Irma Schwellinger von der Erwachsenenbildung und Gemeinderätin Sylvia Singer lauschen interessiert (linkes Bild). Villingendorfer Senioren suchen nach Ende der Infoveranstaltung das Gespräch mit Wolfgang Schleicher (rechtes Bild). Fotos: K. Kammerer Foto: Schwarzwälder-Bote

Ein Projekt soll den demografischen Wandel in Villingendorf auffangen / Infoveranstaltung stößt auf Interesse

Von Kathrin Kammerer

Villingendorf. Die Menschen werden älter, der Pflegebedarf steigt parallel. Wie kann man sich auf diese Entwicklung jetzt schon vorbereiten? In Villingendorf dürfen die Senioren mitgestalten. Die erste Veranstaltung zum Projekt stieß auf großes Interesse.

Es sind zunächst altbekannte Fakten, die Wolfgang Schleicher den mehr als 50 Villingendorfer Senioren an diesem Abend präsentiert:

Jedes Jahr, das man später geboren wird, lebt man zwei bis drei Monate länger. Bis 2030 wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen verdoppeln. Junge Menschen ziehen in Großstädte, familiäre Strukturen verändern sich. Die Schere zwischen dem zunehmenden Pflegebedarf und dem abnehmenden vorhandenen Pflegepotential öffnet sich immer weiter.

Wolfgang Schleicher ist Projektberater bei "Spes". Spes ist übrigens das lateinische Wort für Hoffnung. Unter Schleichers Leitung soll in Villingendorf ermittelt werden, was die Senioren in den kommenden Jahren am dringendsten benötigen.

Auch wenn seine Gemeinde im Bereich der Seniorenarbeit und Pflege bereits gut aufgestellt sei, so Bürgermeister Karl-Heinz Bucher, wolle man sich nicht auf dem Erreichten ausruhen. Man will vielmehr den demografischen Wandel "auffangen". Schließlich, so auch Schleicher, sage bereits ein altes afrikanisches Sprichwort: "Du sollst Brunnen bauen, bevor du Durst hast."

Dieser erste Infoabend liefert zunächst Impulse, zeigt den Senioren, was sie sich unter dem Projekt vorstellen können. Gerhard Kiechle, ehemaliger Bürgermeister von Eichstetten – einem Dorf am Kaiserstuhl, gleich groß wie Villingendorf –, berichtet von der dortigen Bürgergemeinschaft. Der gemeinnützige Verein wurde 1998 mit dem Ziel gegründet, ältere und hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen. Mittlerweile hat die Bürgergemeinschaft mehrere Einrichtungen geschaffen, welche auf gute Resonanz stoßen. Auch Arbeitsplätze sind so entstanden.

Zum Beispiel das Bürgerbüro: Hier können sich Bedürftige unter anderem Unterstützung beim Stellen von Anträgen einholen – und jegliche andere Information, was das Gemeindeleben und die Angebote in Eichstetten betrifft. Oder das Café Miteinander: Hier arbeiten Menschen mit und ohne Handicap gemeinsam, hier können sich Jung und Alt zum Essen treffen und sich austauschen. Oder der Schwanengarten, eine Einrichtung mit 16 Wohnanlagen, in denen ältere Eichstettener betreut wohnen können. Denn, und das betont Schleicher: "Ältere Menschen haben den Wunsch, so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben."

Und da wäre noch der Adlergarten, ein Wohnheim für pflegebedürftige oder demenzkranke Menschen. In den Einrichtungen der Bürgergemeinschaft arbeiten ehrenamtlich beschäftigte wie auch festangestellte Leute. Möglichkeiten zur Weiterbildung und Qualifizierung werden von Vereinsseite angeboten.

"Bei Demenz stößt unser ›Vollkasko-Staat‹ an seine Grenzen", ist Kiechles Meinung. Was vielmehr benötigt werde, seien Wärme, Herzlichkeit und Nähe. In gewisser Weise müsse man sich dahin "zurück entwickeln", findet er. Und dabei könne ein Projekt wie seine Bürgergemeinschaft unendlich helfen. Es sind zunächst nur Ideen, die Schleicher und Kiechle liefern. Die Villingendorfer hören aufmerksam zu. Was sie sich denn nun genau unter der "ZeitBankPlus", einem der vorgestellten Kleinprojekte, vorstellen könne, fragt eine Zuhörerin. "Man tauscht nichts anderes als Zeit", schmunzelt Schleicher. Die Zeit, die man benötigt hat, um Arbeiten für eine zweite Person zu verrichten, wird einem selbst auf einem "Konto" gutgeschrieben und kann wieder eingelöst werden.

"Wir bieten schon Nachbarschaftshilfe an, aber das wissen einfach so viele nicht", klagt eine Villingendorferin. Eine andere schließt sich ihr an: "Mit dem Büro der Sozialstation gibt es schließlich schon eine Anlaufstelle." Kiechle beruhigt die beiden: "In Eichstetten hat es auch viele Jahre gedauert, bis das Projekt richtig an Fahrt aufgenommen hat." Umso wichtiger sei es, zeitnah damit anzufangen. Bereits existierende Angebote publik zu machen, gehöre übrigens auch zu den Zielen des Projekts.