"Mit langer Hos’ und Dächleskapp": Serie: Teil zwei

"Mit langer Hos’ und Dächleskapp" heißt das Sachbuch von Siegfried Heinzmann, das er zur 1200-Jahrfeier der Stadt geschrieben hat. Der Schwarzwälder Bote veröffentlicht in loser Folge Auszüge aus dem 300 Seiten starken Werk.

VS-Schwenningen. Das erste wirkliche Massenprodukt, das aus Schwenninger Fabrikation in alle Welt geliefert wurde, waren nicht Uhren, sondern Zündhölzer! Die Anfänge der Schwenninger Zündholzfabrik werden in das Jahr 1868 datiert. Gründerväter sind die Gebrüder Johann Jakob Jauch und Johannes Jauch.

Johann Jakob Jauch lernte zunächst Schildmaler und war Krämer, bevor er sich mit der Herstellung von "Schwefelhölzchen" befasste. Erste Versuche zur gewerbsmäßigen Herstellung von Schwefelhölzchen gelangen um 1865 in einem Schopf am Neckar. Er gehörte zum Haus Wannenstraße 15, das 1830 erbaut, zuerst einem Martin Jauch, genannt "Tuubemaarte" gehörte. Damals hatte man keine Bedenken, Kinder zu beschäftigen. Es ist überliefert, dass um diese Zeit Kinder und Frauen durch den Umgang mit Schwefel- und Phosphorlösungen Verbrennungen erlitten und an Phosphor-Nekrose erkrankten.

Der großen Nachfrage wegen musste der Betrieb erweitert werden. Die Brüder Jauch bauten hinter dem Gasthaus Zum Schwert (heute etwa hinter dem Hotel Neckarquelle) 1874 ein Fabrikgebäude mit angegliederter Holzdörre. Schon Jahre später erwies sich die neue Produktionsstätte erneut als zu klein.

1869 erhielt Schwenningen Eisenbahnanschluss und im Zuge dieser Anbindung an das Reichsbahnnetz wies die Gemeinde im "Häusental“ neues Bauland aus. Direkt an der Eisenbahnstraße, (der späteren Bismarck-, heute Erzbergerstraße), errichteten die Gebrüder Jauch 1879 die erste große Produktionsanlage, 1888 durch eine Stammholzsägerei mit zwei Vollgattern erweitert. Im Alter von erst 52 Jahren, im Januar 1887, verstarb Firmengründer Johann Jakob Jauch.

Vor dem Hintergrund der nach wie vor anhaltenden Phosphor-Nekrose-Erkrankungen der Arbeiterschaft bestimmten 1884 erlassene neue Reichsgesetze die Modernisierung damals bestehender Zündholzfabrikationen im Deutschen Reich. Die Schwenninger Zündholzfabrik musste ihre Anlagen modernisieren. Neue Maschinen wurden angeschafft und die Fabrikräume erhielten eine funktionierende Belüftung.

Von Interesse ist eine Arbeitsordnung der Zündholzfabrik vom 1. Mai 1892. Unter §6 hieß es unter anderem: "In der Fabrik darf in keinem Raum geraucht werden. Mit brennender Pfeife oder Cigarre dürfen die Arbeitsräume nicht betreten werden, auch ist es nicht gestattet, beim Verlassen der Arbeit Pfeife oder Cigarren innerhalb der Arbeitsräume anzuzünden. Wer trotz Verwarnung diese Bestimmungen wiederholt in leichtsinniger Weise übertritt, kann sofort entlassen werden".

§ 11 bestimmte: "Diejenigen, mit dem Betunken oder Abfüllen der Zündhölzer beschäftigten Personen haben aus hygienischen Gründen folgendes zu beachten: Vor dem Einnehmen des Vesperbrotes sowie vor dem Verlassen der Fabrik sind die Hände gründlich zu reinigen und der Mund mit Wasser auszuspülen". Mit Inkrafttreten dieser Arbeitsordnung betrug die Arbeitszeit in der Zündholzfabrik täglich 10 Stunden, im Sägewerk 11 Stunden. Samstags musste bis abends 17.30 Uhr gearbeitet werden.

Nur fünf Monate nach Erlass dieser Arbeitsordnung vernichtete ein Großbrand, der abends 18.30 Uhr ausbrach, die Fabrikationsgebäude, nur die Dampfsäge konnte gerettet werden. Der Brand konnte erst gegen 22.00 Uhr gelöscht werden. Wieder einmal zeigte sich, dass die Feuerwehr wegen fehlenden Wassers nicht in der Lage war, schnell rettend einzugreifen.

Eine Betriebs-Krankenkasse wurde gegründet. Zur Jahrhundertwende 1900 beschäftigte die Zündholzfabrik 110 Arbeiter und 1901 arbeiteten hier erstmals Italiener. Auch Einwanderer aus Böhmen haben hier gearbeitet.

1906 baute Johannes Jauch für sich und seine Familie die sogenannte Zündholzvilla im damaligen Stil der Zeit. Sie entstand nahe der Zündholzfabrik an der Ecke Bismarck-/Holzstraße (heute Ecke Erzberger- und Arndtstraße).

1932 ging Johann Martin Jauch in den Ruhestand. Ab 1932 ist die "Deutsche Zündholz AG" zu Berlin Besitzer der Schwenninger Firma und schon drei Jahre später, 1935, stellte der Betrieb die Produktion ein. Am 2. Januar 1945 zerbombten amerikanische Flugzeuge das Bahnhofsareal samt einem Teil der angrenzenden Wohngebiete.