Von 135 Kilo auf 75 Kilo – Massimo Vicino aus Bad Dürrheim hat es geschafft und sein Leben vom einen auf den anderen Tag komplett umgekrempelt. Foto: Vicino/Klingk

Massimo Vicino hat 60 Kilo abgenommen und sich damit nicht nur äußerlich völlig verändert.

Bad Dürrheim - Als er das Fitnessstudio betritt, hat er das Gefühl, alle hören augenblicklich auf zu trainieren und starren ihn an. Er ist sich seines Umfangs bewusster als je zuvor, sieht an den Blicken der Trainierenden, was sie denken müssen. Und doch gibt es keinen Weg zurück, denn er hat sich ein Ziel gesetzt. Nach zehn Minuten auf dem Stepper muss er aufhören – zu groß ist der Schmerz, die Anstrengung. Doch er verlässt das Fitnessstudio erhobenen Hauptes, denn er weiß, nächstes Mal wird er 15 Minuten schaffen.

"Der erste Gang ins Studio war die Hölle", sagt Massimo Vicino aus Bad Dürrheim ganz offen. So wie er haben sich schon viele übergewichtige Männer gefühlt. Doch nur die Wenigsten haben die Disziplin, das durchzuziehen, was Vicino hinter sich hat: 60 Kilo abzunehmen.

Pasta, Pizza, Prosciutto – als Kind zweier sizilianischer Eltern war Massimo stets kulinarischen Verführungen ausgesetzt und mit 100 Kilo Gewicht bei einer Größe von 1,76 Metern schon kräftig. "Italiener essen mittags ja schon, was die Deutschen den ganzen Tag essen", sagt er lachend. In seinem Beruf als Drucker musste er oft Unterlagen bekannter Fast-Food-Ketten beschriften und sah tagtäglich die Werbung dieser vor sich. "Ich war oft nach Feierabend noch in einem Schnellrestaurant, nachdem ich das den ganzen Tag vor der Nase hatte", sagt Massimo.

Doch der Alptraum begann im Jahr 2013, als der damals 23-Jährige eine Erkältung verschleppte. In der Folge erlitt er eine gefährliche Herzmuskelentzündung, die ihn bewegungstechnisch für ein ganzes Jahr außer Gefecht setzte. "Ich durfte sozusagen nicht einmal eine Flasche hochheben", erzählt Massimo aus der Zeit. Die Langeweile tat sein Übriges und der Italiener begann immer mehr zu essen. "Ich habe jeden Blödsinn gegessen, egal was", berichtet er.

So brachte er 2014 stolze 135 Kilo auf die Waage. Parallel begann er, sich immer mehr zurückzuziehen. "Man schwitzt und alles ist anstrengend", erinnert er sich ungern an die Zeit zurück. Als die Krankheit ausgestanden war, sagte er sich deshalb: "Ich werde mein Leben umkrempeln". Er begann, frisch zu kochen und das Essen anders zu betrachten.

"Ich musste mir grundsätzliche Gedanken machen", erklärt Massimo. Natürlich sei er auch schon vorher von anderen wegen seines Gewichts kritisiert worden, doch die Veränderung habe bei ihm selbst anfangen müssen, meint er. Als dann sogar Kleidergröße 3XL irgendwann spannte, habe es gereicht.

Bevor er mit der Lebensveränderung begann, stopfte er eine Woche lang noch einmal alles in sich hinein, was er liebte. "Ich wusste, dass es danach vorbei sein würde, habe aber keinem davon erzählt", sagt der heute 27-Jährige. Dann begann die härteste Zeit. Wenn er nach Hause kam, aß er erst einmal nichts und fragte sich zunächst, ob er Hunger oder Appetit habe. Früher habe er oft nur aus Stressgründen gegessen. Außerdem ließ er die Kohlenhydrate weg – vielleicht der härteste Kampf. "Es gab Nächte, in denen ich davon geträumt habe und dann am Kühlschrank kontrollieren musste, ob ich nicht doch versehentlich etwas gegessen habe", muss Massimo heute darüber grinsen.

Parallel begann er das Spazieren, das bewusste Laufen, wie er es nennt. "Jeder denkt ja nach der Arbeit, er habe sich eigentlich genug bewegt. Aber mit einem Schrittzähler habe ich darauf geachtet, dass ich tatsächlich 10 000 Schritte pro Tag gehe", sagt Massimo. Nach dem Stepper stieg er beim Sport schnell auf das Laufband um, das bei ihm am meisten Wirkung zeigte. "Die ersten zehn Kilo waren weg und ich habe bei meinem Gewicht keine wirkliche Veränderung im Spiegel gesehen", erklärt der 27-Jährige wie er sich nach dem Zwischenerfolg gefühlt hat.

Also musste noch mehr passieren. Diszipliniert zog er sein Programm aus Essensumstellung und Sport durch. Mittlerweile passt er automatisch seine Essensmenge der Bewegung an. "Wenn ich weiß, dass ich noch Sport mache, dann gönne ich mir ein wenig mehr Essen", erklärt er. Etwas länger als ein Jahr hat er dafür gebraucht, von 135 Kilo auf 75 Kilo herunter zu kommen.

Den Sport hat er für sich entdeckt. So nimmt er derzeit an einigen Ausdauerläufen teil und startet nun auch mit dem Muskelaufbau. "Ich trage jetzt Kleidergröße S/M", sagt er stolz. Auch das Klettern ist ihm wichtig geworden. "Als ich das erste Mal oben angekommen bin, dachte ich: ›Wow, ich hab’s echt geschafft‹", versucht er seine Gefühle in Worte zu fassen.

Rückschläge gab es bis heute keine – auch nicht in Stressphasen, in denen er damit gerechnet hätte. Die Kilos purzelten unaufhörlich. Beinahe täglich macht Massimo nun Sport, auch bedingt dadurch, dass er im November eine Ausbildung zum Fitness- und Gesundheitstrainer beginnen wird. Nun muss er auch auf nichts mehr verzichten. "Ich weiß, wenn ich es heute übertreibe, dann esse ich eben morgen weniger", zuckt er mit den Schultern.

Das Schönste am Abnehmen sei auch, dass die Leute völlig anders reagieren würden. Viele würden ihn jetzt auch nach Tipps fragen. So spricht er beispielsweise am 23. Oktober beim Forum des Gesundheitsnetzwerks Schwarzwald-Baar. Dort will er andere inspirieren.

Inzwischen kann Massimo wieder ein Fast-Food-Restaurant betreten und isst auch hin und wieder dort. Aber so recht Lust darauf hat er keine mehr. "Es schmeckt mir nicht mehr", sagt er lachend und scheint auch ein wenig erleichtert darüber, dass sein Leben jetzt völlig anders verläuft als früher.