Großer Blumenfan: Der Schwarzwälder Bote traf in dieser Woche Kreisrätin Martina Braun zu einem Gespräch über die ersten Wochen als Landtagsabgeordnete in Stuttgart. Foto: Trenkle Foto: Schwarzwälder-Bote

Landtagsabgeordnete: Martina Braun über die ersten Wochen im Landtag/"Ich bin Realpolitikerin"

Von Wolfgang Trenkle

"Das war neulich wie der Gang über den Roten Teppich", erzählt Martina Braun. Seit rund zweieinhalb Monaten vertritt die Grünen-Abgeordnete den Wahlkreis 54 im Landtag und erlangte mit ihrem Wahlerfolg sogar ein Direktmandat.

Schwarzwald-Baar-Kreis. Unsere Zeitung sprach in dieser Woche mit der Biobäuerin aus Linach über die neue Herausforderung. Das erhebende Gefühl, bei der ersten Zusammenkunft, der sogenannten Konstituierenden Sitzung, nicht über den Besuchereingang, sondern über jenen für die Abgeordneten ins Gebäude zu gelangen, ist nachvollziehbar. Zwei andere Farben spielen für die aktuelle Politik des Landes die zentrale Rolle: Braun trug denn auch in der ersten Sitzung passend und sogar in der Übertragung der Landesschau Mitte Mai im Plenum kräftig heraus leuchtend die Koalitionsfarben mit grüner Jacke und schwarzer Hose.

"Das ist schon ein erhebendes Gefühl, wenn man beispielsweise bei der Wahl des Ministerpräsidenten am Tag darauf namentlich aufgerufen wird, in die Wahlkabine geht, um den Stimmzettel auszufüllen. Auch ist es immerhin jener Wahlkreis, in dem früher Erwin Teufel jeweils in den Landtag gewählt wurde." Trotz der starken Emotionen ist Braun bislang ein ganz normaler Mensch geblieben und erzählt von der Arbeit in Stuttgart nicht anders als von jener auf dem Biobauernhof im winzigen Teilort Furtwangens. "Wir brauchen Ideale, aber mit Ideologien kann man nichts ändern." Die Kunst sei, Ideale und die Realität auf einen Nenner zu bringen. Das gelte für den Landtag ebenso wie für den Bauernhof. "Ich sehe mich als Realpolitikerin, die eben realistische Lösungen sucht, um etwas zu erreichen."

Ihre Haltung ist damit sehr ähnlich jener von Winfried Kretschmann. "Wir kennen uns schon aus früheren Wahlkampfzeiten", so Braun, "besonders gut verstehe ich mich mit seiner Frau." Winfried habe die selbe Angewohnheit wie sie selbst, lacht Braun, "wenn wir wandern gehen, dann botanisieren wir ständig", fast zwanghaft seien sie damit beschäftigt, zu überlegen, welche Pflanze da gerade am Wegesrand wachse.

Lange Zeit sei sie nach der Wahl für sie selbst überraschend ruhig geblieben. Die Anspannung kam mit der Nähe zu den ersten Sitzungen. Im Abgeordnetenhaus galt es ein Büro einzurichten und einen Parlamentarischen Mitarbeiter zu finden. Das ist inzwischen geschehen: Mit der 28-jährigen Nadja Unger unterstützt Braun eine kompetente Kraft mit Master-Abschluss der Politikwissenschaft. Angesichts der politischen Verschiebungen reichten räumlich die Büros auf dem Stock der Grünen nicht aus. Brauns Büro befindet sich auf der SPD-Etage. Bürgernähe, so betont sie, sei ihr sehr wichtig und so könne man dort von Montag bis Donnerstag entweder sie oder die Mitarbeiterin erreichen. Auch im Wahlkreis werde sie noch ein Büro eröffnen und hierfür ebenfalls einen Mitarbeiter suchen. "In Sachen Bürgernähe will ich noch eine Idee umsetzen: Sprechstunden in den verschiedenen Orten des Kreises." Hierzu müsse sie sich noch mit den jeweiligen Bürgermeistern abstimmen. Vorstellungsrunden in den Rathäusern dreht sie aktuell bereits. So traf sie kürzlich Villingen-Schwenningens Oberbürgermeister Rupert Kubon; als nächstes geht es nach Triberg und Schonach.

Zahlreiche Fraktionssitzungen wurden inzwischen abgehalten. Braun wurde innerhalb der Grünen Landtagsfraktion im Arbeitskreis Ländlicher Raum zu

"Auch Tiere sind Individuen mit wahrnehmbarem Charakter."

dessen Sprecherin gewählt. Als solche ist sie gemeinsam mit dem zweiten Abgeordneten des Wahlkreises, Karl Rombach (CDU), Mitglied im Landtags-Beratungsgremium Ländlicher Raum, der sich um Waldwirtschaft, Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Tierschutz kümmert. Ein weiteres Gremium, in welches Braun gewählt wurde, ist der Arbeitskreis Petitionen. "Dort muss ich mich allerdings noch kräftig einlesen." Beim Gremium Ländlicher Raum ist sie jedoch in ihrem Element und kann Bäuerin und Abgeordnete miteinander verbinden. Ähnlich geht es auch dem langjährigen Wahlkreis-Abgeordneten Karl Rombach. Rombach ist ebenfalls Landwirt. "Wir verstehen uns menschlich gut", so Braun. Sie erhielt von ihm auch schon einige Tipps und er sei einer der Ersten gewesen, die ihr nach der Wahl gratulierten. "Was die Entwicklung der Landwirtschaft anbelangt, haben wir allerdings sehr konträre Ansichten."

Braun sieht im Wachstum mit ständiger Ausweitung der Flächen und Produktionsmengen kein tragfähiges Prinzip für die Zukunft. "Der derzeitige Milchpreisverfall macht deutlich, wohin dies führt." Ihr eigener Familienbetrieb zeigt, dass es auch anders geht: Mit im Schwarzwald beheimateten Vorderwälder Milchkühen, einer Schafherde, Weidemastochsen und Legehennen produziert der Hof in Bioland-Qualität. Eier und das Fleisch der Ochsen vermarktet Familie Braun im Direktvertrieb. Angedacht war, mit der Wahl die Leitung des Hofes vom Vater auf den Sohn zu übertragen. Da Wirtschafts- und Kalenderjahr nicht parallel liefen, sei für 2016 allerdings zu wenig Zeit geblieben. Im kommenden Jahr werde der Landwirtschaftsmeister nun den Hof offiziell übernehmen.

Politisch möchte Braun bezüglich der Landwirtschaft möglichst Fehlentwicklungen korrigieren oder gar nicht erst zulassen. So steht sie beispielsweise dem derzeit heiß diskutierten Handelsabkommen mit den USA sehr kritisch gegenüber. Aber auch ohne dieses sei die Landwirtschaft in eine falsche Richtung unterwegs.

Die Rinderhaltung nimmt sie als Beispiel: Kühe stünden als Grasverwerter nicht in Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Verfüttere man anderes, ändere sich dies. Es müsse wieder normal werden, dass Kühe auf die Weide dürfen.

Auch hätten die auf Hochleistung getrimmten Kühe mit einer Jahresmenge von bis zu 12 000 Litern Milch medizinische Probleme und ähnlich den männlichen Tieren bei überzüchteten Hühnerrassen könnten die Stiere und Ochsen kaum Fleisch ansetzen und wären damit für die Mast nicht nutzbar: "Tiere dürfen kein Abfall sein." Ihre eigenen traditionellen Kühe mit rund 5000 Litern Milch an Jahresleistung benennt Braun: Nasi, mit krummer Nase, ist mit 13 Jahren beispielsweise die älteste. Die liebste ist ihr allerdings Kuh Charlotte. Tiere seien auch Individuen mit wahrnehmbaren Charakter, so Braun. Solch Denken lasse ein Massenbetrieb natürlich nicht zu.