Karl und Arlene Kraeutle in der alten Heimat Foto: Fahrland Foto: Schwarzwälder-Bote

Besuch: Karl Kraeutle genießt Geselligkeit in alter Heimat

Vöhringen-Wittershausen. Selbst nach 62 Jahren hat der 1954 nach Amerika ausgewanderte Karl Kraeutle nichts von seinem schwäbischen Humor und seinem Dialekt verloren. Seinen Aufenthalt in de Heimat nutzte er ausgiebig, um Verwandte und Bekannte zu treffen. Oft dauerten die Gespräche bis tief in die Nacht.

Auf die Frage nach seinem Lieblingsort in Wittershausen entgegnete Karl Kraeutle: "Im Hargental ist es am schönsten!" Daraus spricht seine Heimatliebe, denn in dieser Straße steht sein Elternhaus. Heute wohnen in den beiden umgebauten Haushälften Nichte und Neffe mit Angehörigen. Dort, bei Heide Kräutle-Bronner, bezogen Arlene und Karl Kraeutle Quartier.

Gleich am Ankunftstag ging es mit der Familie zum Backhausfest. Überall war der gesellige, ehemalige Wittershausener ein gern gesehener Gast, etwa beim Schuppenfest mit den Mittwochswanderern, beim TSG Herbstbesen im Winkelschopf sowie beim 80er-Treffen des Jahrgangs 1936 (siehe Bericht).

Mit 17 wandert er aus

Mit seinem 83-jährigen Bruder Walter besuchte er zum 87. Geburtstag ihre Schwester Anni Fischer, die lange Jahre Schulleiterin in Wittershausen gewesen war und in Bochingen wohnt. Mit seinen 80 Jahren ist Karl Kraeutle der Jüngste der drei verbliebenen Geschwister. 1954 war er, vier Monate vor seinem 18. Geburtstag, mit seinem nächst älteren Bruder Hans nach Amerika ausgewandert.

Als Jüngster von neun Geschwistern hatte Karl Kraeutle nicht viel zu sagen. Mit dreizehneinhalb Jahren begann seine Lehre als Gipser bei Albert Steeb. Mit einem auf Raten gekauften Fahrrad musste er täglich nach Sulz fahren. "Im Sommer haben wir geschafft von morgens sieben bis abends sechs Uhr. Ich habe gedacht, es muss im Leben etwas Besseres geben", begründet er seinen Entschluss.

In nur vier Tagen erreichten die Brüder mit der "United States", einem Passagierschiff, amerikanischen Boden. Obwohl bereits fünf Geschwister in Amerika wohnten, wurde es ein holpriger Start. Die Brüder lebten in unterschiedlichen Städten. Zu den Sprachschwierigkeiten kam hinzu, dass der Berufsabschluss als Gipser aufgrund der zahlreichen Holzhäuser in Amerika nicht sehr gefragt war. Dennoch konnte sich Karl Kraeutle allmählich eine Existenz aufbauen. Er fand Arbeit bei einem Italiener und schwenkte irgendwann auf die Automobilbranche um. 80 bis 120 Wochenarbeitsstunden seien anfangs keine Seltenheit gewesen, sagt er rückblickend.

Als Karosserieschlosser bewies Kraeutle großes Geschick. Erst mit 75 Jahren ging er in Rente. Lange vorher hatte er zwei Jahre in Kentucky als Fallschirmjäger bei der Armee verbracht, ein weiteres Jahr in Reserve. 1962 lernte er seine Frau Arlene beim Tanzen kennen. Nach fünf Jahren in einer Mietwohnung bauten sie ihr erstes Haus. Dann entdeckte Arlene in der Zeitung genau das Richtige, ein altes Bauernhaus mit sieben Hektar Grundstück. Dort wohnt das Paar noch heute, hat eine Tochter und zwei Söhne großgezogen, ihnen ein Studium ermöglicht und Autos vom Schrottplatz zurechtgebastelt. Fünf Enkel gibt es und eine Schwiegertochter aus China.

Höchst interessant berichtet Karl Kraeutle über seine Familie und sein Leben in Amerika, seine früheren sportlichen Aktivitäten mit Fallschirmspringen, Fechten und Fußballspielen. Zum Abschluss seines Aufenthalts besuchte er noch das Spiel der TSG 1899 Hoffenheim gegen Schalke 04 in der Rhein-Neckar-Arena, bevor er von Zürich aus wieder nach Hause flog.