ganze Autoindustrie übergreift.“ Immerhin hänge jeder vierte Arbeitsplatz im Südwesten an dieser Branche. Auch Hermann ließ wissen: Die Autobauer könnten einen „Imagegewinn“ verbuchen, wenn sie bei den Tests auf dem Markt verfügbarer Serienfahrzeuge gut abschneiden.

Dagegen hält der Verkehrsexperte der SPD-Fraktion, Hans-Martin Haller, nichts von dem Vorschlag Hermanns, die Einhaltung bundeseinheitlicher Normen in föderalistischen Strukturen zu prüfen. „Sonst fangen wir an, die württembergischen Dragoner wieder zu installieren.“ Der Bund sei in diesem Fall die richtige Adresse, um für glaubwürdige Tests zu sorgen. Gegenwind war zuvor auch von SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel gekommen.

Die oppositionelle FDP beurteilt die Lage ähnlich wie Haller und fragt: „Wo liegt überhaupt die Kompetenz des Landes für diese Veranstaltung?“ Messungen, die nichts anderes ergäben, als dass Laborbedingungen sich von der Praxis unterscheiden, grenzten an Verschwendung öffentlicher Gelder. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte: „Vermutlich geht es Minister Hermann unter Beteuerung des Gegenteils einmal mehr darum, das Auto zu diskreditieren. “

Kretschmann hält grün-rotes Handeln für notwendig

Kretschmann hält hingegen grün-rotes Handeln für notwendig, weil der Bund nicht reagiere. „Wir warten nicht, dass der Bund da endlich in die Puschen kommt.“ Der Handlungsdruck sei groß. Hermann hofft, noch in diesem Jahr die Tests in Zusammenarbeit mit unabhängigen Prüforganisationen wie ADAC, TÜV oder DEKRA starten zu können. Auch die Chefs der Autobauer selbst sind laut Kretschmann daran interessiert, dass nachvollziehbare und transparente Tests durch unabhängige Prüforganisationen die Glaubwürdigkeit der Branche stärkten.

Schmiedel hatte hingegen am Sonntag geschimpft: „Wer soll noch einen gebrauchten Dieselwagen kaufen, wenn er befürchten muss, von einem Hermann-Messkommando aus dem Verkehr gezogen zu werden.“ Damit hatte er nach Meinung von Beobachtern das Anliegen Hermanns wissentlich falsch interpretiert. „Wir wollen nicht die Autofahrer, sondern die Produkte der Autobauer prüfen“, stellte ein Sprecher Hermanns klar.

Schmiedel hatte seine Einschätzung bis Dienstag noch nicht revidiert. In der Koalition wird mit Blick auch auf einen Besuch des SPD-Manns bei einer Pressekonferenz der oppositionellen CDU kolportiert, dass er sich wegen der Landtagswahl in wenigen Monaten profilieren wolle. Der Schulterschluss mit Kretschmann-Herausforderer Guido Wolf (CDU) in der Flüchtlingspolitik war teils als Signal für eine mögliche schwarz-rote Koalition gewertet worden.