Ungleiches Duell: Gegen den Friedrichshafener Block findet der TV Rottenburg (mit Ferenc Nemeth, rechts) keine Mittel. Foto: Baumann

Der TV Rottenburg nimmt sich gegen den VfB Friedrichshafen viel vor – ist beim 0:3 aber völlig chancenlos.

Rottenburg - Die Hallenabbau-Crew in der Tübinger Paul-Horn-Arena hatte am Samstagabend den Großteil ihrer Arbeit bereits erledigt, aber auf den Stuhl von Lars Wilmsen musste sie noch warten. Der Mittelblocker des Volleyball-Bundesligisten TV Rottenburg saß etwas länger in der Halle und sinnierte darüber, was seinem Team kurz zuvor widerfahren war. „Dieses Spiel“, sagte Wilmsen, „ist ganz schnell an uns vorbeigegangen. Wir haben keinen Zugriff bekommen.“ Der VfB Friedrichshafen hatte den Rottenburgern in eigener Halle und vor 2150 Zuschauern beim 3:0 (25:12, 25:19, 25:16) die Statistenrolle zugewiesen. „Das war eine Lehrstunde“, sagte Hans-Peter Müller-Angstenberger.

Wenige Tage zuvor hatte der Trainer des TV Rottenburg noch ganz andere Gefühle: „Ich war mir nach den Trainingsleistungen sehr, sehr sicher, dass wir ein sehr gutes Spiel machen.“ Schließlich wussten die Rottenburger, was auf sie zukommen würde. Aber bereits Mitte des ersten Satzes (8:16) war das strategische Konzept in sich zusammengefallen. Eine schwache Annahme auf Rottenburger Seite und eine hervorragende Friedrichshafener Blockverteidigung nagten derart am Selbstbewusstsein der Rottenburger, dass sich während des gesamten Spiels kein Licht am Ende des Tunnels mehr auftun sollte. „Wir wussten, was passiert, konnten es aber nicht verhindern“, sagte Müller-Angstenberger. Zu unerfahren? Vielleicht auch, sagt der TVR-Trainer: „Wettkampf ist nicht Training.“

Auf der anderen Seite des Netzes stand aber auch ein Team, das sich keine Schwäche und kaum Fehler erlaubte. „Annahme sehr gut, Block sehr gut, Angriff okay – ich glaube, seit ich in Friedrichshafen bin, haben wir noch nie so konsequent gespielt“, sagte der VfB-Trainer Vital Heynen und freut sich, dass es vorangeht: „Wir sind nicht stärker als in der vergangenen Saison, aber stabiler.“

Das spiegelt sich in den bisherigen Ergebnissen dieser Saison wider. Dem Gewinn des Supercups ließ Friedrichshafen den nunmehr dritten Bundesliga-Sieg folgen und steht an der Tabellenspitze. „Ich glaube, Friedrichshafen wird sich ganz überlegen den Titel holen und auch in der Champions League seinen Weg machen“, sagt Müller-Angstenberger.

Die Dominanz, die den Rottenburger Trainer derart beeindruckt, ist das Resultat eines Umformungsprozesses, den Heynen eingeleitet hat. Seit der vergangenen Saison ist der 48-jährige Belgier als Nachfolger des Übertrainers Stelian Moculescu am Werk und arbeitet seither an der Verwandlung des VfB. Spielstrategische Gesichtspunkte stehen stärker im Mittelpunkt, Volleyball im Hauruckstil ist nicht das Ding des einstigen Nationaltrainers, der Deutschland bei der Weltmeisterschaft 2014 zur Bronzemedaille führte.

Ein Paradebeispiel für den Spielwitz ist Athanasios Protopsaltis. Der 24-jährige Grieche ist mit seinen 1,80 Metern nicht gerade ein Riese im Lager der Annahme-Außenspieler, aber ein Meister der variablen Schläge, wenn er am Netz in der Luft steht. „Er will von seinen Spielern immer die intelligenteste Lösung“, sagt Müller-Angstenberger über seinen Kollegen Heynen, bei dem er vor einigen Jahren hospitiert und „viel gelernt“ hat.

Die richtigen Spieler für eine solche Spielphilosophie zu verpflichten ist für Friedrichshafen indes einfacher als für den Rest der Liga – den amtierenden deutschen Meister Berlin Recycling Volleys einmal ausgenommen. Mit einem kolportierten Etat von rund 2,5 Millionen Euro verfügt Friedrichshafen über das Fünffache an finanziellen Mitteln wie der TV Rottenburg. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Mannschaft jemand widerstehen kann“, sagt Müller-Angstenberger.