Theater: "Mentor" greift Frage des zeitgenössischen Kulturbetriebs auf

Von Wolfgang Tribukait

VS-Villingen. Wie fragwürdig ist das Ansehen eines Schriftstellers! Darf einer, dem vor 40 Jahren einmal ein großer Wurf gelang, sich dann zeitlebens im einstigen Ruhm sonnen und junge Kollegen mit einem vernichtenden Urteil in der Luft zerreißen?

Aber auch: Verdienen es die Selbstzweifel eines nur mittelmäßig Begabten, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden? Vielleicht sollte man Mitleid haben mit seinem vergeblichen Bemühen und der Verzweiflung, mit der er sein Manuskript vernichtet? Wie wenige Leute können als Theater-Autoren ihr Brot verdienen, müssen sich nicht aushalten lassen durch die Arbeit ihrer Frau!

Diese Frage des zeitgenössischen Kulturbetriebs machten das Stück "Der Mentor" von Daniel Kehlmann, gespielt im Theater am Ring in Villingen, zu einer tragikomisch Farce, reich an satirischen Zügen, bei denen das Publikum manchmal lachte. Aber letzten Endes in Resignation mündend: Man schreibt vor sich hin, ein endgültiges Urteil über die Qualität gibt es nicht, und früher oder später wird man völlig vergessen.

Natürlich brillierte Volker Lechtenbrink in der Rolle des Sarkastischen, sich überlegen gebenden alte Autors. Andreas Christ wandelt sich vom hoffnungsvollen Jung-Autor zum verzweifelt Rasenden, der seine Selbstachtung und seine Frau verliert. Diese Frau, Gina, (Anja Boche) ist die positivste Figur des Stücks: Sie versucht ihren Mann aufzubauen, ihn schonend von seinen Selbsttäuschungen zu heilen – und als diese Bemühungen scheitern, entwickelt sie im Gespräch mit dem alten Schriftsteller Einsichten darüber, welche Illusionen das Leben schön machen können. Und nebenbei führt sie den Beauftragten der Kulturstiftung (Oliver Dupont) dahin, sich aus dem Leerlauf des Betriebs zu verabschieden und seinem Ziel, der Malerei, zu leben.

Die Regie von Folke Braband vom Theater am Kurfürstendamm ließ die Schauspieler die in den Rollen angelegten Charaktere lebendig entwickeln: bewundernswert die Gestik und Mimik. Überzeugend der gezügelte Zynismus des alten Autors, äußerst bewegt die unbeherrschte Raserei des Jüngeren.

In den Wortgefechten, die der sich mit seinem Gegenspieler und mit seiner Frau lieferte, war leider vieles wegen seiner undeutlichen Aussprache kaum zu verstehen. Ein Stück, das mit so tiefer Skepsis das Selbstverständnis moderner Autoren hinterfragt, kann man kaum als Komödie bezeichnen. Resignierend am Ende seines Autoren-Lebens das Resümee: Wer vergessen wird, wird es für immer.