Großes Interesse an Führung in St. Gallus / Herbert Hermle berichtet über Historie, Pfarrer Barth über Heilige

Villingendorf. Zur kompetent vorgetragenen Führung durch die St.-Gallus-Kirche in Villingendorf mit Pfarrer Hermann Barth und Bürgermeister a. D. Herbert Hermle kamen mehr als 60 interessierte Frauen und Männer.

Herbert Hermle ging in seinen Ausführungen zunächst auf die Geschichte der katholischen Pfarrei St. Gallus ein, um danach über die erforschten Kirchenbauten im Ort zu berichten. Pfarrer Hermann Barth war es vorbehalten, die zahlreichen Heiligenfiguren mit Namen zu benennen und auf das Leben und Wirken der in der Kirche dargestellten Heiligen einzugehen. Zu beiden Vortragsteilen bannte Hauptamtsleiter Armin Mei passende Karten, Zeichnungen, Bilder und Fotos, letztere von Bernhard Kimmig und Linus Banholzer, auf die Leinwand, was die Vorträge einerseits auflockerte, andererseits aber auch zum besseren Verständnis beitrug.

Die Zuhörer erfuhren, dass der Ursprung des Patroziniums "St. Gallus" im Dunkel der Geschichte liegt. Schon im Jahre 793 wurde die nahe Neckarburg und damit wohl auch die von den Alemannen gegründete Siedlung "Villingen" dem Kloster St. Gallen übertragen. Aber auch beim Mitbesitzer des Ortes, dem Kloster Gengenbach (von 1139 bis um das Jahr 1536), finden sich Hinweise auf den heiligen Gallus.

1275 erscheint in der ältesten Statistik der damals zuständigen Diözese Konstanz "die Pfarrei in Villingen", wie Villingendorf ursprünglich hieß. Als Pfarrherr wird Rudolf von Zimmern, Kanoniker in Straßburg, genannt. Also bestand schon damals eine Pfarrei und wohl eben auch eine Kirche, wohl besser gesagt ein Kirchlein oder eine Kapelle. Die Herren von Zimmern verkauften im Jahre 1360 die Rechte über die Pfarrei an die Johanniterkommende Rottweil, die bis 1806 die Pfarrgemeinde Villingen zu betreuen hatte.

Unterlagen über ein Kirchengebäude aus der Zeit vor 1564 sind nicht vorhanden. Ab diesem Jahr existieren aber einige bildliche oder zeichnerische Darstellungen über Kirchenbauten in "Villingen". Nach der im Jahre 1564 erstellten Rottweiler Pürschgerichtskarte von David Rötlin ist in "Villingen in Dorff" ein Kirchlein mit einem kleinen Turm zu sehen.

In den Jahren 1599/1600 wurde ein neuer, neben der Kirche stehender Turm erbaut. Dies geht aus Ratsprotokollen der Stadt Rottweil hervor, denn eben zu diesem Turm "zu Villingen dem dörffle" bewilligte der Rat fünf lange Eichen, Geld und Sägbäume für Dielen. Zu diesem Turm, mitten an die Kirchenfront angebaut, gibt es eine Zeichnung aus dem Jahre 1707. 1786 wurde ein neues, größeres, 200 Personen fassendes Gotteshaus in spätem Barock errichtet, das 1802 von Weihbischof C. A. von Bissingen eingeweiht wurde. Diese neue Kirche wurde nach Westen an den Turm angebaut.

Im Jahr 1878 betrug die Zahl der Katholiken in der Gemeinde mit den Filialen Hochwald und Neckarburg 840, die Kirche bot aber nur Platz für 380 Personen. Nun wurde aus Platzgründen der Neubau einer Kirche immer dringender. Am 27. Januar 1881 erfolgte der Bauantrag an das Ordinariat, und kurz danach beschlossen Stiftungsrat, Gemeinderat und Bürgerausschuss einstimmig den Neubau der Kirche. Schon am 16. Oktober 1883, dem Fest des Kirchenpatrons St. Gallus, konnte die Einweihung der neuen Kirche mit erhöhtem Turm stattfinden.

Im Jahr 1936 mussten Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten an der Kirche eingestellt werden, weil genauere Untersuchungen durch Fachleute ergaben, dass die Fundamente ungenügend, das Mauerwerk sehr schlecht und die Kirche nicht mehr standsicher ist. An Pfingsten 1937 wurde das Gotteshaus gar baupolizeilich geschlossen. Im Garten der Krone wurde eine provisorische Notkirche aus Holz errichtet.

Trotz der kirchenfeindlichen Zeit des Dritten Reiches erteilte das Oberamt Rottweil am 12. Juni 1937 die Baugenehmigung und schon ein halbes Jahr später wurde die neue Kirche von Bischof Sproll eingeweiht. Die Außenmaße betragen 47 mal 17,20 Meter. Die Kirche bietet 570 Personen Platz, der Turm bis zur Unterkante der Kugel ist 36,92 Meter hoch, mit Kugel, Kreuz und Hahn 41,17 Meter. Die im Zweiten Weltkrieg eingezogenen Kirchenglocken wurden 1950 durch ein neues Geläut mit vier neuen Glocken ersetzt.

Eine Renovierung mit Umgestaltung im Innern wurde 1956/1957 durchgeführt. Die heutige, sehr ansprechende Innenansicht erhielt die Kirche im Jahr 1989.

Wie Pfarrer Barth ausführte, befinden sich im Chorraum 126 Zentimeter hohe Statuen aus Holz der vier Evangelisten Lukas, Matthäus, Johannes und Markus im neugotischen Stil aus der Zeit des Kirchenneubaus 1882/1883. Im Kirchenschiff sind als Figuren aus Holz die Heiligen Aloisius, Petrus, Judas-Taddäus, Sebastian, Johannes Chrysostomus, Wendelin, Barbara, Franz Xaver, Andreas, Anna, Wolfgang und Veronika dargestellt. Im Eingangsbereich befinden sich St. Franziskus, St. Antonius, St. Gallus sowie Maria und Josef.

Pfarrer Barth ergänzte seine Ausführungen mit kurzen Lebensbeschreibungen der Heiligen und vergaß nicht, auf die schönen Farbfenster aus dem Jahr 1938, auf die Kreuzwegtafeln, die Pieta in der Beichtkapelle und die wertvollen Relieftafeln aus der ehemaligen Johanniter-Kirche in Rottweil hinzuweisen.