Entladung: Die Hamburger Fans entzünden während des Spiels ein bengalisches Feuer (linkes Bild). Anspannung: Die 90 Minuten sind für Jürgen Storz und Werner Haller vom VfB-Fanclub Villingendorf kein Leckerbissen (rechtes Bild). Fotos: Schmidt Foto: Schwarzwälder-Bote

Mit einem Bus zum VfB Stuttgart / Sieg gegen Hamburg vor Ort miterlebt und -erzittert

Von Anja Schmidt Villingendorf. Die Mitglieder des VfB-Fanclubs Villingendorf fielen sich in die Arme. Die Bundesliga-Fußballer des VfB Stuttgart hatten gegen den Hamburger SV 1:0 gewonnen. Die Erleichterung indes war größer als der Jubel.Uff, geschafft, drei Punkte geholt. Den mitfiebernden Fans vom VfB-Fanclub Villingendorf fiel im Stadion in Stuttgart nicht nur ein Stein, sondern gleich ein ganzer Granitblock vom Herzen. Begeistert von dem, was ihnen eineinhalb Stunden lang geboten wurde, konnten sie indes nicht sein. In den letzten Minuten des Spiels stockte manchen sogar der Atem. "Ich habe keinen Herzschlag mehr gespürt", schilderte Susanna Jean, die im Bus mitgereist war, "die längsten Minuten meines Lebens."

Auch Werner Haller hat "keinen Leckerbissen" gesehen: "Aber jetzt wissen sie, dass sie wieder gewinnen können." "Ich bin ein überzeugter VfB-ler", betonte Haller. Aus Liebe zu seinem Verein sei er nach einer verlorenen Wette im Jahr 2007 sogar zum Endspiel nach Berlin geradelt.

Der Villingendorfer Fanclub fährt nur vereinzelt zu Auswärtsspielen und auch nicht zu jedem Heimspiel. Aber das Spiel am Samstag lockte nicht nur 55 000 Fans ins Stadion, auch der Villingendorfer Bus war fast voll. Von den 37 Mitgliedern waren zwar nur wenige mit an Bord, aber zur Fahrt kann sich jeder anmelden, der die Spiele sehen will. Die Fans vom Hamburger SV holte Busfahrer Stefan Sekinger sogar in Irslingen ab.

Die Stimmung indes war verhalten. Jürgen Storz war zwar zu Scherzen aufgelegt, und der zu spät gekommene Pastoralreferent Klaus Bangert wurde mit viel Gelächter empfangen, aber die Nachdenklichkeit überwog. Zuletzt waren die Stuttgarter 1975 abgestiegen, aber seit 1977 ununterbrochen in der Bundesliga. Nun droht der Abstieg. "Es wird nicht passieren", versicherten alle, "aber so schlecht sah es noch nie aus."

Die letzten Spiele seien gut gewesen, auch das gegen Bayern München, waren sich die Fans einig, doch unbegreiflicherweise machten die Stuttgarter am Ende jedes Spiels hinten auf, und die Gegentore fielen. Uneinig war man sich indes über die Gründe. Für die Fans passt vieles bei den Stuttgartern nicht zusammen: die vielen Trainerwechsel, die Finanzlage, und immer wieder war auch vom VfB-Sportdirektor Fredi Bobic die Rede.

Bangert: "Ich wäre nicht in diesem Club, wenn es nicht friedlich zugehen würde"

Christoph Jung verpasste in dieser Saison noch kein einziges Spiel des VfB. Der 22-Jährige sitzt nicht wie die anderen irgendwo auf den Rängen, sondern steht seit sechs Jahren im Anheizerblock in der Cannstatter Kurve. "Wir peitschen die Spieler an", erklärte er den Kraftakt von lautstarken Gesängen, das Fahnenmeer, das Schalschwingen und das schier unermüdliche Springen am Spielfeldrang.

Jung sieht sich und die anderen in der Kurve als wichtigen Motor, und der VfB wisse das zu schätzen. Entscheidungen der Verantwortlichen wurden auf Einspruch der Cannstatter Kurve schon rückgängig gemacht, und im Moment stehe Bobic im Fadenkreuz. Beim letzten Heimspiel wurde gar die Führungsspitze heranzitiert, und die Spieler, die sich ansonsten bei der Kurve bedanken, wurden weggeschickt, erzählte Jung.

Die Sorge um den Klassenerhalt war auf den anderen Rängen im Stadion spürbar. Mit Aggressionen, die oft über das normale Maß hinausgingen. VfB-Fans, die ihre Wut unverhohlen nach außen brüllten, oder die ebenfalls abstiegsgefährdeten Hamburger, die in ihrer Kurve bengalisches Feuer entzündeten.

Ein Verhalten, das vom VfB-Fanclub aus Villingendorf verurteilt wird. "Ich wäre nicht in diesem Club, wenn es nicht friedlich zugehen würde", betonte Bangert. Jeder der Mitglied werden wolle, werde auf Herz und Nieren geprüft, berichtete Jürgen Storz. Zudem müsse ein Anwärter bereit sein, bei Festen mitzuhelfen, insbesondere beim jährlichen Binokelturnier, dessen Erlös einem sozialen Zweck zugute komme.

Auch der Busfahrer betonte, dass die Harmonie im "VfB-Bus" nur Freude bereite. Die Feierlaune nach dem Sieg hielt sich allerdings in Grenzen. Aber die Stimmung war merklich gelöster als auf der Hinfahrt. Hie und da wurde ein Liedchen angestimmt, und ein paar Scherze mussten auch die Hamburger Fans über sich ergehen lassen. Die nahmen es nicht krumm: "Auf dem Platz war keiner der Spieler sein Geld wert", resümierte Horst Scharnetzki.

Die Siegesfreude konnte das nicht schmälern: "Die drei Punkte sind wichtig, alles andere ist egal", reagierte Martin Roth, VfB-Fan und Schwiegersohn von Scharnetzki lachend. Und sollte es dennoch zum Schlimmsten kommen: Die Fans halten dem VfB auch in der zweiten Bundesliga die Treue. u Info: Am Samstag, 5. April, fährt der VfB-Bus zum Heimspiel gegen Freiburg, und am Ostersonntag, 20. April, zum Heimspiel gegen Schalke.