Zuhörer, die von Werner Mezgers Vortrag in Villingendorf extrem angetan sind. Foto: Bantle Foto: Schwarzwälder-Bote

Werner Mezger hält Vortrag im Rahmen der Veranstaltungen zum 875. Geburtstag der Gemeinde Villingendorf

Von Martina Bantle Villingendorf. Der sehr interessante Vortrag zum Thema "Heimat" mit Professor Werner Mezger war einer der Höhepunkte im Jubiläumsjahr der Gemeinde Villingendorf, die dieses Jahr ihren 875. Geburtstag feiert.

Zum Begriff "Kultur" gehöre auch das Wort "Heimat", führte der Volkskundler aus. Kultur sei alles, was nicht Natur sei. Die drei Kulturdimensionen seien "Zeit, Raum und Gesellschaft".

"Zeit" werde heute anders wahrgenommen als früher. Noch nie stand dem Menschen so viel Zeit zur Verfügung wie heute. Aber jeder behauptet, er habe keine Zeit. Der Zeitbegriff sei auch unterschiedlich in den einzelnen Kulturen. Die Raumerfahrung unterscheide sich ebenfalls. Heute könnten in kurzer Zeit viele Räume überwunden werden. In der heutigen Gesellschaft kenne nicht mehr jeder jeden. Die Integrationsaufgaben seien immens und würden in den Kindergärten geleistet.

"Heimat" gebe es nicht als festgefügte Größe. Jeder habe eine andere Vorstellung von "Heimat". Im Mittelalter bedeutete es "Haus und Hof". In früheren Zeiten hatten viele – Knechte und Mägde oder Obdachlose – keine Heimat. Für sie wurde der Begriff "ewige Heimat" geprägt. Als Idyllen verschwanden, weil Menschen ihre Heimat verlassen mussten, entstanden die schönsten Heimatlieder. In den Schulen entstand das Fach "Heimatkunde". Bräuche werden wiederbelebt. Es gehe in der Dimension "Zeit" darum, wieder Zyklen und Rhythmen einzuführen. In der Dimension "Raum" gehe es darum, lokale Besonderheiten als Antwort auf die Globalisierung zu reinszenieren. In der "Gesellschaft" gehe es um die Suche nach der Identität. Es gehe um Rituale. Zu den zwei Kernbegriffen "Tradition und Fortschritt" gebe es einen Wandel in der Einstellung. Noch nie sei die Fortschrittsskepsis so groß gewesen.

"Europa" sei ein Konstrukt in den Köpfen. Im vierten vorchristlichen Jahrhundert war Europa überall dort, wo griechische und phönikische Leute gesiedelt haben. Zur Zeit der Römer gehörten wieder andere Gebiete zu Europa und manche verschwanden. Es gebe verschiedene Sichtweisen für Europa: Europa als geografischer Raum, als geschichtliches Gebilde, als politischer Verbund, als wirtschaftlicher Zusammenschluss, als Wertegemeinschaft oder als kulturelle Einheit.

Die Ressourcen Europas liegen in der Vielfalt, sagte Werner Mezger. Die europäische Währungsunion möchte ein anderes Europa. Die Geldscheine sprechen von einer Identitätslosigkeit. Hier werde mit Ornamenten jongliert.

Der letzte Gedanke Werner Mezgers war das Leben in der globalisierten Welt. Das "Netz" mache die Welt gläsern. Dieses Jahr komme eine Brille auf den Markt mit eingebautem Computer und eingebautem Navi. In der Moderne gebe es neue Formen des Erinnerns und Vergessens. Es gebe bereits Grabsteine mit einem QR-Code. Bilder oder Erinnerungen des Verstorbenen könnten damit abgerufen werden. Für die Zukunft gelte: Wer seine Heimat kenne, könne sich in der Welt zurechtfinden. Heimat brauche Welt und Welt brauche Heimat.