Rasha Bühl ist in der Welt zu Hause und in Villingendorf daheim. Foto: Bienger Foto: Schwarzwälder-Bote

Rasha Bühl aus Villingendorf stammt aus Bethlehem / "Ich mag die Menschen", sagt sie über ihre neue Heimat

Von Alicja Bienger

Villingendorf. Das Bild, das der Westen von Frauen in den arabischen Ländern hat, ist verzerrt, glaubt Rasha Bühl. Die 60-Jährige muss es wissen: Schließlich stammt sie selbst aus jener Welt, die für viele von uns noch immer sehr fremd ist.

Weltoffenheit und Toleranz tragen roten Lippenstift. Das könnte man jedenfalls meinen, wenn man Rasha Bühl gegenübersitzt. Die 60-Jährige – kurze dunkle Haare, eine Menge Lachfältchen im Gesicht – sprüht vor Energie; wenn sie erzählt, hat man manchmal Mühe, ihr zu folgen, weil ein Gedanke den nächsten jagt.

Und sie hat durchaus viel zu erzählen. Denn Rasha Bühl ist viel herumgekommen in ihrem Leben. Sie hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, anderen einen tiefen kulturellen Einblick in jene Welt zu ermöglichen, aus der sie stammt, und auch in Gegenden, die ihr selbst neu sind. In ihrem kleinen Reisebüro im Keller ihres Hauses in Villingendorf organisiert sie exklusive Reisen in den Orient – und begleitet ihre Kunden von der Auswahl der Route bis zum Rückflug nach Deutschland.

Sie kennt sich aus in einer für Deutsche fremden Welt

Rasha Bühl kennt sich aus in dieser Welt, die für viele Deutsche nach wie vor sehr fremd ist. Sie selbst stammt aus Betlehem, ist dort 1953 als Tochter eines griechisch-orthodoxen Priesters geboren. Bethlehem gehörte damals noch zu Jordanien, bis zum Sechs-Tage-Krieg im Jahr 1967, als das Westjordanland und damit auch die Stadt unter israelische Herrschaft fielen. "Für uns Palästinenser wurde das Leben seither schwieriger", erinnert sich Rasha Bühl. Das sei bis heute so geblieben: Die Palästinenser hätten weniger Rechte, würden unterdrückt, seien in ihrer Reisefreiheit eingeschränkt. Rasha Bühl hat das als Palästinenserin am eigenen Leib erlebt. Dennoch empfindet sie keinen Hass gegenüber den Israelis, sie fordert lediglich die gleichen Rechte für ihr Volk.

Sie selbst zog 1970 die Konsequenzen aus dem Leben in einem besetzten Gebiet und emigrierte zu ihrem Bruder nach Australien. Dort lernte sie ihren Mann kennen, der aus Villingendorf stammt, und so kam das eine zum anderen. 1975 siedelte sich das Ehepaar in der Gemeinde im Kreis Rottweil an. Rasha Bühl fühlt sich inzwischen sehr heimisch in der Gegend: "Ich mag die Menschen, sie sind ehrlich und fleißig. Nur mit dem Winter komme ich nicht klar, dann ist es mir hier zu kalt", sagt sie mit schwäbischem Dialekt.

Einige ihrer Kunden sind Rasha Bühl seit inzwischen 20 Jahren treu. Immer wieder begleitet die 60-Jährige ihre Touristengruppen, die sie bewusst auf eine geringe Personenzahl beschränkt, in Länder wie Ägypten, Jordanien, Syrien, Libyen oder eben Israel und ins Westjordanland. Demnächst, im April, startet die nächste Reise: Dann geht’s in den Iran. Drei bis viermal im Jahr unternimmt Rasha Bühl solche Reisen, "ein bisschen weniger als früher", wie sie sagt. Das Publikum sei stets sehr interessiert bei der Sache; die Menschen, die eine Reise bei ihr buchen, wollen Land, Leute und Kultur kennenlernen.

Sie selbst, die als Christin unter vielen Juden und Moslems aufgewachsen ist, gibt sich sehr tolerant anderen Religionen und Kulturen gegenüber. "Das Bild, das viele bei uns von den Menschen im Nahen Osten haben, ist verzerrt", sagt Bühl. Sie hat aber kein Verständnis für radikale Muslime wie die Taliban, die mit ihrer Ideologie Angst und Schrecken verbreiten. Und in einige Länder wie Syrien, Libyen, den Jemen und Ägypten reist sie derzeit nicht mehr, wegen den Nachwehen des "Arabischen Frühlings". "Die Revolution habe ich vorausgesehen", sagt sie. Die Armut, die schlechte Versorgung, die Korruption – irgendwann beginnen die Menschen, sich zu wehren. Dass es dort in absehbarer Zeit ruhiger wird, glaubt sie nicht: "Demokratie kann man nicht erzwingen." Doch es finde allmählich ein Wandel statt: "Die neuen Medien, das Internet, machen den Zugang zu Informationen einfacher. Die Menschen lassen sich heute nicht mehr alles gefallen."

Das gelte auch für die Frauen. In vielen arabischen Ländern habe sich die Bildungssituation für die Frauen verbessert, viele seien inzwischen auch in Parlamenten und Regierungen vertreten, in immer mehr Jobs stünden ihnen die Türen offen. "In Jordanien gibt es zum Beispiel sehr viele Pilotinnen", erzählt Rasha Bühl. "Viele glauben mir das nicht, wenn ich es ihnen erzähle." Natürlich gelte das nicht für jedes Land, sagt sie mit Blick auf Saudi-Arabien, wo Frauen noch immer nicht Auto fahren dürfen, oder auf den Iran, wo verhüllte Gestalten im Tschador das Straßenbild prägen – genau wie das Bild von diesen Frauen im Westen. Doch dieses Bild sei falsch, es sei oberflächlich dargestellt. "Nehmen Sie das Beispiel des Beststellers ›Nicht ohne meine Tochter‹", sagt Bühl. "Die Situation, wie sie in der Autobiografie beschrieben wird, war ein extremer Einzelfall. Und viele sind sich einfach nicht bewusst, dass interkulturelle Ehen nicht immer gut funktionieren."

Ihre Erfahrung: "Die Frau ist in ihrer Familie das Oberhaupt"

Frauen, sagt Rasha Bühl, hätten, im Gegenteil, oft mehr zu sagen, als man gemeinhin glaube. "Die Frau ist in ihrer Familie das Oberhaupt", so ist ihre Erfahrung. "Sie darf auf der Straße oft keine nackte Haut zeigen oder muss zumindest Kopftuch tragen, aber auch das hat etwas mit der Kultur zu tun, mit der Schamgrenze. Viele Frauen würden sich freiwillig nie unverhüllt zeigen." Dafür hätte man im Westen, wo Männer und Frauen problemlos miteinander in die Sauna gingen, häufig kein Verständnis. Natürlich gebe es auch Unterdrückung, nicht alle Frauen seien glücklich mit ihrer Situation. "Doch das sind viele bei uns auch nicht. Denn hier verschwindet die Familie immer mehr von der Bildfläche. Und Geld allein macht eben auch nicht glücklich", sagt sie und verweist auf den hohen Stellenwert, den die Familie im Orient bis heute einnimmt.

Und sie selbst, wie kommt sie mit dem Leben in Deutschland klar, wo sich immer mehr Frauen zuweilen von der Emanzipation distanzieren? Von der Frauenquote jedenfalls hält sie persönlich gar nichts: "Es sollte jeder den Job machen dürfen, für den er am besten geeignet ist." Ob Mann oder Frau, das spiele doch keine Rolle. Vor den Hausfrauen und Müttern, sagt sie zum Schluss, habe sie den größten Respekt: "Mütter sind die größten Manager der Welt", ist sie überzeugt. "Und nur gesunde Familien können eine gesunde Gesellschaft bilden."