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Zahl der Fahrer in der Region steigt an - ebenso wie Zahl der Unfälle. Polizei und Händler klären auf.

Villingen-Schwenningen - 25 Kilometer pro Stunde ohne starke körperliche Anstrengung und der Wind weht einem dabei um die Nase. Scheinbar haben Pedelecs und E-Bikes nur Vorteile. Und doch haben sie eine Frau in Villingen kürzlich das Leben gekostet. Zufall?

Sobald der Fuß das Pedal durchtritt, ertönt ein Surren und das Fahrrad schießt nach vorne. So schnell, dass man im ersten Moment erschreckt. Nach wenigen Tritten beschleunigt das Rad ungemein. Schon pfeift der Wind nur so um die Nase und die Strecke zum Bäcker ist in der Hälfte der Zeit absolviert. Kein Wunder, dass das Fahrrad mit Hilfsmotor, Pedelec genannt, immer beliebter wird. Und das nicht nur bei betagten Radlern.

"Vor vier bis fünf Jahren haben wir die Pedelecs noch an Leute ab 50 Jahren aufwärts verkauft. Inzwischen geht es etwa ab 25 Jahren los", erklärt Mike Gahrig von "Uli Rottlers Pedal" in Villingen. Er verkauft etwa 40 bis 50 Pedelecs pro Jahr, Tendenz steigend.

Ebenso steigend ist aber auch die Zahl der Unfälle laut Michael Aschenbrenner von der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Tuttlingen. Während es 2015 in den fünf Landkreisen, die in die Zuständigkeit des Präsidiums fallen, 41 Unfälle mit Pedelecs gab, sind es in diesem Jahr (Stand 7. September) bereits 34. Lediglich zwei davon entfallen auf die schnelleren E-Bikes. Bei den Unfällen wurden dieses Jahr 15 Personen verletzt und eine getötet (wir berichteten).

Explizit im Schwarzwald-Baar-Kreis gab es 2015 zehn Unfälle mit den Zweirädern, 2016 sind es schon jetzt 13 (elf davon mit Pedelecs). "Wenn man bedenkt, dass 2015 besonders gutes Wetter war, geht die Zahl schon ziemlich nach oben", merkt Aschenbrenner an.

In den vergangenen Jahren haben sich bezüglich der Pedelecs und E-Bikes zwei Lager gebildet: Die einen sehen das Gefährt als Gefahr, die anderen als echte Unterstützung. So auch Martin Vetter, Inhaber von "Tour – Räder fürs Leben". "Wenn sich Skifahrer mit einem Lift den Berg hochfahren lassen, sagt auch niemand was", meint er. Nichts anderes tue ein Pedelec. Es unterstütze mit dem Motor Menschen, die nicht mehr so fit seien und Hilfe bräuchten.

Der 60-Jährige verkauft seit 1984 Fahrräder. Pedelecs gebe es seit etwa 20 Jahren, 2003 habe es jedoch erst einen regelrechten Boom gegeben. Vetter weiß aber auch um die kritischen Stimmen, denn die motorisierten Fahrräder haben oft einen schlechten Ruf.

"Besonders professionelle Mountainbiker haben Aversionen gegen die Pedelecs", weiß Vetter. "Pedelecs sind nur für Alte und Behinderte", heiße es oft. Dabei mache es auch manchem "Downhiller" durchaus Freude, den Berg hoch schneller zu fahren. "Außerdem ist das nicht zu unterschätzen. Auch hier schwitzt man", stellt Vetter klar. Die acht Kilo mehr Gewicht des Fahrrads aufgrund des Motors und des Akkus spüre man durchaus.

"Für Übergewichtige oder Unsportliche ist es ideal, denn man bewegt sich trotzdem und der Kreislauf kommt in Schwung", erklärt er. Ebenso praktisch sei das Pedelec für Ehepaare, stellen beide Händler fest. "Er fährt Mountainbike, sie Pedelec und er büßt seinen Trainingseffekt nicht ein", erklärt Vetter.

Ein anderes Thema sei der Sicherheitsfaktor, wobei er findet: "Die Unfallgefahr wird falsch dargestellt". So erreiche man bei einem Gefälle mit dem normalen Fahrrad auch schnell 25 Kilometer pro Stunde. "Meist ist das Problem, dass die Leute jahrelang gar nicht gefahren sind und die Übung fehlt", sieht er die Ursache in den Unfällen. Da denke man: "Huch, was schiebt denn da?". Mike Gahrig sieht die Ursache eher darin, dass die Geschwindigkeit der Pedelecs unterschätzt werde und es häufig zu Kollisionen mit Autos komme. Ebenso seien Räder mit Vorderradantrieb gefährlicher. "Da rutscht man auf nassem Herbstlaub schnell aufgrund der abrupten Beschleunigung", warnt er. Ansonsten sieht er in den Rädern keine besondere Gefahr.

Auch Michael Aschenbrenner hält die elektrischen Räder per se nicht für gefährlicher als herkömmliche. Sicher, man müsse dem Fahrer die Geschwindigkeit vor Augen führen und besonders in der Stadt aufpassen, weil man unterschätzt oder übersehen werden könne. Auch gebe es längere Anhaltewege und schwerere Verletzungen. Besonders in Kurven könne die Geschwindigkeit auch zu Stürzen führen. Andererseits seien Fahrer aufgrund der geringen körperlichen Verausgabung konzentrierter.

Er selbst sei noch stolz darauf, mit eigener Körperkraft den Berg hinaufzukommen, schließt ein Pedelec in einigen Jahren allerdings nicht aus. Das sei eine Philosophiefrage, meint der 57-Jährige. Er empfiehlt, die Bremswirkung zu testen und sich mit dem Gefährt vertraut zu machen, bevor man sich in den Verkehr wagt. "Man braucht ein Feeling für die Geschwindigkeit". Auch einen Schutzhelm hält er für unerlässlich. Das sei ein generelles Problem, weiß auch Vetter: "Klar, die Frisur sieht dann blöd aus, aber im Krankenhaus ist es noch viel blöder".